Annette Liesegang ist Professorin für Tierernährung an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich sowie Direktorin des Instituts für Tierernährung.  

Frau Liesegang, wie wichtig ist es, dass ich mich beim Katzenfutter an die Altersangaben halte? 
Das macht durchaus Sinn. Je nach Lebensabschnitt haben die Katzen unterschiedliche Bedürfnisse. Jungkatzen zum Beispiel brauchen mehr Spurenelemente und Proteine. Auch der Bedarf an Calcium und Phosphor ist höher. Wird dies nicht angepasst, drohen Knochenbrüche. 

Je nach Marke sind die Formulierungen unterschiedlich. Es gibt Futter für «ausgewachsene Katzen» für «Alter 1+» oder «Adult». Wie findet man sich zurecht? 
Je genauer die Formulierung ist, umso besser entspricht das Futter der jeweiligen Altersgruppe. Daher rate ich von schwammigen Formulierungen ab. Ein Futter ohne Altersangabe müsste für alle Altersklassen passen. So ein Futter ist aber schwierig herzustellen. Da die benötigen Inhaltsstoffe für junge, erwachsene und Senior-Katzen ganz unterschiedlich sind. 

Inwiefern? 
Ab circa sieben Jahren verändert sich das Organsystem einer Katze. So wird beispielsweise die Magensäure nicht mehr gleich gut gebildet. Im Alter braucht sie auch mehr Spurenelemente und Vitamine – auch hochwertige Proteine sind sehr wichtig. Phosphor dagegen sollte man sparsamer einsetzen. Vielleicht sind im Alter auch die Zähne nicht mehr so gut. Dann machen kleinere oder weichere Stücke Sinn. 

Für einige Rassen wie Perser oder Siamesen findet man im Handel Spezialfutter. Was halten Sie davon?
Das Futter ist auf die Eigenschaften der entsprechenden Rassen abgestimmt. Eine Perser- beispielsweise braucht im Durchschnitt weniger Energie als andere Katzen. Für ihr langes Haar dafür mehr essenzielle Aminosäuren und Fettsäuren. Diese regen das Haarwachstum an. Es ist aber natürlich kein Zufall, dass es ausgerechnet für die beliebten Rassen Spezialfutter gibt. Die Hersteller wollen ihr Futter ja auch verkaufen. 

Was ist mit Futter für Outdoor- und Indoor-Katzen oder für sterilisierte Tiere? 
Der Unterschied liegt im Energiegehalt. Eine Katze, die nur drinnen ist, braucht meist auch weniger Energie. Was die Mineralstoffe und Proteine angeht, sollten sich die Futtermittel nicht unterscheiden. Das Gleiche gilt für sterilisierte oder kastrierte Katzen. Auch sie brauchen in der Regel weniger Energie. In Stein gemeisselt ist das aber nicht. Es gibt durchaus kastrierte Katzen, die sehr aktiv sind und viel Energie brauchen. Da sollten auch die Besitzer Verantwortung übernehmen. 

Kann man allenfalls mit diesen Angaben auch spielen? Wenn man beispielsweise eine sehr dünne Katze hat. 
Ja. Trächtige oder laktierende Katzen brauchen beispielsweise viel Energie und Mineralstoffe. Damit sie nicht abmagern, kann man ihnen ein Futter für Jungkatzen geben. 

Und wenn die Katze eher dick ist, probiert man das Indoor-Futter aus? 
Das ist einen Versuch wert. Ist die Katze aber tatsächlich übergewichtig, rate ich zu einem Diätfutter vom Tierarzt.  

Kann man einer dicken Katze nicht einfach weniger Futter geben? 
Nein. Wenn ich die Menge reduziere, reduziere ich nicht nur den Energiegehalt sondern auch den Nährstoffgehalt. Das kann zu einer Unterversorgung mit Mineralstoffen, Vitaminen und Proteinen führen. Letzteres kann einen Muskelabbau zur Folge haben.

Was können sonst noch Folgen falscher Fütterung sein? 
Neben dem klassischen Übergewicht kann eine nicht bedarfsgerechte Fütterung zu Magen-Darm-Problemen, Knochenbrüchen, Bewegungsstörungen, Allergien oder auch Herzkrankheiten, Organschäden und Blindheit führen. 

Woraus besteht das ideale Katzenfutter? 
Das natürlichste Futter für Katzen wären Mäuse. Davon bräuchte sie allerdings sieben bis zwölf am Tag. Daher sind die kommerziellen Futtermittel eine gute Alternative. 

Braucht meine Katze denn kein Frischfleisch? 
Brauchen tut sie es nicht. Das kommerzielle Nass- oder Trockenfutter versorgt sie mit allen wichtigen Nährstoffen. Es ist aber artgerecht, wenn man ab und an Fleisch dazugibt. Was sie sicherlich braucht, sind verschiedene in tierischen Produkten enthaltene Nährstoffe wie Taurin oder Vitamin A. Seine Katze vegan zu ernähren, ist nicht artgerecht. 

Wie wichtig ist Abwechslung? 
Wenn ich ein Futter habe, mit dem meine Katze gut zurechtkommt, kann ich gut dabei bleiben. Jungkatzen sollte man aber an verschiedene Futtermittel gewöhnen. Das heisst nicht, heute dies, morgen das. Aber ein Wechsel im Wochenrhythmus macht Sinn. Beispielsweise eine Woche trocken, dann eine Woche nass dazumischen, dann eine Woche nur nass und so weiter. Dazu auch mal Frischfleisch oder Hüttenkäse, damit sie sich an die verschiedenen Konsistenzen gewöhnen. 

Warum ist das so wichtig? 
Jungkatzen prägen sich auf ein Futter. Isst eine Katze ein Leben lang nur Trockenfutter, ist sie unter Umständen nicht mehr bereit, im Alter zu wechseln. Das kann zum Problem werden, wenn die Zähne nicht mehr gut sind. Eine Katze kann vor dem vollen Napf verhungern. 

Also sollte man Nassfutter generell bevorzugen? 
Die Antwort ist nicht so einfach. Von Natur aus sind es Katzen nicht gewohnt, viel zu trinken – ursprünglich nahmen sie 80 Prozent der benötigten Flüssigkeit über ihre Beute auf. Da eine Katze aber mindestens siebenmal täglich frisst, muss das Futter auch zum Tagesablauf des Menschen passen. Wer berufstätig ist, kann seiner Katze darum tagsüber gut Trockenfutter hinstellen und ihr morgens und abends etwas Nassfutter geben. Dazu verschiedene Wasserquellen, die nicht direkt am Futterplatz stehen.