Immunstimulierend, verdauungsfördernd, kokzidienhemmend, fruchtbarkeitsfördernd, appetitanregend, stärkend, regulierend auf die wichtige Darmflora – das sind ein paar Eigenschaften von wild wachsenden Heilkräutern, die sich als Kaninchenfutter eignen. Und doch gibt es immer noch Kaninchen, die ihr Leben lang kein frisches Grün zu fressen bekommen. Die Züchter sind der Meinung, Gras schade den Tieren und führe zu Verdauungsbeschwerden. Das Gegenteil ist der Fall  – wenn man unter Gras nicht einfach Wiesenschnitt versteht, sondern gezielt gewählte Kräuter. In Beständen ohne Grünfutter treten gehäuft Probleme bei gesundheitlich labilen, zu Blähbäuchen und schmierigem Kot neigenden Tieren auf. Passende Kräuter können diesen Tieren zu einer stabileren Gesundheit verhelfen. Selbst die gefürchteten Jungtierverluste in der Aufzuchtzeit bekommt man mit Kräutern und guter Hygiene in den Griff. 

Pflanzen sind im Gegensatz zu chemischen Arzneimitteln Multitalente. Sie setzen nicht an einem einzelnen Punkt im Organismus an, sondern stärken mehrere Organe gleichzeitig, hemmen unerwünschte Mikroorganismen, fördern die erwünschte gute Darmflora und stärken das Immunsystem. Pflanzen enthalten eine Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen. Diese ermöglichen es der Pflanze, mit Schädlingen und Krankheitserregern fertigzuwerden – und dieselben Wirkstoffe helfen auch Mensch und Tier im Kampf gegen Krankheiten. 

Kräuter für agile Jungtiere
Die Tiere und ihre Nahrungspflanzen entwickelten sich gemeinsam in der Evolution. So ist es zu erklären, dass dieselbe Pflanze die guten Mikroorganismen im Kaninchendarm unbehelligt lässt und gleichzeitig schädliche und krankmachende Bakterien hemmt. 

Die Jungtiere tummeln sich jetzt in den Ställen – darunter auch zukünftige Ausstellungs- und Zuchttiere. Ihre Entwicklung wird von den Züchtern aufmerksam beobachtet: Welche Tiere erfüllen die strengen Anforderungen an Körperbau, Zeichnung, Farbe und Fellqualität? Vieles ist genetisch festgelegt, doch erst unter optimalen Haltungsbedingungen kommen die guten Anlagen voll zur Entfaltung. Die Hygiene muss stimmen. Kaninchen, die im eigenen Kot sitzen, werden nie Ausstellungstiere  – Kokzidien können sich in schmutzigen Ställen breitmachen. Sie zerstören die Darmschleimhaut, Nährstoffe aus dem Verdauungsbrei gelangen nur noch schlecht ins Blut.

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Kokzidiengeplagte Tiere sind knochig und sie haben Blähbäuche. Zudem sind sie schlecht genährt, obschon die Futtermenge stimmt. Des Weiteren sehen die Felle struppig und glanzlos aus. Zwar enthalten viele Kraftfutter Kokzidiostatika, doch diese vermitteln eine falsche Sicherheit. Sind die Parasiten dagegen resistent, wird das Kaninchen krank; niemand denkt dabei an Kokzidien, weil ja das Futter davor schützen sollte. Besser ist, den Kaninchen regelmässig kokzidienhemmende Pflanzen zu verfüttern. Gegen diese Vielstoffgemische können die Parasiten nicht resistent werden. 

Pflanzen für die Aufzuchtphase
Eine der vielseitigsten und wichtigsten Pflanzen für Kaninchen ist Beifuss. Man findet die Pflanze in Kiesgruben, an Ufern oder an steinigen, trockenen Stellen. Man erhält sie auch in guten Kräutergärtnereien. Wichtig ist, dass sie aromatisch duftet, denn es gibt auch fast geruchlose, aber weniger wirksame Typen. Beifuss hilft bei allen Beschwerden des Magen-Darm-Traktes, lindert Blähungen und Koliken, regt die Magensaft- und Gallensekretion an, was die Verdauung verbessert. Er hilft bei Durchfall und Verstopfung, lindert Entzündungen im Darmtrakt, reguliert die Darmflora und hemmt Mikroorganismen, die dort nicht hingehören. Man kann Beifuss an einem sonnigen Platz im Garten ansiedeln. Da er die Gebärmutter anregt, darf er nicht an trächtige Häsinnen verfüttert werden. Bei schwierigen Geburten ist er aber eine wertvolle Hilfe und treibt abgestorbene Föten aus. 

Eine weitere wichtige Pflanze ist die Echte Nelkenwurz. Man findet sie an Waldwegen und Waldrändern. Hundehalter kennen die Samen mit den Haken, die sich im Fell der Vierbeiner festhalten und so verbreiten. Nelkenwurz, auch Heil-aller-Welt genannt, ist ein altes Malariamittel. Malariaerreger und Kokzidien sind nah verwandt: Nelkenwurz hemmt beide. Als Kokzidien-Kur füttert man den Kaninchen mehrmals pro Woche etwas Nelkenwurz. Gleichzeitig muss die Stallhygiene überprüft werden. Es genügt nicht, einen Stall wöchentlich auszumisten, wenn sich darin Jungtiere tummeln. Will man den Entwicklungszyklus der Parasiten unterbrechen, muss man alle zwei bis drei Tage die Kotecke säubern. Die mit dem Kot ausgeschiedenen Eier der Kokzidien benötigen nämlich gut drei Tage, um wieder infektiös zu werden. Mit dieser einfachen Massnahme gelingt es, den Infektionsdruck stark zu senken. 

Zu einem guten Start verhelfen ausser Beifuss und Nelkenwurz auch Spitzwegerich und Melisse. Beide sind antibakteriell, Melisse ist zusätzlich beruhigend und hilft in der Absetzphase. In Beständen, die Probleme mit Enteropathie haben, erhalten alle Tiere ein bis zweimal wöchentlich Nelkenwurz. Die Zibben bekommen während der Tragzeit zusätzlich Spitzwegerich, Dost, Hasel-, Weiden- und Birkenzweige. Nach der Geburt gibt es ebenfalls alle zwei bis drei Tage zusätzlich etwas Beifuss, Nelkenwurz, Johanniskraut und Echten Eibisch. Diesen bekommt man getrocknet in Drogerien, wenn man ihn nicht im Garten hat. Er enthält Schleimstoffe, die Entzündungen der Darmschleimhaut heilen.

Johanniskraut ist ein spezifisches Hemmmittel für Clostridien, jene pathogenen Darmbakterien, die für die meist tödlich verlaufende Darmlähmung verantwortlich gemacht werden. Sobald die Jungtiere aus dem Nest kommen, fressen sie diese Kräuter mit und haben so den besten Start ins Leben. Kaninchen sind kleine Experten, was Kräuter angeht; sie merken genau, was ihnen im Moment guttut. Wildkaninchen suchen sich die passenden Kräuter selber, doch Hauskaninchen sind auf den aufmerksamen Züchter angewiesen. Helfen wir ihnen dabei!