Wenn Sira La Mela mit ihrem Herby das Haus verlässt, muss der Spaniel-Rüde an die Leine. Der Grund: Sira La Mela wohnt in Siebnen im Kanton Schwyz. Ein Spaziergang ohne Leine ist auf dem gesamten öffentlichen Kantonsgebiet verboten. So sieht es das kantonale Gesetz über das Halten von Hunden vor.  Damit herrschen im Kanton Schwyz die schweizweit strengsten Vorschriften, was die Leinenpflicht für Hunde angeht.

Doch auch in anderen Kantonen wird der Freiheit des Vierbeiners beim Spaziergang ein Riegel geschoben: in eigenen Hundegesetzen, mittels Tierschutz- oder Veterinärgesetz oder aber im Rahmen der Jagdverordnung. Dabei legen die verschiedenen Kantone die Leinenpflicht mehr oder weniger grossräumig fest. Üblicherweise werden stark frequentierte Strassen, Spielplätze, öffentliche Verkehrsmittel, Badeplätze, Bahnhöfe, Parks sowie der Wald mit einer Leinenpflicht versehen.

Kantönligeist an den Grenzen sichtbar  
Häufig gilt der Leinenzwang auch zeitlich begrenzt, etwa während der Jagdsaison oder im Kanton Basel-Stadt von 22.00 bis 6.00 Uhr. In manchen Kantonen können ausserdem die Gemeinden Gebiete mit Leinenpflicht festlegen und diese entsprechend kennzeichnen.

Damit Herby zwischendurch ohne Leine toben kann, nimmt Sira La Mela für längere Spaziergänge auch mal eine kleine Reise in den Nachbarkanton Glarus auf sich. Hier zeigt sich der Kantönligeist in Sachen Leinenzwang exemplarisch: Auf der Glarner Seite der ­Linth, ab der Autobahnbrücke Richtung Westen, kann Sira La Mela ihren Herby frei laufen lassen. Keine 70 Meter entfernt hingegen, auf der anderen Uferseite, die zum Kanton St. Gallen gehört, müsste sie ihren Liebling bis zur nächsten Brücke an der Leine führen. Im St. Galler Wald wiederum könnte Sira La Mela ihren Hund frei toben lassen, was im Kanton Glarus verboten ist.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie schnell man als Hundehalter mit bis zu 26 verschiedenen Regelungen gegen das Gesetz verstossen kann. Gerade heute, wo Hundehalter mobil sind und Ausflüge über die Kantonsgrenzen hinaus häufiger werden, ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Und wird man erwischt, winken Ordnungsbussen zwischen 50 und 100 Franken. Unwissen schützt auch hier nicht vor Strafe.

Gesetze schwammig formuliert
Dass es schwierig ist, sich im Gesetzes­dschungel rund um den Leinenzwang zurechtzufinden, weiss auch Sonja Blaas. «Die von Kanton zu Kanton unterschiedliche Regelung verwirrt und verunsichert Hundehalter, was sich wiederum negativ auf die Beziehung der Halter zu ihrem Hund auswirkt.» Als Hundetrainerin und Rechtsberaterin für Hundehalter wird sie oft mit der Frage konfrontiert: Wo muss ich den Hund an die Leine nehmen und wo nicht? In den obligatorischen Sachkundekursen vermittelt Blaas dazu gewisse Grundregeln. «Einen Hund lässt man nur dann von der Leine, wenn er auch abrufbar ist», sagt sie. Es könne jederzeit eine Situation eintreten, die es erfordert, den Hund anzuleinen, beispielsweise bei Begegnungen mit Menschen und Tieren. «Dies wiederum bedingt, dass man an der Erziehung des Hundes arbeitet.»

Ausserdem empfiehlt Blaas jedem Hundehalter, die im jeweiligen Kanton geltende Gesetzgebung durchzulesen. «Obwohl die Gesetze und Verordnungen für Laien nicht immer einfach zu verstehen sind, lohnt es sich meines Erachtens, diese Grundlagen zu konsultieren. Daraus ergibt sich praktisch alles», sagt Blaas.

Doch mit Ausnahme vom Kanton Basel-Stadt, wo in einem Reglement zur Hundehaltung auf fünf Seiten sämtliche Gebiete mit Leinenpflicht aufgelistet sind, sind die Vorschriften in den meisten ­Kantonen doch eher schwammig formuliert. So herrscht beispielsweise im Kanton Appenzell-Innerrhoden Leinenpflicht gemäss Gesetz dort, «wo Umstände zur Vorsicht mahnen». In den Kantonen Thurgau, Luzern und Schaffhausen muss der Hund an «stark frequentierten Strassen» angeleint werden, im Kanton Tessin überall dort, wo die Präsenz von Personen und Tieren «nicht ausgeschlossen werden kann». Und im Kanton Bern muss der Hund dann an die Leine, wenn «andere wirksame Kontrollmöglichkeiten» fehlen.

Selbst wenn sich Hundehalter durch das Dickicht an Paragrafen kämpfen, sind sie hinterher also nicht unbedingt schlauer. In solchen Fällen verweist Blaas auf die von den einzelnen Kantonen herausgegebenen Broschüren zum Thema. «Und bei Zweifeln kann man auch mit dem kantonalen Veterinäramt Kontakt aufnehmen. Das gibt in der Regel bereitwillig Auskunft.»

Dass man sich mit dem Flickenteppich aus 26 unterschiedlichen Gesetzen rumschlagen muss, liegt daran, dass der Schutz des Menschen vor Tieren in den Bereich der Sicherheitspolizei fällt. Für diese sind gemäss Bundesverfassung die Kantone zuständig. Um dies zu ändern, müsste also die Bundesverfassung via Volksabstimmung revidiert werden. Erst dann könnte der Bund eine einheitliche Regelung erlassen.

Einheitliche Regelung auf Eis gelegt
Erste Bestrebungen in die Richtung gab es in der Vergangenheit bereits. So hat die Stiftung Tier im Recht 2006 einen Vorschlag für ein gesamtschweizerisches Hunderecht vorgelegt. Später nahm sich auch das Parlament der Sache an. Bis der Nationalrat im Dezember 2010 das Ganze allerdings wieder verwarf. Einer der Gründe war die lange Dauer bis zu einem neuen Bundesgesetz. Bis zu fünf Jahren hätte es gedauert, bis ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden wäre, hiess es damals etwa. In der Zwischenzeit ist das Thema wieder in Vergessenheit geraten. Im vergangenen Herbst hat die zuständige Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats ein mögliches Hundegesetz zwar nochmals diskutiert und Experten dazu angehört. «Die Mehrheit der Kommission ist jedoch zum Schluss gekommen, dass kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht», heisst es bei den Parlamentsdiensten auf Anfrage.

So werden sich Hundehalter auch in Zukunft durch den Dschungel an kantonalen Gesetzen kämpfen müssen. Und es letztlich machen wie Sira La Mela: sich informieren und die unterschiedlichen Regelungen für sich nutzen – damit Herby und Co. ab und an doch noch in den legalen Genuss der Leinenfreiheit kommen können, ohne dass Herrchen oder Frauchen eine Busse befürchten müssen.

Freiburg: An Bäumen festbeissen verboten
In den Hundegesetzgebungen der Kantone finden sich nicht nur Hinweise darauf, wie die Leinenpflicht und der Umgang mit sogenannt gefährlichen Hunden geregelt wird. Man trifft hie und da auch auf eher skurrile Verbote. So werden beispielsweise im Kanton Freiburg laut Hundegesetz drei «bestimmte Praktiken» ausdrücklich untersagt. Eine davon mutet seltsam an. Derzufolge ist es nämlich verboten, «einem Hund beizubringen, sich mit dem Maul an einen Ast oder einen anderen Träger zu hängen». In der Botschaft des Staatsrats von 2006 heisst es dazu als Erklärung, dass diese Bestimmung nicht auf das Anerziehen von Reaktionen bei Wachhunden abziele, «sondern das Bestreben, dem Hund absichtlich ein ausschliesslich aggressives Verhalten anzuerziehen».