Pferde sind nicht sehr gesprächige Tiere. «Zumindest nicht im Vergleich zu Schweinen oder Ziegen. Und Kühe sind noch weniger mitteilsam als Pferde», sagt Elodie Mandel-Briefer von der Einheit für Ethologie und Tierwohl am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich. Als Spezialistin für «vocal communication», also für stimmliche Kommunikation, erforscht die Genfer Biologin die Sprachwelt verschiedener Tierarten. Die Erkenntnisse, die sie und ihr Team aus ihren Studien gewinnen, dienen dazu, das Verhalten der Tiere besser deuten zu können und ihren Bedürfnissen gerechter zu werden.

Weshalb Pferde ihre Stimme weniger zur Kommunikation einsetzen als ihren Körper, können die Wissenschaftler nicht eindeutig erklären. Sie vermuten, dass im Verlauf der Evolution verschiedene Faktoren dafür verantwortlich waren. So musste sich das Pferd als Beutetier ruhig und unauffällig verhalten, um keine potenziellen Räuber anzulocken. Zwar sind auch die geschwätzigen Schweine eine beliebte Beute für Raubtiere, doch waren sie ursprünglich in waldreichen Gegenden beheimatet, wo sie im dichten Unterholz nur mit Lauten untereinander kommunizieren konnten. Das Pferd als Steppenbewohner hingegen hatte stets freie Sicht auf seine Artgenossen und konnte deren Mimik, Gestik und Körpersignale gut wahrnehmen.

Wiehern als Kommunikationsmittel
Mit dem Wiehern, das sehr laut sein kann und dann über mehrere Kilometer hörbar ist, haben Pferde einen Weg gefunden, sich über grössere Distanzen hinweg zu verständigen: Sie teilen ihren Artgenossen damit ihren Standort mit, warnen sie vor Gefahren oder rufen sie zurück zur Herde. Pferde wiehern aber auch zur Begrüssung, wenn der Boxennachbar vom Ausritt zurückkommt, Stute und Fohlen kommunizieren mit einem unverkennbaren «Mutter-Kind-Wiehern» und Hengste weisen fehlbare Herdenmitglieder auch einmal lautstark mit der Stimme zurecht.

Das Wiehern des Pferdes entsteht wie die Stimme des Menschen im Kehlkopf. Streicht Luft über die Stimmbänder, beginnen diese zu vibrieren und erzeugen einen Ton. Als Klangverstärker dienen Maul, Rachen und Nasenhöhlen. Sie entscheiden auch über die Tonlage des Wieherns, während die Lautstärke abhängig ist von der Menge an Luft, die dazu aus den Lungen gepresst wird. Jedes Pferd hat seine eigene, individuelle Stimme, die sich in Stimmlage, Stärke, Tonlänge und Frequenz von anderen unterscheidet.

Lange Zeit war der Wissenschaft nicht viel mehr über das Wiehern der Pferde bekannt. Mit ihrer Forschung zur Entschlüsselung der Pferdesprache leisteten Elodie Mandel-Briefer und ihr Team Pionierarbeit. So entdeckten sie vor zwei Jahren, dass Pferde in der Lage sind, durch Wiehern komplexere Informationen zu vermitteln. Dazu kombinieren Pferde zwei voneinander unabhängige Grundfrequenzen, je nach Emotion variieren ihre Äusserungen in Tonhöhe und -länge.

Emotionen vertrauter Tiere erkannt
«Eine der beiden Frequenzen gibt an, ob es sich um eine positive oder um eine negative Emotion handelt und die andere, wie stark die Emotion ist», erklärt Mandel-Briefer. Zuvor war nicht bekannt, dass Pferde zweistimmig wiehern können. Positive Emotionen liessen sich daran erkennen, dass die Pferde beim Wiehern die höhere Grundfrequenz etwas tiefer ansetzten, kürzer wieherten und dazu den Kopf senkten. Negative Emotionen äusserten sie mit einer höheren Grundfrequenz und einem längeren Wiehern.

Um das herauszufinden, setzten die Forscher 20 Pferde, die aus fünf privaten Ställen stammten, unterschiedlichen positiven und negativen Situationen (etwa Trennung und Wiedervereinigung mit der Gruppe) aus. Sie zeichneten ihre Lautäusserungen und ihr Verhalten mit Mikrofon und Kamera auf, während zugleich körperliche Reaktionen wie Herzaktivität, Atmung und Hauttemperatur gemessen wurden.

In einer Anschlussstudie konnten die Wissenschaftler der ETH Zürich beweisen, dass Pferde mit Wiehern nicht nur Emotionen äussern, sondern diese auch in den Lautäusserungen anderer, ihnen bekannter Pferde erkennen und darauf reagieren. «Wenn ich mit jemandem telefoniere, den ich gut kenne, erkenne ich auch am Tonfall seiner Stimme, ob es ihm gut oder schlecht geht», erklärt Mandel-Briefer. Bei Menschen, die sich nicht kennen, funktioniert das weniger gut – bei Pferden gar nicht: Waren sie einander nicht vertraut, konnten sie die Emotionen des andern nicht deuten. Klingt die Stimme eines Menschen sehr fröhlich, aufgeregt oder traurig, lassen wir uns von dieser Stimmung anstecken – ob das bei Pferden auch so ist oder nicht, darauf konnte die jüngste Studie keine schlüssigen Hinweise liefern.

Langjährige Pferdebesitzer haben durch Erfahrung und Beobachtung gelernt, die Sprache ihrer Vierbeiner zu verstehen. Sie wissen ein schrilles, hohes Wiehern als Signal der Unsicherheit oder der Angst zu deuten, während sie sich über ein freundliches Brummeln zur Begrüssung freuen.

Neben dem Wiehern steht dem Pferd noch ein grosses Repertoire an anderen Tönen zur Verfügung. So hört man oft Quietschlaute in verschiedener Form, vor allem von Stuten. Sie sind besonders quietschfreudig, wenn sie rossig sind und umworben werden. Aber auch sonst reagieren sie mit diesem kurzen, schrillen, für unsere Ohren schon fast schmerzhaften Laut, wenn sie von anderen Pferden beschnuppert werden. Auch beim Aufeinandertreffen fremder Pferde, egal welchen Geschlechts, wird gerne aufgeregt gequietscht, oft begleitet von einem energischen Aufstampfen mit den Vorderbeinen. Fohlen, Hengste und Wallache geben die Schrilllaute beim Spielen sowie bei Rangeleien von sich. Übermütige Pferde, die «Dampf ablassen» müssen, quietschen beispielsweise beim Angaloppieren in der Reitstunde.

Ein entspanntes Prusten
Geschrei und Gebrüll hört man von Pferden seltener, es ist ein Anzeichen von höchster emotionaler Erregung. So hört man gelegentlich kämpfende Pferde laut brüllen oder eine Stute empört aufschreien, wenn sie sich von einem Hengst zu sehr bedrängt fühlt.

Verschiedene Geräusche mit unterschiedlicher Bedeutung entstehen, wenn Pferde mit geschlossenem Maul mehr oder weniger kräftig Luft durch die Nase blasen: Sie prusten, schnauben, schnarcheln und schnorcheln. In freier Wildbahn setzen Pferde Schnarchlaute ein, um ihre Herdenmitglieder auf eine drohende Gefahr hinzuweisen und sie in Alarmbereitschaft zu versetzen, aber auch um allfällige Angreifer zu vertreiben. Unsichere oder nervös veranlagte Reitpferde schnorcheln, wenn ihnen ein unbekanntes Objekt begegnet. Oft halten sie dabei ihren Kopf hoch, sind von den Ohren bis zur Schweifspitze angespannt und starren auf die vermeintliche Gefahrenquelle.

Mit einem heftigen Schnauben, das beinahe wie ein Fauchen klingt und oft von einem Anlegen der Ohren begleitet wird, vertreiben Pferde andere Herdenmitglieder, deren Nähe ihnen gerade unangenehm ist. Diese aggressive Lautäusserung ist nicht zu verwechseln mit dem zufriedenen Abschnauben oder leisen Prusten, das erklingt, wenn das Pferd entspannt ist und sich wohlfühlt.

Grunzen, stöhnen oder seufzen Pferde beim Reiten, ist das oft ein Hinweis auf grosse Anstrengung oder Krafteinwirkung. Etwa beim Landen nach einem Sprung – es kann aber auch ein Schmerzsignal sein und sollte genau beobachtet werden.