Das Thüringerkaninchen wurde Ende des 19. Jahrhunderts aus Russen-, Schwarzsilber- und Belgischriesen-Kaninchen herausgezüchtet. Der Lehrer David Gärtner hatte die Absicht, durch diese Kreuzung ein vergrössertes Russen- und Schwarzsilberkaninchen zu erhalten. Denn die Russenkaninchen waren bis dahin sehr frohwüchsig und darum in der damaligen Zeit begehrte Fleischlieferanten. 

Hansruedi Röthlisberger, der langjährige Präsident des Schweizerischen Thüringerkaninchen Züchterklubs, ist vor allem vom Aussehen der Rasse fasziniert. «Die Farbverteilung, die sehr schöne Farbe mit Glanz oder die Schattierung haben es mir besonders angetan.» Zudem erfülle das Kaninchen seine Vorstellung, wonach ein Schlachtkörper unter zwei Kilo wiegen sollte. «Insider benennen den Thüringer gerne als Haflinger unter den Kaninchenrassen», sagt Röthlisberger. 

Die Rasse ist seit 1908 in der Schweiz anerkannt. 1928 wurde in Bern der Schweizerische Thüringerkaninchen Züchterverein gegründet. Alle zwei Jahre findet in der Regel die Klubschau statt. Im Dezember 1994 konnte die Klubschau in Basel wegen der Chinakrankheit nicht stattfinden. Die 45. Klubschau wäre letztes Jahr in Gersau SZ geplant gewesen, aufgrund der Coronapandemie  wurde sie abgesagt. «Wir hoffen die nächste Klubschau am 17. und 18. Dezember 2022 in Amriswil TG wieder im gewohnten Rahmen durchführen zu können», erklärt der Präsident. 

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Augen mit dunkeln Ringen
Das Fell ist dicht, voll und griffig. Zudem besitzt es viel Unterwolle, reichlich Deck- und Grannenhaare mit einer Deckhaarlänge von 30 bis 34 Millimetern. Die Fellhaut ist geschmeidig, satt anliegend und abhebbar. Die Deckfarbe ist kräftig gelbbraun und glänzend, der Bauch berusst. Die Unterfarbe ist weiss, gefolgt von einer zehn Millimeter breiten, intensiven und rein dottergelben Farbstufe unter der Decke. Diese ist nach unten nicht scharf abgegrenzt. Die Blumenspitze und die Sohlenhaare können etwas heller sein. Den Seiten und Schenkeln entlang zieht sich ein russiger Streifen – ohne scharf abzugrenzen. Die Läufe und Blumenunterseite sind dunkel nuanciert. Die Blumen­oberseite ist gelbbraun, mit einem rus­sigen Schleier überzogen und umrandet.

Die gut berusste Maske überschreitet die Augenhöhe nicht und ist nach oben unmerklich verlaufend. Die Augen sind dunkel umgrenzt und die Kinnbacken markant mit Russ eingefasst, damit Stirne und Backen leuchtend hervortreten. Die Farbabstufung grenzt nicht scharf ab, hebt sich jedoch deutlich hervor. 

Die Ohren sind russig überhaucht und am Ansatz mit einem dunklen Ring versehen. Die Iris ist braun und die Krallen sind hornfarbig. Fehlende Berussung gilt als Ausschlussfehler. Als Schönheitsfehler gelten: Abweichung in der Deckfarbe und fehlender Glanz. Ein ganz dunkler Kopf, Einläufer an der Maske. Als Makel gelten zudem eine starke oder schwache Schattierung, eine helle oder dunkle Bauchfarbe sowie dunkle Farbanhäufung an den Vorderläufen. Abweichung in der Unterfarbe, insbesondere grauer oder bläulicher Anflug, sind auch nicht gern gesehen. Wenig, lange oder feine Grannenhaarbildung sorgen ebenfalls für Punktabzüge.

Der Kopf der Thüringerkaninchen ist markant und dicht an den Schultern anliegend. Stirn und Maulpartie sind breit und gut entwickelt und weisen eine leichte Ramsbildung auf. Die Ohren sind kräftig, aufrechtstehend. Sie werden v-förmig getragen und haben idealerweise eine Länge von 13 bis 13,7 Zentimeter. Der Hals ist nicht sichtbar. Die Brust ist voll ausgeformt, die Schultern gut bemuskelt und geschlossen. Die Vorderläufe sind dagegen kräftig, mittellang und gerade. Dies ergibt die verlangte mittelhohe Haltung mit aufgezogener und gut sichtbarer Bauchlinie. Der Rücken ist gut abgerundet, das Becken geschlossen, gut aufgesetzt, mittelhoch und gerundet. Die kräftigen Hinterläufe müssen eine parallele Stellung aufweisen.

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Nach Angabe von Präsident Röthlisberger ist der Zuchtstand sehr hoch. Vor allem der Körperbau ist sehr weit und gut herausgezüchtet. Haarlänge und Haarstruktur sind zu beachten. Der Farbaufbau im Haar und die mittlere Schattierung sind wichtig. Durch den hohen Zuchtstand ist der Tiergesundheit gros­se Beachtung zu schenken. Es ist auf Robustheit zu achten und darauf, dass es keine Verfeinerungen gibt. 

Starker Rückgang bereitet Sorgen
Das Mindestgewicht des Thüringers beträgt 3,5 Kilo, das Höchstgewicht 4,5 Kilo. Das Idealgewicht liegt bei 3,8 bis 4,2  Kilo. Kaninchenfleisch als Gaumenfreude vertritt Röthlisberger mit Überzeugung. «Ich verwende eigens viel Fleisch in verschiedenen Variationen. Meine privaten Abnehmer wissen es sehr zu schätzen.» Als er einmal keine Thüringer zum Schlachten hatte, besorgte er sich bei einem Vereinskollegen geschlachtete Kaninchen, um seine Kunden zu beliefern. «Prompt erhielt ich die Rückmeldung, ob ich die Fütterung gewechselt hätte. Dies sei nicht mehr die gleiche Fleischqualität wie gewohnt gewesen.» Qualitative Winterfelle gibt Röthlisberger zur Verwertung weiter. Bis vor wenigen Jahren war seine Frau noch selber Fellnäherin.

Der allgemeine Rückgang an Züchtern und  Tieren bereiten dem Thüringer-Präsidenten ebenfalls Sorge. Wurden an der Klubschau 1984 in Sarnen OW noch 1480 Tiere ausgestellt, so kann gegenwärtig mit nur noch rund 400 Thüringern gerechnet werden. Auch bezüglich Züchter sieht es nicht rosiger aus: Im Jahr 1988 lag der höchste Mitgliederbestand noch bei 532 Züchterinnen und Züchtern, aktuell sind es noch 240 Personen, davon fünf Jungzüchter.