Heutige Grasflächen sind meist Kunstwiesen, bestehend aus einer Handvoll Gras- und Kleearten und optimiert für landwirtschaftliche Anforderungen: gut geeignet für Silage und zum Eingrasen, güllefest – und vor allem rasch wachsend, damit oft geschnitten werden kann. Kräuter stören dabei und mindern vermeintlich den Ertrag. Doch die Menge ist nicht alles, Eiweiss und Kohlenhydrate allein genügen nicht für die Tiere. Sie mögen zwar satt machen, doch in den eintönigen Grasmischungen fehlt es an wichtigen Wirkstoffen für die Gesundheit.

Wie bunt sind daneben artenreiche Fett- oder Magerwiesen! Auch sie sind vom Menschen gemacht, doch werden sie extensiv als Weide oder zur Heugewinnung genutzt. Sie bilden wertvolle Biotope, in denen man ohne Weiteres 40 oder mehr verschiedene Pflanzenarten findet. Ihr Wert wird noch grösser im Wissen, dass die Hälfte der Pflanzenarten hierzulande in Wiesen lebt, dazu kommen unzählige Insekten, Vögel und Kleinsäuger, die von diesen Biotopen abhängig sind!

Doch der Grossteil dieser wertvollen Blumenwiesen ist verschwunden. Das ist nicht nur eine Tragödie für die Artenvielfalt in unserem Land, sondern beeinträchtigt auch die Gesundheit der Tiere, die mit eintönigem Kunstwiesenheu vorliebnehmen müssen. Gerade Kaninchen, die eine ausgesprochene Vorliebe für blatt- und kräuterreiches Heu haben, werden auf diese Weise unzureichend ernährt; es fehlt an Pflanzenwirkstoffen, die unersetzlich sind für ein gesundes Tierleben. 

Stärkende Gerb- und Bitterstoffe 
Diese als sekundäre Pflanzenstoffe bezeichneten Verbindungen erfüllen bereits in der Pflanze wichtige Funktionen: Sie locken bestäubende Insekten an, sorgen für Stabilität der Pflanzen und schützen vor Krankheiten und Schädlingen. Es gibt Tausende verschiedener sekundärer Pflanzenstoffe, darunter Farb-, Geruchs- und Geschmacksstoffe, aber auch Gifte. Die ganze Pflanzenheilkunde basiert auf diesen Wirkstoffen, die vor Infektionen schützen, das Immunsystem und die Verdauung ankurbeln, die Organe gesund erhalten und Krankheiten heilen. Steht kein Naturwiesenheu zur Verfügung, lohnt es sich deshalb, die Tiere gezielt mit wirkstoffreichen Pflanzen zu versorgen. 

Gerbstoffe sind weit verbreitet im Pflanzenreich. Sie bilden zusammen mit Eiweiss unlösliche Verbindungen; darauf beruht das Gerben von Fellen und Leder. Medizinisch eingesetzt verdichten Gerbstoffe oberflächlich das Gewebe, sie stoppen Durchfall, stillen Blutungen, mindern Schmerzen und Juckreiz, hemmen Bakterien. Kräuter wie Spitzwegerich, Frauenmantel, Löwenzahn, aber auch Zweige von Weide, Hasel, Erle, Eiche, Birke und Obstbäumen versorgen Kaninchen unter anderem mit Gerbstoffen und stärken damit den Verdauungstrakt. 

Geschmack durch ätherische Öle 
Bitterstoffe steigern die Sekretion von Verdauungssäften und regen so den Appetit und die Verdauung an, Gärungsvorgänge werden verhindert oder gestoppt. Da Bitterstoffe zudem die Eiweissverdauung verbessern, haben sie eine kräftigende Wirkung und helfen den Tieren nach einer Krankheit schneller wieder auf die Läufe. Für Kaninchen ist dies gerade auch in der Ausstellungssaison hilfreich. Gute Bitterstoffpflanzen für Kaninchen sind Beifuss, Löwenzahn, Hopfen, Benediktenkraut, Artischocke.

Ätherische Öle sind eine weitere Wirkstoffgruppe. Sie verleihen den Pflanzen Duft und Geschmack, töten krank machende Mikroorganismen, sind antioxidativ und verdauungsfördernd. Alle Gewürzpflanzen enthalten ätherische Öle, also beispielsweise Thymian, Oregano, Melisse, Fenchel, Lavendel, Bohnenkraut. Nach dem Fressen aromatischer Kräuter wird ein Teil der ätherischen Öle über die Lungen ausgeschieden, was sie zu ausgezeichneten Heilmitteln für die Atemwege macht. Dazu gehören Thymian, Bohnenkraut, Anis und Fenchelsamen.

In vielen Pflanzen sind die ätherischen Öle mit Bitterstoffen kombiniert. Diese als aromatische Bittermittel bezeichneten Pflanzen sind für Kaninchen besonders wertvoll, sozusagen Aperitif und Verdauungsschnaps in einem: Sie verbessern die Verdauung, regen den Appetit an, lindern Krämpfe und unterstützen die Darmflora. Darüber hinaus hemmen sie Mikroorganismen, die nicht in den Darm gehören, die gesunde Darmflora wird von den Kräutern jedoch nicht beeinflusst. Zu den aromatischen Bittermitteln gehören Schafgarbe, Rosmarin, Salbei. Eine herausragende Stellung nehmen in dieser Gruppe Beifuss und Nelkenwurz ein, aromatische Bittermittel, die darüber hinaus Kokzidien hemmen. 

Vielfältige Pflanzennahrung hilft
Schleimstoffe quellen mit Wasser auf. Im Darm regen sie die Darmbewegung an und wirken als milde Abführmittel. Daneben haben sie eine schleimhautschützende Wirkung, da sie Reizstoffe binden. Sie beschleunigen die Heilung von Entzündungen der Atemwege oder im Magen-Darm-Bereich. Schleimstoffhaltig sind Eibisch, Malve, Breitwegerich. 

In Pflanzen sind noch viele weitere Wirkstoffe enthalten, die oft für spezifische Or­ganwirkungen verantwortlich sind: Die Flavonoide in Weissdorn beispielsweise stärken gezielt den Herzmuskel, Silymarin, ein Flavonoid der Mariendistel, ist das beste Heilmittel für eine geschädigte Leber. Eine vielfältige Pflanzennahrung ist deshalb die beste Voraussetzung für gesunde Tiere.

Die genannten Pflanzen findet man in der Natur oder baut sie im Garten an. Daneben bieten Drogerien viele Sorten als getrocknete Teedrogen an. Um eintöniges Kunstwiesenheu aufzuwerten, mischt man am einfachsten mehrere Sorten zusammen und gibt den Kaninchen einen Teelöffel davon übers Kraftfutter. Sie danken es mit einer stabilen Verdauung, Vitalität und guter Fruchtbarkeit.