Genüsslich streckt sich der Stubentiger und gräbt seine Krallen in das neue Sofa. Der Bruchteil einer Sekunde ist nötig, um dem Möbelstück einige Fäden abzuringen und den Ärger der Besitzer heraufzubeschwören. Es gehört zu den typischen Alltagsproblemen von Katzenbesitzern: Der Kratzbaum wird ignoriert und es werden stattdessen Polstermöbel, Teppiche und Tapeten als Krallenschärfer verwendet.

Kratzen ist ein Grundbedürfnis von Katzen, zugleich eine Möglichkeit, ihre Krallen zu pflegen als auch ihr Revier zu markieren und nicht zuletzt Stress abzubauen. Exzessives Kratzen kann so nicht nur Ausdruck eines Mangels an alternativen Kratzgelegenheiten sein, sondern auch von Langeweile.

Statt sich mit dem Büsi ausreichend zu beschäftigen und zu spielen sowie genügend katzenfreundliche Kratzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, wählt man mancherorts den bequemen Ausweg. Die Krallen müssen weg. Dabei ist nicht vom Stutzen der Spitzen die Rede, sondern von der kompletten Amputation der äusseren Fingerglieder.

Nichts anderes sind die Krallen einer Katze nämlich: gut durchblutete Körperteile mit mehr als nur einer wichtigen Funktion. Während die Praxis des sogenannten «Declawings», wie das Entklauen (Onychektomie) im Englischen heisst, in vielen Ländern weltweit praktiziert wird, so ist sie in insgesamt 22 Ländern illegal, auch in der Schweiz.

Explizit verboten

«Die Katze wird durch die Krallenamputation in ihrem natürlichen Verhalten massiv eingeschränkt und muss zudem lebenslang Schmerz und Leid ertragen», mahnt Nadja Brodmann, Co-Geschäftsleiterin vom Zürcher Tierschutz. Auch das Schweizer Tierschutzgesetz spricht hier eine klare Sprache. Demnach darf keinem Tier ungerechtfertigt Schmerz, Leid oder Schaden zugefügt werden, und seit 2008 muss auch die Würde des Tiers respektiert werden.

Das heisst, dass es nicht instrumentalisiert oder im Erscheinungsbild verändert werden darf. Daher ist auch die Amputation von Katzenkrallen explizit verboten, falls kein wichtiger medizinischer Grund vorliegt.

«Man muss sich vorstellen, wie das ist, wenn einem plötzlich Fingerknochen fehlen. Die Katzen müssen neu laufen lernen, sie können nicht mehr klettern, sich nicht mehr kratzen, nicht mehr richtig jagen und spielen», erklärt Brodmann.

Wo Katzen in der Wohnung gehalten werden, so müsse diese artgerecht eingerichtet sein. Das heisst, dass Katzen auch drinnen Kratzflächen, Beschäftigungen, Kletterangebote und erhöhte Liegeplätze brauchen. «Auch Sozialkontakte, im Idealfall in Form eines Spielkameraden, sind wichtig. Dann leidet auch das Mobiliar nicht, oder zumindest viel weniger», so der Zürcher Tierschutz.

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Und was ist mit Angst vor Kratzern? Gerade in den USA werden Katzen gerne die Krallen amputiert aus Angst, dass Kinder im Haushalt durch Attacken der Stubentiger verletzt werden könnten. «Dass sich das Tier hier durch einen schmerzhaften körperlichen Eingriff dem Menschen anpassen muss, ist inakzeptabel», betont Brodmann. «Gerade Kindern muss man den richtigen Umgang mit Tieren unbedingt beibringen. Eine intensive Mensch-Tier-Beziehung und die respektvolle Gewöhnung aneinander sind das A und O, um Verletzungen vorzubeugen.»