Störender Unrat in der Natur
Plastik überflutet die Welt
Plastik dominiert den Alltag und liegt oft auch dort, wo er nichthingehört – in der Natur, an Strassenrändern und im Fluss. Rudolf Imhof fotografiert, was in der Natur stört, und rüttelt mit seinen Bildern auf.
Vom Wind halb von der Scheiterbeige gewehte, alte Plastikplanen setzen Algen an. Weitere liegen auf dem Waldboden, überwuchert von Brombeeren. Vermutlich wird sich niemand mehr die Mühe machen, sie dort wegzunehmen und fachgerecht zu entsorgen. Ein paar Meter weiter hat sich ein zerschlissenes Plastiknetz in einer Hecke verfangen. Einst hat es wohl einen Beerenstrauch in einem Garten vor Vögeln geschützt, jetzt interessiert sich niemand mehr dafür.
Plastik ist nützlich. Beispielsweise, um eine Scheiterbeige vor Regen oder einen Beerenstrauch vor hungrigen Vögeln zu schützen. Aber als Abfall in der Natur ist Plastik nicht nur störend, sondern für Tiere auch tödlich. Dies beschäftigt Rudolf Imhof. Der Baselländer wohnt seit über 20 Jahren in Chapois im französischen Jura, rund 80 Kilometer entfernt von der Schweizer Grenze. «Auf meinen Streifzügen durch die Natur rege ich mich immer wieder über herumliegenden Plastik auf», sagt der leidenschaftliche Pferdeliebhaber und Naturfotograf.
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Ursprünglich fotografierte er besonders gerne Vögel. «Wie oft habe ich mich geärgert, als ich dann auf einem eigentlich gelungenen Bild ein Stück Plastik entdeckte.» Rudolf Imhof ist Mitglied eines Fotoklubs, machte den Plastik als Abfall zum Thema – und stellte fest, dass sich seine Fotografenkolleginnen und -kollegen nicht damit auseinandersetzen wollten. «Klar, es sind keine schönen Sujets», räumt er ein und findet, dass er mit seinen 82 Jahren durchaus auch ein unpopuläres Thema anpacken könne.
Manchmal inszeniere er den Plastik, den er in der Natur finde, denn seine Fotografenkollegen rieten ihm: «Bring etwas ins Bild, das gefällt.» Zudem habe er die Erfahrung gemacht, dass sich die Betrachterin oder der Betrachter mehr mit dem Thema auseinandersetzen würden, wenn es ein leicht abstraktes oder provokatives Bild darstelle. Ob inszeniert oder real, Rudolf Imhof zeigt mit seinen Bildern, was in der Natur stört. Der Fotograf macht sich am Abend vor dem Einschlafen Gedanken zu seinen Projekten. Am nächsten Morgen begibt er sich auf den Weg, meist in Begleitung seines Australian Terriers. «Den Plastikabfall muss ich nicht suchen. Ich finde ihn entlang von Wegen und Strassen», sagt Rudolf Imhof. Leute würden Becher und Verpackungen aus den fahrenden Autos wegwerfen. Schlimm sei es an den Ufern von Bächen und Flüssen. «Bei Hochwasser schwimmt Plastik mit, der dann in den Ästen hängenbleibt.»
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Den Plastikabfall fotografiere er vor allem im französischen Jura, manchmal aber auch auf Schweizer Gebiet. Er habe noch nicht direkt festgestellt, dass Tiere an Plastik verendet seien. «Was ich aber oft sehe, sind Plastikfetzen, die Milane und Amseln in ihren Nestern verarbeiten.» Würden die Vögel Partikel aufnehmen, sei dies schädlich und führe unter Umständen sogar zum Tod.
Plastik ist im Alltag bestimmend
Rudolf Imhof hat sich damit auseinandergesetzt, wie lange es braucht, bis Plastik abgebaut wird. Er sagt: «Es dauert 400 Jahre, bis sich eine Plastikflasche, die auf einer Weide oder im Wald liegt, aufgelöst hat, liegt sie im Wasser, dauert es 200 Jahre.» Er stellt klar, dass danach aber immer noch Plastikpartikel in der Natur zurückblieben.
Ginge es auch ohne Plastik? «Das kann ich mir nicht vorstellen», sagt Rudolf Imhof und konstatiert: «Es geht ja nicht nur um Verpackungen und Becher. Wir telefonieren hier zusammen und haben dabei beide Plastik in der Hand.» Der Telefonhörer, das ganze Telefon bestehe aus Plastik. Doch nicht nur das. Die Innenausstattung neuer Züge und Flugzeuge bestehe heute vollständig aus Plastik. Bei dieser grossen Weltbevölkerung seien Alternativen schwierig. «Im Alltag ist Plastik heute bestimmend.» Eine Lösung sieht Rudolf Imhof im konsequenten fachgerechten Einsammeln und im Recycling.
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Plastik wird aus Erdöl mit Zusatzstoffen hergestellt. Umgangssprachlich wird von Plastik gesprochen, obwohl es sich eigentlich um Kunststoff handelt, schreibt Swissrecycle. Weiter ist auf der Website dieser privat finanzierten Organisation nachzulesen, dass nicht alle Plastikarten wieder verwertet werden können. Bei PET- und Plastikflaschen sei dies aber der Fall. Kunststoffabfall liegt nicht nur in der Natur herum, sondern ist auch zu einem Handelsgut geworden. Die deutsche Organisation Statista veröffentlicht, dass die Schweiz 2022 rund 88 000 Tonnen Kunststoffabfälle exportiert und 94 000 Tonnen importiert hat.
Kunststoff ist ein immenses zivilisatorisches Thema. Das hat auch das Schweizer Parlament erkannt. Abfall in der Natur kam kürzlich auf die politische Agenda. So hat Ende 2023 nach dem National- auch der Ständerat einem nationalen Littering-Verbot zugestimmt. Rudolf Imhof setzt es fotografisch um und regt mit seinen Bildern einerseits zum Nachdenken an. Andererseits können sie zum Handeln führen. Der Fotograf hat auch gleich eine Idee: «Kürzlich sah ich junge Leute, die der Strasse entlang alle Plastikabfälle einsammelten. Das finde ich grossartig!»
Zur PersonRudolf Imhof wuchs im Kanton Baselland auf und ist seit Jugendzeit mit Pferden verbunden. Er war in leitender Stelle bei der Polizei tätig, bevor er sich vor 22 Jahren mit seiner Frau in Chapois im französischen Jura niederliess. Die Fotografie ist ein zentrales Thema des passionierten Naturfreundes.
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