Wildkaninchen sind begehrte Beutetiere einer Vielzahl von Tieren. Damit die Spezies nicht in Bedrängnis kommt, hat sie die Natur mit einer besonderen Fruchtbarkeit und Vermehrungsfreude ausgestattet. So sind Wildkaninchen-Häsinnen von Frühling bis Herbst fast ausschliesslich mit Fressen und Fortpflanzen beschäftigt; fünf bis sieben Würfe in kurzen Abständen sind dabei die Regel. 

Da können unsere Hauskaninchen nicht mithalten: Die meisten Züchter werden dieser Vermehrungsfreude schon aus Platzmangel einen Riegel schieben und auf einen, maximal zwei Würfe pro Häsin und Jahr begrenzen. Doch diese gebremste Vermehrungsfreude kann sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken: In der Biologie heisst eine Grundregel «use it, or loose it» – benutze es oder verliere es – und das gilt auch für die Fruchtbarkeit der Kaninchen. Wenig zur Zucht eingesetzte Häsinnen nehmen mit steigendem Alter schlechter auf, sie haben kleinere Würfe, was zu Übertragen und damit zu schwereren Geburten führen kann. 

Teedroge als «Kinderbringer» 
Doch die grüne Apotheke verhilft Hauskaninchen wieder zu einer guten Fruchtbarkeit und einfachen Geburten. An erster Stelle der Fruchtbarkeitskräuter ist der Stinkende Storchenschnabel (Geranium robertianum) zu nennen. Das unscheinbare Pflänzchen mit den hübschen rosa Blüten findet man am Waldrand und an Waldwegen, verbreitet auch auf Ruderalstandorten und entlang von Bahnlinien. Gesammelt wird es nur dort, wo man nicht mit belasteten Böden rechnen muss; Industriebrachen und Bahnborte fallen also weg. In Drogerien bekommt man Storchenschnabel auch als Teedroge. 

Die Kaninchen haben das Kraut zum Fressen gern, die Behandlung ist damit stressfrei sowohl für Kaninchen wie auch für Pfleger. Es reichen täglich ein bis zwei frische Blätter oder ein Teelöffel voll getrocknetes Kraut aufs Kraftfutter gestreut. Storchenschnabel ist ein ausgezeichnetes Stoffwechselmittel, er regt Nieren und Lymphe an und putzt damit den Organismus gründlich durch. Die Körperzellen werden besser mit Sauerstoff versorgt, das gibt mehr Energie, die gesamte Stoffwechsellage verbessert sich. Darüber hinaus wirkt Storchenschnabel als Tonikum für die Gebärmutter. Obschon man keine hormonähnlichen Stoffe gefunden hat, gilt die Pflanze seit Langem als «Kinderbringer» bei Mensch und Tier. Die Häsin wird drei Wochen lang mit Storchenschnabel behandelt, bevor sie den Rammler besucht.

Beifuss (Artemisia vulgaris) ist eine aromatische Bitterpflanze, die Kaninchen bei Verdauungsstörungen aller Art hilft. Sein überlieferter Name «Mutterkraut» deutet auch auf eine weitere Wirkungsrichtung hin: Beifuss durchwärmt den gesamten Bauchbereich, er verbessert zudem die Fruchtbarkeit und wirkt aphrodisierend auf Häsinnen und Rammler. Beifuss gibt man daher ein paar Tage lang vor dem geplanten Paarungstermin. Während der Trächtigkeit darf die Pflanze nicht verfüttert werden, da sie die Gebärmutter anregt. Um den Wurftermin herum ist sie wiederum hilfreich, da sie die Geburt erleichtert. Nach dem Werfen hilft Beifuss, Nachgeburtsreste auszutreiben und regt die Milchbildung an.

Das hilft Rammlern auf die Sprünge
Die dritte wichtige Fruchtbarkeitspflanze ist der Frauenmantel (Alchemilla vulgaris). Man findet das Pflänzchen mit den mantelförmigen Blättern auf eher feuchten Naturwiesen, am Waldrand und entlang von Bächen. In den wasserabweisenden Blättern sammelt sich oft Tau, was zum Namen Tauschüsselchen geführt hat. In alten Zeiten galt es der germanischen Göttin Freya zugehörig, die für Liebe und Fruchtbarkeit zuständig war. 

Frauenmantel, auch Frauenhilf genannt, ist das universelle Heilmittel für fast alle Beschwerden weiblicher Lebewesen – und für ihre Schönheit. Er stärkt die Gebärmutter und Eierstöcke, heilt Entzündungen der Fortpflanzungsorgane und soll gar vor Verwerfen schützen. Seine regulierende Wirkung auf den weiblichen Organismus ist legendär. Frauenmantel wird ebenfalls drei Wochen lang vor dem Decktermin gegeben, am besten kombiniert mit dem Storchenschnabel, da sie sich in der Wirkung ergänzen. 

Nach der Geburt erhält die Häsin wiederum ein paar Tage lang Frauenmantel, damit die beanspruchten Muskeln und Bänder wieder straff werden, eventuell aufgetretene Verletzungen im Geburtskanal rasch abheilen, die Gebärmutter gestärkt und der Milcheinschuss beschleunigt wird. 

Nicht nur die Häsinnen können Kräuterhilfe benötigen; auch älteren Zuchtrammlern helfen ausgewählte Pflanzen auf die Sprünge. Neben Storchenschnabel kommen hier vor allem Nelkenwurz und Brennnessel in Betracht. 

Nelkenwurz (Geum urbanum) kennt der kräuterkundige Kaninchenbesitzer als natürlichen Hemmer von Kokzidien (parasitäre Erkrankung). Nebst dem gesundheitlichen Nutzen auf die Verdauungsorgane und die Darmflora ist Nelkenwurz jedoch auch ein Aphrodisiakum für Rammler. Nicht von ungefähr heisst die Pflanze auch «Mannskraftwurz». Zwei bis drei Blätter täglich genügen. Die Kur sollte etwa drei bis vier Wochen vor dem Deckeinsatz erfolgen. Nelkenwurz stärkt überdies auch Herz und Kreislauf, sodass die älteren Rammler den zweiten Frühling problemlos überstehen sollten. 

Brennnessel für ein schönes Fell
Brennnessel (Urtica dioica) ist eine unserer wertvollsten Wildpflanzen, die leider meist als «lästiges Unkraut» bekämpft wird. Ihr hoher Gehalt an organisch gebundenen Mineralstoffen und Vitaminen macht sie zu einem ausgezeichneten Zusatzfutter für alle Kaninchen. Sie ist blutreinigend und hilft bei Energiemangel, wie er bei älteren Tieren auftreten kann. Für Zuchtrammler sind nebst den Blättern vor allem auch die Brennnesselsamen interessant. Diese enthalten hormonwirksame Stoffe, die nicht nur den Geschlechtstrieb anregen, sondern auch die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) stimulieren und damit die Vitalität verbessern. 

Ausserdem stärkt Brennnessel die Muskeln und sorgt für ein schönes Fell. Kaninchen ziehen zwar im allgemeinen Frischpflanzen vor, doch bei Brennnessel machen sie eine Ausnahme, getrocknet sind die wehrhaften Pflanzen angenehmer zu fressen. Ein Teelöffel voll Blätter und eine Prise Samen täglich reichen aus. Brennnesselblätter sind auch für Häsinnen nach der Geburt wertvoll. Sie stärken das Muttertier und regen den Milchfluss an. Nach einer schweren Geburt geben sie Energie und sind dank des hohen Eisengehaltes blutbildend. 

Dank einfacher Kräuterhilfe können so auch ältere Zuchttiere ihre wertvollen Gene nochmals weitergeben.