Einem hübschen Menschen schaut man in die Augen. Bei Tauben machen das Züchter und Preisrichter genauso. Auch wenn die Augen bei Tauben weniger Ausstrahlung versprühen als beim Menschen, wirken sie doch unterschiedlich. Je nachdem, ob die Iris weiss, dunkel oder gelb-orange-rot in den verschiedensten Tönungen ist, wirkt die Taube völlig anders. Von eher kühl bis hin zu richtig feurig, ist alles vertreten. 

Mindestens genauso entscheidend wie das Auge selbst ist der Augenrand. Dabei handelt es sich um das das Auge umgebende Lid. Je nach Rasse kann der Augenrand sehr schmal und unauffällig, aber auch sehr breit und markant in Erscheinung treten. Man könnte fast meinen, dass der Augenrand fast wichtiger für das Aussehen beziehungsweise für die Wirkung der Taube ist, als das Auge selbst. Zumindest gleichwertig muss man beide Aspekte sehen. 

Fast so vielfältig wie die Anzahl der Rassen ist die Ausprägung und Färbung des Augenrandes. Oft liest man in Standards, dass der Augenrand die Farbe des umgebenden Gefieders haben soll. Das bedeutet dann fast immer, dass der Augenrand unauffällig sein muss. In der Struktur ist er dann ebenfalls meistens zart. Dabei spielt es keine Rolle, welche Farbe das Gefieder hat. Der Augenrand kann sich anpassen. Er kann aber auch in totalem Kontrast zur Gefiederfarbe stehen. Da gibt es sogar einen gelben Augenrand, einen dunklen bei weissem Kopfgefieder und rote Augenränder in verschiedenen Tönungen.

Interessanterweise gibt es einen roten Augenrand über fast alle Rassengruppen hinweg. Die Züchter verbinden damit in der Regel positive Eigenschaften wie Vitalität und Lebhaftigkeit im Wesen. Tatsächlich ist der rote Augenrand so etwas wie ein Gradmesser im Hinblick auf den Gesundheitszustand. Eine Taube, die einen roten Augenrand haben muss und in der Färbung nachlässt, mit der stimmt fast immer was nicht. Ein aufmerksamer Züchter achtet hier also sehr genau
darauf. Selbst für Preisrichter ist das ein guter Gradmesser.

Die Fütterung hat einen Einfluss
Viele Züchter hätten gerne ein Patentrezept, wie man seinen Tauben einen roten Augenrand anzüchtet. Doch dieses gibt es leider nicht. Es sind nämlich mehrere Faktoren, die zu einem roten Augenrand führen. An erster Stelle ist die genetische Komponente anzusehen. Hat eine Taube im Erbgut nicht die Fähigkeit einen roten Augenrand auszubilden, kann man auch durch alle Tricks nicht zum Erfolg kommen. Für den Züchter bedeutet das, dass er die Selektion und Verpaarung so gestalten muss, dass Tiere mit rotem beziehungsweise rötlichem Augenrand in der Zucht bleiben. Unter Umständen ist dazu auch das Einkreuzen einer Fremdrasse nötig. Paart man immer die Tiere mit dem rötesten Augenrand zusammen, kann man das in relativ kurzer Zeit fördern. Aufpassen muss man aber, dass die anderen Rassenmerkmale nicht vernachlässigt werden.

Haben die Tauben also die Tendenz zu einem roten Augenrand, kann die Färbung intensiviert werden. Aus der züchterischen Praxis heraus weiss man, dass Tauben, die unter überdachten Volieren leben, in der intensiven Rotfärbung eher Probleme haben. Licht, Luft und vor allem ungehinderte Sonnen­einstrahlung sind immens wichtig. Züchter, die freistehende Volieren oder gar ihre Tauben im Freiflug halten können, haben hier also einen Vorteil. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass bei Tauben mit möglichst hellen Augenrändern das nicht so günstig ist. Haben sie nur die Tendenz zu einem etwas rötlichen Anflug, wird das noch unterstützt.

Ein weiterer Faktor kann die Fütterung sein. Erfolgreiche Züchter setzen gerne einen erhöhten Anteil an Sämereien und auch Mais ein. Das Karotin des Maises soll sich dabei im Augenrand einlagern. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb der intensiv dunkelrote Mais so beliebt ist. Auch das im Getreide enthaltene Fett soll einen Einfluss auf die rote Augenrandfarbe haben. Alles in allem kann das aber nur unterstützen. Die persönliche Erfahrung lehrt, dass der rote Augenrand selbst bei hohem Gerstenanteil im Futter problemlos zu realisieren ist, sofern die genetische Veranlagung dazu vorhanden ist. 

Federstaub mit Wasser entfernen 
So etwas wie ein Schlüssel zu einem roten Augenrand können Schmalzkiele sein. Das sind die an den Körperflanken sitzenden nicht geöffneten Federkiele, die fettig und von intensiver gelber Farbe sind. Bei einigen Rassen mit intensiv rotem Augenrand sind sie sogar unverzichtbar und eine Standardforderung. Ihr Fehlen ist gar ein grober Fehler. 

Wie es aussieht, haben Tauben mit Schmalzkielen wirklich intensive rote Augenränder. Als negative Dreingabe wird aber auch die Gefiederfarbe beeinflusst. Bei den Lackfarbenschlägen schwarz, rot und gelb ist die Farbe satter und auch glanzreicher. Die Fahlen und Blauen bekommen aber auch eine intensivere Farbe, und hier sieht man es nicht besonders gerne. Eine Lösung für diese Farbenschläge können Wollkiele sein. Also «weis-se» Schmalzkiele, die am Ende etwas offen sind.

Der rote Augenrand ist dann allerdings gepudert. Vor der Ausstellung ist es deshalb sinnvoll, ihn vom Federstaub zu befreien. Dazu nimmt man einfach etwas Wasser und reibt ihn ab. Dieser rote Augenrand ist auch immer schön schmal. Sind Schmalzkiele vorhanden, wird er gerne breiter. Was bei manchen Rassen gewünscht ist, will man bei
anderen wieder vermeiden. Je breiter der Augenrand ist, desto mehr muss man auf seine gleichmässige Farbe achten. Manchmal ist der äussere Bereich noch gleichmässig und satt rot, während sich direkt am Augapfel ein deutlich hellerer Ring abzeichnet. Vor allem bei Alttieren tritt dieses Phänomen oft auf. Besonders wertvoll sind also jene Tauben, die auch im Alter noch einen gleichmässig gefärbten Augenrand haben.

Problematisch ist auch, wenn die innere Lidhaut sichtbar wird. Vor allem bei einem sehr breiten roten Augenrand kann man das beobachten. Mit entsprechender Selektion ist das aber durchaus in den Griff zu bekommen. Allerdings muss man schon ganz genau schauen, um bereits die Anfänge zu erkennen. 

Wenn sich die Züchter trotz aller Schwierigkeiten auf einen roten Augenrand geeinigt haben, dann muss das seine Gründe haben. Es ist wohl die besondere Ausstrahlung. Nicht umsonst sprechen viele Züchter vom Adel oder dem Tüpfelchen auf dem i. Um das zu erreichen, nehmen die Züchter gerne mehr Aufwand in Kauf.