Woody und Floyd haben zwei Lieblingsbeschäftigungen: Schlafen und Ausflüge. Unfassbar süss sehen die vierjährigen Kaninchenbrüder dabei aus. Das findet nicht nur ihre Besitzerin Sarah, sondern auch rund 14'000 Follower auf Instagram. Die schauen Woody und Floyd regelmässig dabei zu, wie sie auf der Blumenwiese oder der Parkbank kuscheln, Männchen machen oder an Blättern schnuppern. 

Das ist auch deshalb möglich, weil Woody und Floyd draussen immer in der Nähe ihrer Menschen bleiben. Sie seien zwar sehr neugierig und liebten es, neue Gegenden zu erkunden, erzählt Sarah, die ihren Nachnamen zum Schutz ihrer Privatsphäre in den sozialen Medien und auch in diesem Artikel nicht nennen möchte. «Am Anfang waren mein Freund und ich sehr auf der Hut, aus Angst, dass sie wegspringen könnten. Das ist in all den Jahren aber noch nie passiert. Nur wenn fremde Hunde in der Nähe sind, müssen wir aufpassen.»

[EXT 1]

Noch keine Topgagen in der Schweiz
Die 34-Jährige begann, Fotos von ihren Mini Lops auf Facebook und Instagram zu teilen, die Follower kamen von alleine. Inzwischen gehören zur Familie auch noch das Kaninchen Alex und Cavalier King Charles Spaniel Molly. Ein Fünf-Sterne-Hotel spendierte Woody, Floyd und ihren Menschen zwei Übernachtungen, Graubünden Tourismus warb mit den beiden für Ferien mit Haustieren, Radio Energy engagierte sie für einen Werbespot. Woody und Floyd sind in der Riege der gefragtesten Schweizer tierischen Influencer oder kurz «Petfluencer» angekommen.

Die hiesige Petfluencer-Szene ist noch vergleichsweise klein. Von rund 2000 Schweizer Influencern sind nach Schätzungen der Zürcher Influencer-Marketing Agentur WebStages nur zwanzig bis 40 Petfluencer. Die bekanntesten sind zwei Hunde: Rasta, mit 335'000 Followern auf Instagram, und Bobba mit 169'000 Instagram-Fans (siehe ausklappbare Box).

[EXT 2]

[EXT 3]

WebStages nimmt in seine Datenbank Tiere aller Art ab ungefähr 1500 Follower auf. Um Erfolg als Petfluencer zu haben, sollten Tierhalter Freude an der Sache, Talent für die Fotografie, Disziplin und Ausdauer mitbringen. Besonders wer grössere Ambitionen hat, muss regelmässig posten und mit Followern kommunizieren – das kann pro Tag leicht einige Stunden in Anspruch nehmen.

Doch wer will mit Tieren auf den sozialen Medien werben? Zum einen Anbieter von Tierfutter und anderem Zubehör oder hundefreundliche Hotels. Zum andern setzen auch andere Unternehmen wie Toyota, Lego oder der Schweizer Voralpenexpress auf Petfluencer. Tanja Herrmann, Gründerin und Geschäftsführerin von WebStages, erklärt das so: «Tier-Accounts glänzen nicht nur mit überdurchschnittlichen Engagement-Rates, ihre verspielte Art ermöglicht es, Produkte ganz anders zu inszenieren, als ein klassischer Influencer dies könnte.» Je nach Content-Format, Aufwand und Grösse seiner Community könne ein Petfluencer, beziehungsweise sein Besitzer, für einen Werbepost zwischen 150 und 2000 Franken verlangen. Herrmann kennt in der Schweiz noch niemanden, der von seinem Petfluencer-Account leben kann.

[EXT 4]

Ein Igel mit fast zwei Millionen Fans
In den USA sieht das ganz anders aus. Dort gibt es unter anderem Zwergspitz Jiffpom, mit 10,6 Millionen Instagram-Fans der momentan erfolgreichste Petfluencer der Welt. Der kleine Hund trägt in seinen Posts oft T-Shirts und skurrile Kopfbedeckungen, hat schon in einem Musikvideo von Katy Perry mitgespielt und bekommt laut Schätzungen pro Werbepost rund 45'000 US-Dollar. Auch in Deutschland betreiben einige den Petfluencer-Account hauptberuflich, darunter Talitha Girnus mit ihrem Weissbauchigel Herbee. Der Account @mr.pokee, benannt nach Herbees Vorgänger, hat 1,9 Millionen Follower, in einem Web-Shop verkauft Girnus Postkarten, T-Shirts und andere Fanartikel mit Igelmotiven.

Was vielleicht erst einmal nach dem Traumjob für Tierhalter klingt, hat manchmal auch weniger schöne Seiten. Besonders in den USA kommen einige der niedlichen Petfluencer aus Qualzuchten. «So etwas Herziges möchten dann viele auch, ohne sich bewusst zu sein, dass es sich dabei in vielen Fällen um krankmachende Tierquälerei handelt», sagt Helen Sandmeier vom Schweizer Tierschutz. Ausserdem können einige Tiere schlicht nicht artgerecht als Haustiere gehalten werden – darunter auch Weissbauchigel wie Herbee (lesen Sie hier mehr dazu). 

[EXT 5]

Es muss auch den Tieren Spass machen
Sehr beliebt sind aus­serdem gezähmte Wildtiere, darunter Füchse, die auf dem Sofa schlafen oder putzige Waschbären. Auch hier könnten die schönen Fotos zur Nachahmung inspirieren, was schon deshalb problematisch ist, weil die meisten mit der anspruchsvollen Haltung und Pflege eines solchen Tieres hoffnungslos überfordert sind. Grundsätzlich, sagt Sandmeier, sei es nicht verwerflich, Bilder oder Filme seines Haustieres ins Netz zu stellen. Tierschutzrelevant werde es dann, wenn man sich über offensichtlich kranke Tiere und Qualzuchten lustig mache, wenn man Tiere in Kleider stecke oder zu unüberlegten Tierkäufen animiere. «Ein Lebewesen sollte nie nur ein Objekt zu menschlichem Vergnügen oder ein Werbeobjekt sein.»

Das sieht Sarah, die Besitzerin von Woody und Floyd, ganz genauso. «Es ist ganz wichtig, dass es auch den Tieren Spass macht.» Ein Motto, das sie selber beherzigt. Ihr drittes Kaninchen, Alex, findet zum Beispiel an Fotoshootings in ungewohnter Umgebung weit weniger Gefallen als seine berühmten Cousins – und darf deshalb zu Hause bleiben.