Die siebenjährige Shila ist eine Draufgängerin. Immer wieder kommt sie mit einer Bisswunde oder einer kleinen Verletzung nach Hause. Dann gibts von Beatrice Huster aus Weesen SG ein besonderes Leckerli: Das Lieblingsguetzli mit einem Tröpfchen Hanföl. «Schon nach wenigen Minuten merke ich, wie es Shila besser geht.» Die Katze wirke sofort gelassener und entspannter. «Und die Wunden heilen viel schneller.» 

Die Katzenhalterin hat die Tröpfchen bereits vor einigen Jahren für sich selbst entdeckt, nahm sie bei Menstruationsbeschwerden oder Kopfweh. «Als ich dann hörte, dass es sie auch für Katzen gibt, habe ich sie sofort ausprobiert», sagt Huster. Seither schwört sie darauf: «Damit habe ich mir schon manchen Gang zum Tierarzt gespart.» Ein schöner Nebeneffekt: «Auch Shilas Fell glänzt seither viel schöner.» 

Hanfprodukte für Haustiere liegen gerade voll im Trend. Es gibt kaum ein Fachgeschäft, das sie nicht führt. Im Internet findet man sie zuhauf und auch die eine oder andere Tierarztpraxis stellt sie aus. Die Produkte enthalten meist das sogenannte Cannabidiol (CBD), ein Wirkstoff, der aus den Blüten der Hanfpflanze gewonnen wird. Die Hanfprodukte sind legal frei verkäuflich, solange sie nicht mehr als ein Prozent THC enthalten. Denn anders als das besser bekannte THC wirkt CBD nicht psychoaktiv und damit nicht berauschend. Stattdessen soll es mental wie auch körperlich entspannen. 

Frederik Nyhuis ist Mitinhaber der Hanfpfoten GmbH. Die Firma produziert aus Schweizer Bio-Hanf CBD-Öl für Haustiere und ist damit einer von rund zwei Dutzend Anbietern in der Schweiz. Auch Nyhuis spürt, wie das Geschäft bei den Katzen anzieht. Trotzdem sagt er: «Obwohl es in der Schweiz deutlich mehr Katzen als Hunde gibt, haben wir in der Vergangenheit mehr Hanföl für Hunde verkauft.» 

Mit Fachpersonen absprechen
Das mag auch daran liegen, dass die Katze in der Phytotherapie, also in der Behandlung mit Heilpflanzen, eine Sonderstellung einnimmt. Ulrike Biegel, Tierärztin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick erklärt: «Als ausgeprägter Fleischfresser kann sie Pflanzen nur schwer verstoffwechseln.» Das heisse nicht, dass sie überhaupt keine Pflanze vertrage. «Aber man muss hier besonders achtsam und umsichtig vorgehen.» 

Experten raten zu einer Menge von 0,5  Miligramm CBD-Öl pro Kilogramm Körpergewicht. Die Dosierung ist allerdings nicht immer ganz einfach. Das weiss auch die Besitzerin von Shila. «Ich glaube, ich habe meiner Katze auch mal zu viel davon gegeben.» Sie hätte aus einer Emotion heraus gehandelt, weil das Tier stark hinkend nach Hause kam. Shila hätte dann ziemlich lange geschlafen. «Da habe ich mir auch Gedanken gemacht.» Bis auf den langen Schlaf hätte die Katze aber keine Nebenwirkungen gezeigt. «Sie hat nicht erbrochen und war nachher wieder ganz die Alte.» 

Tatsächlich scheint CBD wenig Nebenwirkungen zu haben. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Zwar fehlen Langzeitstudien zum Thema. Aber auch Tierärztin Biegel sagt: «Anders als beispielsweise mit Teebaum-öl kann man eine Katze damit vermutlich nicht lebensbedrohlich gefährden.» Es gilt aber wie bei allem: Die Dosis macht das Gift. Eine Überdosierung kann allenfalls zu Schläfrigkeit oder Durchfall führen. Bei trächtigen Tieren sollte man gänzlich auf den Einsatz des Hanfproduktes verzichten. Da CBD in der Leber abgebaut wird, kann es zudem die Wirkung von Medikamenten, welche ebenfalls auf die Leber gehen, verstärken – beziehungsweise deren Abbau hemmen. Gerade wenn die Katze also bereits andere Medikamente nimmt, sollte man den Einsatz von Hanföl mit einem Tierarzt besprechen. Dazu rät auch Nyhuis von der Hanfpfoten GmbH: «Auch sollte man Medikamente nicht einfach durch CBD ersetzen.» 

Idealerweise zieht man einen Veterinär-Phytotherapeuten zu Rate. Denn nicht jeder Tierarzt kennt sich mit der Wirkung von Cannabidiol im Detail aus. «Wer sich damit nicht auskennt, empfiehlt es auch nicht – und das ist gut so», sagt Biegel.

Cannabidiol wirkt laut Studien schmerzlindernd und entzündungshemmend und auch eine angstlösende Wirkung wird häufig beschrieben. Entsprechend lang ist die Liste der Anwendungsbereiche. CBD soll gegen Arthrose, Diabetes, Depressionen, Angststörungen und Krebs helfen. 

Fehlende Transparenz
Allerdings bleibt fraglich, ob man Studien, die beispielsweise an Labormäusen durchgeführt wurden, auch auf Katzen übertragen kann. Für Biegel ist das grösste Problem aber, dass die CBD-Produkte nicht standardisiert sind. Da es sich dabei um Nahrungsergänzungsmittel und nicht um Medikamente handelt, kann sich die Zusammensetzung von Hersteller zu Hersteller unterscheiden. «Man hat also kaum Vergleichsmöglichkeiten», sagt die Veterinärin. So sind die Extrakte, Kapseln und Öle nicht nur verschieden stark dosiert.

Denn die Unterschiede beginnen bereits beim Anbau der verschiedenen Hanfpflanzen, der biologisch oder eben unter Anwendung von Pestiziden erfolgen kann. Weiter gibt es verschiedene Methoden, das Cannabidiol aus der Pflanze zu gewinnen – beispielsweise durch Alkohol oder überkritisches Kohlendioxid. Darum fordert Biegel von den Herstellern in jedem Fall Transparenz zu Produktionsabläufen und Inhaltsstoffen. Weiter wären Studien zu den jeweiligen Produkten wünschenswert. «Ausführliche Fallbeschreibungen wären schon mal ein guter Anfang», sagt Biegel. «Denn die Wirkstoffe aus der Hanfpflanze haben in jedem Fall Potenzial.» 

Fazit: Wer sich gut beraten lässt, die Qualität des Produktes prüft und bei der Dosierung achtsam ist, kann mit CBD bei seiner Katze Erfolg haben. Ein Wundermittel ist es aber nicht.