In der Gemeinde Knox im Osten der australischen Metropole Melbourne ist bereits Realität, was hierzulande möglicherweise auch einmal gelten könnte: Katzen dürfen ihr jeweiliges Haus beziehungsweise ihren Garten nicht verlassen. Halterinnen und Halter, deren Tiere mehrmals gegen diese Regel verstossen, müssen eine Busse zahlen. Die Behörden haben das Gesetz mit der Begründung eingeführt, Wildtiere wie Vögel oder bestimmte Insekten, die von Katzen gejagt werden, würden dadurch geschützt. Auch in der Schweiz werden immer wieder Stimmen laut, welche die bislang unbeschränkt flanierenden kleinen Raubtiere in ihre Schranken verweisen wollen. Prominentes Beispiel etwa FDP-Politiker und Pro-Natura Geschäftsführer Johannes Jenny, der 2015 in einem Vorstoss den Abschuss streunender Katzen und eine Ausgangssperre für Hauskatzen forderte.

Dass in Bezug auf Katzen ein Gesinnungswandel im Gange ist, zeigt unter anderem die städtische Wohnsiedlung Fröschmatt in Bern-Bümplitz, in der mit dem Argument Biodiversität im Parterre keine Katzen und in den oberen Stockwerken nur Indoor-Katzen gehalten werden dürfen. Gemäss Auskunft von Sabine Tschäppeler von der Fachstelle für Ökologie und Natur der Stadt Bern ist es möglich, dass bei neuen Siedlungen, die heute in Planung sind, ebenfalls Vorgaben zu den Katzen gemacht werden. «Insbesondere dort, wo in der Umgebung sensible Artenvorkommen vorhanden sind.»

Wütende Fledermaus-Schützerinnen
Dass Freigänger-Katzen wilde Tiere jagen und töten, stellt auch für viele Halter ein echtes Dilemma dar. So kommt eine Studie der englischen Universität Exeter von 2019 zum Schluss, dass die meisten Besitzer untröstlich sind, wenn sie ihren Liebling mit einer toten Meise in der Schnauze antreffen oder über eine angebissene Blindschleiche stolpern («Tierwelt online» berichtete). Die meisten der befragten Katzen-Halter sind überzeugt, dass es sich beim Jagen und Töten um ein natürliches Verhalten handelt, das sie nicht kontrollieren könnten, ohne das Wohlbefinden ihrer Katzen zu beeinträchtigen. Vor allem die Möglichkeit, die eigene Katze den Wildtieren zuliebe drinnen zu behalten, lehnen die meisten ab.

 

Nicht zuletzt in den Sozialen Medien sorgt das Thema immer wieder für hitzige Diskussionen. So wurde beispielweise unlängst der Bericht einer Naturschützerin, die sich um von Katzen zerbissene Fledermaus-Opfer kümmert und auf Facebook ein Freigänger-Verbot forderte, innert kurzer Zeit tausendfach kommentiert und eifrig geteilt. Auf Seiten der Freigang-Befürworter wurde in diesem Zusammenhang argumentiert, dass Katzen von Natur aus Raubtiere sind und eine Indoor-Haltung Tierquälerei ist. Viele zeigten sich zudem davon überzeugt, dass die eigene Katze keine oder zumindest kaum Wildtiere erbeutet und die tatsächliche Opfer-Bilanz deutlich tiefer ist. Ausserdem sei nicht die Katze, sondern der Mensch im Zusammenhang mit Natur- und Umweltproblemen das wahre Übel.

Die Befürworter der Indoor-Katzenhaltung beziehungsweise des gesicherten Freigangs hingegen machten geltend, dass Katzen domestiziert und längst nicht mehr «natürlich» sind und die Argumentation «Fressen und gefressen werden ist natürlich» dementsprechend unsinnig ist. Katzen würden zudem gefüttert und seien entsprechend nicht auf Beute angewiesen. Geradezu paradox sei es, wenn auf der einen Seite das Wohl der Freigänger-Katzen beschworen werde, gleichzeitig aber Verletzungen durch Verkehrsunfälle und Kämpfe in Kauf genommen würden. Beklagt wird zudem, dass die Katzenpopulation in der Schweiz schlicht zu gross geworden sei.

Wem soll es gut gehen?
Wie gross die von der Katze angerichteten «Schäden» tatsächlich sind, wird kontrovers diskutiert. Klar ist, dass die Katzendichte in Siedlungsbereichen sehr hoch ist und die dortigen Vogelbestände deswegen vergleichsweise tief sind. Laut Angaben der Vogelwarte Schweiz leben in den Niederungen der Schweiz durchschnittlich 50 bis 60 Katzen pro Quadratkilometer. Im Agglomerationsraum Zürich sind gemäss Hochrechnungen sogar 430 Tiere pro Quadratkilometer unterwegs. Damit sind Katzen um ein Vielfaches häufiger als alle anderen Beutegreifer zusammen. Stark betroffen sind in versteckarmen Landschaften Frösche, Molche, Eidechsen und Blindschleichen. Unter den Vögeln trifft es vorwiegend häufige Arten wie Amseln, Rotkehlchen, Meisen, Finken und Sperlinge.

Nicht minder umstritten ist die Frage, inwiefern eine Indoor-Haltung artgerecht ist beziehungsweise sein kann. In der entsprechenden Debatte wird dabei gerne zwischen Rassekatzen und sogenannten Bauernhofkatzen unterschieden, wobei erstere seit Generationen daran gewöhnt seien, in einem Haus oder einer Wohnung zu leben, während letztere noch wilder und entsprechend auf Freigang angewiesen seien.

Für Katzenexperte Dennis C. Turner ist klar, dass die Gewährung von Freigang für die betreffenden Katzen mit wesentlichen Vorteilen verbunden ist. So konnte beispielweise nachgewiesen werden, dass Auslauf etwaige im Innenbereich verursachte Haltungsfehler kompensiert. Ausserdem kann die freilaufende Katze natürliche Verhaltensmuster zeigen und ihr Naturell ausleben.

Artgerecht unter Bedingungen
Trotzdem ist der Verhaltensbiologe davon überzeugt, dass Katzen auch drinnen glücklich und zufrieden sein können – sofern zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen die Tiere von klein auf drinnen gehalten werden und dürfen zuvor keine Erfahrungen mit der Vielfalt an natürlichen Reizen draussen gemacht haben und zweitens muss die Wohnung so ausgestattet sein, dass die Katze alle ihre biologischen und tierpsychologischen Bedürfnisse befriedigen kann. Das dies offenbar nicht immer gelingt, zeigt sich daran, dass Stubenkatzen gemäss verschiedenen Studien mehr Verhaltensstörungen und -probleme für ihre Halter aufweisen als Katzen mit Auslauf.

Das Wichtigste jedoch sei, so Dennis Turner, dafür zu sorgen, dass jede Katze und jeder Kater, der Auslauf hat, unbedingt kastriert und gechipped wird.