Als Rocky beim Planschen in der deutschen Nordsee eine Möwe sichtete, war er nicht mehr zu bremsen und schwamm dem Seevogel hinterher – ein Jagd­ausflug, der Schlagzeilen machte und fast tödlich endete. Denn während die Möwe einfach davonflog, geriet der Berner Sennenhund in Not. Sein Herrchen stand ohne Handy am Strand und konnte nur hilflos zusehen, wie Rocky von der Strömung immer weiter aufs offene Meer gezogen wurde. 

Diese Situation gehört wohl zu den grössten Albträumen der meisten Hundehalter und ereignet sich leider nicht nur in den Ferien am Meer mit unberechenbaren Strömungen und starker Brandung. Denn auch hiesige Flüsse und Seen können selbst versierten vierbeinigen Schwimmern zum Verhängnis werden. «Zu den Gefahren gehören unter anderem Strömung, Kälte, Strudel und Walzen nach Schwellen. Hunde können aber auch ertrinken, wenn sie überfordert werden», sagt Claudia Zingg-Noethiger, Präsidentin des Wasserrettungs-Hundeclubs Thunersee, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Wasserrettungsarbeit mit Hunden in der Schweiz bekannter zu machen. Hafenanlagen und viele Kanäle bieten keinerlei geeigneten Ausstiegsstellen und können dadurch für einen Hund, der ins Wasser gesprungen oder gefallen ist, zur Todesfalle werden. Auch wenn ein Vierbeiner unaufgefordert vom Boot springt, kann das böse enden.

Schwimmen will trainiert sein
Das klingt alarmierend, bedeutet aber nicht, dass man auf Wasserarbeit mit dem Hund verzichten sollte. Denn viele Hunde schwimmen leidenschaftlich gerne. Auf einige Rassen, die wie Neufundländer, Labradore und Portugiesische Wasserhunde über Generationen für die Arbeit im Wasser gezüchtet wurden, übt das nasse Element magische Anziehungskraft aus. Und gerade an heissen Sommertagen bieten Seen und andere Gewässer eine willkommene Abkühlung. Zudem ist das Schwimmen im nicht zu kalten Wasser bestens geeignet, um Muskeln aufzubauen und die Kondition zu verbessern, ohne gleichzeitig die Gelenke zu belasten. 

Damit das Vergnügen nicht in einem Unglück endet, sollte man Vorsichtsmassnahmen treffen. «Dazu gehört, dass der Hund in der Nähe des Wassers immer so unter Kontrolle, also am besten angeleint ist, dass wir erst die möglichen Gefahren einschätzen und dann dem Hund gegebenenfalls die Erlaubnis geben können, ins Wasser zu gehen», sagt Niklaus Röthlisberger, Übungsleiter beim Wasserrettungs-Hundeclub Thunersee. Mit jungen, unerfahrenen oder wenig trainierten Hunden sollte man zuerst in sehr sicheren, stillen Gewässern üben, zum Beispiel an einem ruhigen See in Ufernähe. 

Schwimmen ist anstrengender als Laufen. Und da sich ein Hund mitten im See oder Fluss schlecht ausruhen kann, wenn ihn die Kräfte verlassen, sollte man die Anforderungen langsam steigern. «Ein gutes Ausdauertraining ist sehr wichtig», sagt Röthlisberger. Dabei sollte die Kondition nicht ausschliesslich im kalten Wasser aufgebaut werden. «Besser ist es, den Hund auch durch Joggen oder Velofahren zu trainieren.» 

Sicherheit des Menschen geht vor
Wie weit und lange ein Hund schwimmen kann, hängt immer auch von der Tagesform, der Wassertemperatur und der Strömung ab. «Ein erfahrener Hundehalter kann bei guter Beobachtung vor allem an den Augen und der Atmung des Tieres erkennen, wenn es müde und überfordert ist», sagt Röthlisberger. Es gebe Körperlagen, in denen sich der Hund kaum noch über Wasser halten kann, etwa, wenn er nicht flach auf dem Wasser liegt, sondern das Rückrat fast senkrecht nach unten zeigt und der Hund nur noch die Vorderläufe einsetzt.

Um auch in brenzligen Situationen schnell und sicher eingreifen zu können, sollten Hunde bei der Arbeit in tieferen Gewässern ein gut sitzendes Wassergeschirr tragen, an dem sie an Land oder zurück ins Boot gehoben werden können. Wenn die Ausdauer nicht eingeschätzt werden kann, der Hund lange Strecken in Gewässern mit Strömung oder hohem Wellengang schwimmen soll, empfiehlt Zingg-Noethiger Schwimmwesten anzulegen.

Kommt es trotzdem einmal zu einer Notlage, hat die Sicherheit des Retters Priorität. Denn so verständlich der erste Impuls ist, dem Hund hinterherzuspringen, so gefährlich ist er. Immer wieder sterben Menschen bei dem Versuch, ihr Tier aus den Fluten zu retten. Kann sich der Hund nicht über Wasser halten, liegen die Chancen bei Null, dass ein Mensch besser gegen Strömung oder Strudel ankommt und gleichzeitig einen Hund herausziehen kann. Zusätzliche Gefahr besteht, wenn der Hund in Panik auf seinen Retter zuschwimmt, ihn mit seinen Krallen verletzt oder sogar unter Wasser drückt. 

Zum Glück kann man vielen Hunden vom Ufer aus helfen. Gerät der Hund in einem Fluss in eine Strömung, sollte man ihn nicht animieren, gegen die Strömung zurückzuschwimmen, da das oft aussichtslos und ermüdend ist. Besser ist es, mit der Strömung flussabwärts zu laufen, durch Rufen Kontakt zum Hund zu halten und ihn bei der nächstmöglichen Stelle an eine flache Uferstelle zu lotsen. Manchmal kann man den Hund auch mithilfe eines langen Astes, in den sich die Tiere oft instinktiv verbeissen, herausziehen. 

In besonders verheerenden Fällen können aber nur noch Profis helfen. So war es auch bei Rocky. Nachdem klar war, dass der Rüde nicht mehr aus eigener Kraft zurück zum Ufer schwimmen konnte, wählte ein Strandbesucher den Notruf. Die freiwilligen Seenotretter liessen nicht lange auf sich warten und entdeckten den Berner Sennenhund gerade noch rechtzeitig in den Wellen. Mit einem Bootshaken zogen sie Rocky am Halsband heran und holten ihn durch die Bergungspforte an Bord. Wenig später wurde Rocky sehr erschöpft, aber unversehrt seinem Herrchen übergeben.