Soja hat es gerne warm und feucht, aber jetzt ist es einfach zu nass.» David Metzger steht mitten im Feld und knickt ein paar Gänsedisteln ab, damit die saftig grünen Sojapflanzen besser zu sehen sind. «Normalerweise striegeln wir pro Jahr zwei- bis dreimal, um das Unkraut auszureissen und zu verschütten, aber bei diesen Bedingungen können wir nicht mit dem Traktor auf den Acker. Das würde den Boden zu sehr verdichten.» Ein paar Stunden lang habe er mit seinen Eltern von Hand gejätet. «Aber irgendwann ist dann auch mal gut», so der junge Landwirt bestimmt. Die Metzgers rechnen mit zirka 30 Prozent Ernteeinbussen, was gerade noch verkraftbar sei.

«So ein Jahr hatten wir noch nie», sagt David Metzger. Für gewöhnlich ist Soja die lukrativste Kultur auf dem Tannenhof in Möhlin. Im Generationenbetrieb kultivieren hier David, Hans und Katharina Metzger auch Öllein, Raps und Brotweizen in Bioqualität. Ihr Soja können die Metzgers in der Mühle Rytz im Kanton Bern abgeben, wo die Bohnen aufbereitet werden und später als Tofu über den Ladentisch gehen.

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Inländisches Soja ist gefragt

Der wohl erste prominente Fleischersatz in der Schweiz wird trotz der gängigen Vorurteile, er sei «gummig» und «geschmacklos», immer beliebter. Durch das wachsende Bewusstsein, dass andernorts für Sojakulturen Regenwälder weichen müssen, wird der Markt für nachhaltige Produkte aus der Schweiz grösser. Denn auf bestehenden Äckern gilt der Anbau der Powerbohne als hocheffizient. «Soja ist anderen Leguminosen wie Linsen und Erbsen weit voraus», weiss David Metzger. Doch nicht nur die Menge des Rohproteinertrags, sondern auch die Qualität des Sojaproteins sei bemerkenswert, so der Landwirt. «Aufgrund des hohen Gehalts an essenziellen Aminosäuren weist es den besten biologischen Wert (effiziente Umwandlung) innerhalb der pflanzlichen Proteine für die menschliche und tierische Ernährung auf.» Ein weiterer Vorteil der Kultur ist, dass sie wie andere Hülsenfrüchtler keinen Stickstoffdünger benötigen. «Leguminosen im Allgemeinen charakterisieren sich insbesondere durch ihre Knöllchen, welche sich an der Wurzel befinden», so David Metzger. «In diesen Knöllchen leben Bakterien, welche Stickstoff aus der Luft fixieren können.»

Für die Schweiz gezüchtet

Die hohe Ausbeute der Pflanze war wohl mit ein Grund, weshalb Davids Grossvater im Jahr 1988 als einer der ersten Schweizer Landwirte überhaupt mit dem Anbau von Soja begonnen hat. Damals gab es noch keine speziell auf die hiesigen Bedingungen gezüchteten Sorten, weshalb er sich mit einer kanadischen Futtersojasorte begnügen musste. Als die Familie 2015 während der Bio-Umstellung beschloss, auf Speisesoja zu wechseln, rückte der Effizienzgedanke noch auf eine andere Weise in den Fokus. «Wir sind der Meinung, dass man auf den Ackerflächen Nahrung für die Menschen herstellen sollte», sagt David Metzger. Mittlerweile wächst auf dem Tannenhof eine speziell für die Schweiz gezüchtete Speisesojasorte, welche erst zwischen Ende September und Anfang Oktober reif für die Ernte ist. Die lange, sechswöchige Blütezeit während des Hochsommers sei ein grosser Vorteil, so David Metzger. «Wenn es mal zu trocken ist, gibt es nicht gleich einen Totalausfall, sondern nur ein Teil der Blüten fehlt, die sich dann in dieser Zeit zu einer Schote mit Körnern entwickelt hätten», erklärt er. Da der Kilopreis sehr viel höher ist als beim Futtersoja, stimme Ende des Jahres auch die Rechnung.

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Es geht immer noch besser

David Metzger ist indes überzeugt, dass man mit künftigen Züchtungen noch mehr aus der Sojapflanze rausholen könnte. «Manche Schoten wachsen so tief an der Pflanze, dass sie gar nicht gedroschen werden können», so Metzger. «Auch rascheres Wachstum der Sojabohnen, um Unkraut besser zu unterdrücken, und Toleranz in Bezug auf Wetterextreme wären von Vorteil.» Der Juniorlandwirt arbeitet neben seiner Tätigkeit auf dem Hof auch als Berater im Bereich Bio-Pflanzenbau am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg.

Sein Forschungsinteresse verfolgt ihn bis in die Freizeit. «Ich probiere gerne Neues aus wie Süsskartoffeln oder Wassermelonen, allerdings nur für den privaten Gebrauch», erzählt der 31-Jährige. Damit eine Kultur auf dem Tannenhof im grossen Stil angebaut wird, müssen neben der Anbaubereitschaft der Familie auch genug Nachfrage sowie ein guter Abnehmer vorhanden sein. Eine logische Rechnung für ein landwirtschaftliches Unternehmen. Und oft das Zünglein an der Waage, ob ein Hof Futter- oder Speisesoja kultiviert.

Hoffnung auf Flexitarismus

Weltweit werden laut Schätzungen nur zwei Prozent des Sojas für den Direktverzehr angebaut, der Rest dient als Futter für Nutztiere. David Metzger ist aber optimistisch, dass der Tofukonsum und damit die Nachfrage nach Speisesoja weiter ansteigen wird – auch in der Schweiz. «Die Flexitarier bieten hier ein riesiges Potenzial», ist er überzeugt. «Wenn die Leute schon nur zwei-, dreimal in der Woche auf Ersatzprodukte ausweichen, macht das bereits sehr viel aus.»

Trotz Spezialzüchtungen sind die Möglichkeiten hierzulande beschränkt für die Superbohne. «Ab etwa 600 Höhenmetern ist Schluss», weiss Metzger. Ideal für den Anbau sei in der Schweiz das St. Galler Rheintal, das Südtessin, die Genfersee-Region und eben die Nordwestschweiz. Ausgeschöpft ist das Potenzial aber noch längst nicht, wie auch Bio Suisse bestätigt. «Viele Betriebe kennen den Bio-Sojaanbau schlicht noch nicht», sagt der Medienverantwortliche David Herrmann. Der Bio-Sojaanbau werde aber laufend bekannter und etablierter. «Wir erwarten deshalb, dass sich der positive Trend der letzten Jahre weiter fortsetzt.»