Appell an Detailhandel
Milchbetriebe kämpfen ums Überleben: Darum soll Milch mit «Fair»-Labels gekennzeichnet werden
Rund 200 Milchproduzentinnen und -produzenten forderten im Februar in Zürich, dass der Detailhandel Milchprodukte mit «Fair»-Labels in sein Sortiment aufnimmt. Dies soll Konsumierenden ermöglichen, nachhaltig produzierte Milchprodukte zu einem fairen Preis zu kaufen und Milchbetrieben so ihr Überleben zu sichern.
«Stellt euch mal vor, es gäbe keine Schweizer Milch mehr. Keine Milch von unseren Höfen, keinen Schweizer Käse, keine Butter, die unsere Tradition und unsere Landschaft repräsentieren. Dieses Szenario ist keine ferne Utopie, sondern eine reale Möglichkeit, wenn wir nicht gemeinsam aktiv werden.» Mit diesen ernsten Worten begrüsste Boris Beuret, Präsident der Schweizer Milchproduzenten (SMP), am 6. Februar rund 200 Milchproduzentinnen und -produzenten im Landesmuseum Zürich. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Verein für faire Milchpreise, der vom SMP unterstützt wird. Das Thema des Tages: die unter Druck stehende Schweizer Milchproduktion – und damit insbesondere der Milchpreis.
Für einen Liter Milch, dessen Produktion Milchbäuerinnen und -bauern über einen Franken kostet, erhalten sie durchschnittlich 70 Rappen. Zu wenig, so die SMP. Die Differenz von mindestens 30 Rappen sei nicht tragbar. «Der durchschnittliche Stundenlohn eines Milchbauern in der Schweiz liegt bei nur etwa 14 Franken», betont Beuret. Steigende Produktionskosten und niedrige Milchpreise würden es für viele Betriebe praktisch unmöglich machen, wirtschaftlich zu arbeiten. «Viele Betriebe leben schon heute von ihrer Substanz.»
[IMG 2]
Und viele mussten bereits aufgeben. In den vergangenen zehn Jahren schlossen ganze 6300 Milchbetriebe. Heute gibt es hierzulande noch 17 000 Milchbäuerinnen und -bauern. Diese produzieren pro Jahr 3,3 Millionen Tonnen Milch. Ein Milchbetrieb bewirtschaftet durchschnittlich 29 Hektaren Land, hält 29 Kühe und verkauft 180 000 Kilogramm Milch. Doch dass die Branche im Wandel ist, zeigte sich auch bereits vor über zehn Jahren: Zwischen 2008 und 2012 sank die Zahl der Milchviehbetriebe in der Schweiz laut SMP um 35 Prozent.
Die aktuell nicht rosigen Zukunftsaussichten schlagen sich auch in einem Nachwuchsproblem innerhalb der Branche nieder. «Mehr als die Hälfte der Betriebsleitenden in der Schweiz sind mindestens 50 Jahre alt», so der SMP-Präsident. Es zeige sich deutlich, dass der Beruf für jüngere Generationen nicht mehr attraktiv genug ist. Ohne Gegenmassnahmen drohe eine weitere Abwärtsspirale. Milchbauer Beuret betont: «So kann es nicht weitergehen.»
Einen Franken pro Liter für die Produzenten
Dem Negativtrend will die Branche mit «Fair» entgegenwirken. «‹Fair› ist eine Plattform, die alle zusammenbringt, die sich für faire Milchpreise engagieren – Bauern, Konsumentinnen und Konsumenten, den Handel und die Politik», erklärt Beuret. Zweck sei es, Kräfte zu bündeln, Akteure zu vernetzen und zusammen eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das gemeinsame Ziel: ein Milchpreis von mindestens einem Franken pro Liter, der direkt an die Produzentinnen und Produzenten fliesst.
[IMG 3]
Eine wichtige Rolle spielen dabei Labels. Ähnlich wie Max Havelaar setzt die Branche auf faire Labels. Beispiele dafür sind «Fair», gekennzeichnet mit einem blauen Herz, «Faireswiss», «Di Fair Milch Säuliamt» oder «Lait GRTA Genève» in der Romandie. Nicht nur bei Trinkmilch, sondern auch bei anderen Milchprodukten wie Käse, Joghurt und Butter sollen die Labels zum Zuge kommen. An den Detailhandel appelliert Beuret: «Unterstützen Sie die Bemühungen für faire Milchpreise, indem Sie faire Milchprodukte in Ihr Sortiment aufnehmen.» So würde auch den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit geboten, Produkte zu kaufen, die für Transparenz und gerechte Bedingungen stehen.
Beuret ist sich sicher, dass viele Menschen bereit wären, faire Preise für Milchprodukte zu zahlen, «wenn dieser Mehrwert tatsächlich bei uns ankommt. Sie erwarten Transparenz und Fairness – genau das können wir garantieren.» Die Labels würden Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit geben, gezielt faire Produkte zu unterstützen. Die Wahl des entsprechend gelabelten Produkts würde den Unterschied machen, so Beuret: «Schauen Sie beim Einkauf auf faire Labels. Jede bewusste Entscheidung stärkt nicht nur die Betriebe vor Ort, sondern trägt dazu bei, dass hochwertige, nachhaltig produzierte Milchprodukte ihren Platz in der Ernährung behalten.»
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren