Wir kennen das alle aus der tierärztlichen Praxis: Beim ersten Mal wirkt das Antibiotikum, beim zweiten Mal auch noch – und dann nicht mehr. Bei einem Junghund mit Ohrentzündung zum Beispiel gebe ich deshalb lieber dreimal pflanzliche Mittel», sagt Alexandra Nadig. Die Tierärztin im schwäbischen Lorch (D) hat sich auf Pflanzenheilkunde spezialisiert. Einer ihrer Tipps: Ein paar Tropfen verdünnte, ätherische Öle. 

Chronischer Schnupfen, Husten beim Junghund, Hautinfektionen, chronische Magen-Darm-Probleme, Analbeutel- oder Scheidenentzündungen oder Infektionen mit Giardien – Nadig zählt Erkrankungen auf, bei denen sie seit 15 Jahren mit ätherischen Ölen gute Erfahrungen macht. «Eine Bauchmassage mit einem ätherischen Öl beim Welpen mit Bauchweh – das wirkt grandios!»

Eigentlich helfen diese Öle den Pflanzen, Frassfeinde und Schädlinge abzuwehren. «Manche enthalten über 500 Inhaltsstoffe, deren Beschaffenheit, je nach Herkunft, Jahreszeit und Erntezeitpunkt, immer aufs Neue variiert», sagt Nadig. Das erkläre auch, weshalb es bis jetzt keine resistenten Erreger dagegen gebe. «Während Antibiotika meist nur aus einer Substanz bestehen, die für die Erreger nach einer Weile leicht zu überwinden ist, haben ätherische Öle eine sehr komplexe Struktur.»

Nach zwei Wochen deutlich besser
An einem Vortrag an der Jahrestagung der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie schilderte die Tierärztin eindrückliche Beispiele aus ihrer Praxis. Wie jenes von Patient «Ecki». Seit einem Jahr schon bekam der Rauhaardackel ständig Antibiotika, aber sein hartnäckiger Schnupfen besserte sich nicht. Ecki hatte bereits eine Untersuchung im Computertomografen hinter sich, Blutanalysen sowie eine Gewebeentnahme im Innern der Nase. Schliesslich wollten es seine Besitzer mit Heilpflanzen versuchen. 

Nadig gab dem neunjährigen Rüden wenige Wochen lang zwei Präparate, die unter Komplementärmedizinern als «pflanzliche Antibiotika» gelten: eines mit Meerrettich und Kapuzinerkresse sowie eine Tinktur der Kapland-Pelargonie, einem ursprünglich aus Südafrika stammenden Strauch mit lila Blüten. Ausserdem erhielt Ecki täglich zwei Kapseln mit Eukalyptus-, Süssorangen-, Myrten- und Zitronenöl plus etwas Tinktur aus Schwarzem Holunder. Das sollte die Infektion eindämmen und das Nasensekret verflüssigen. «Nach zwei Wochen ging es Ecki deutlich besser. Nach drei Monaten musste er nur noch morgens und beim Spazierengehen einmal kräftig niesen», berichtete Nadig. Seit fünf Jahren ist der Hund nun gesund.  

Wie bringt man Hund zum Inhalieren?
Da es fast keine fertigen Präparate mit ätherischen Ölen für Kleintiere gebe, greife sie oft auf solche für Menschen zurück: Ein Zäpfchen für Babys mit Kümmel-Öl etwa hilft auch dem West-Highland-Terrier-Welpen, dem Blähungen Bauchschmerzen verursachen. Kapseln mit Sternanisöl, Primelwurzel- und Thymianextrakt, die Menschen bei Erkältung schlucken, setzt Nadig gegen Parasitenbefall beim Hund ein. 

Und pro Tag eine Kapsel Lavendelöl – beim Menschen gegen Angst und Unruhe zugelassen – beruhigt den nervösen Yorkshire Terrier mit Verdauungsproblemen. Ausserdem helfe das Lavendelöl – behutsam in die Scheide eingebracht – jungen Hündinnen mit Scheidenentzündungen. Zusätzlich gibt Nadig ihnen das Meerrettich- / Kapuzinerkresse-Medikament, Frauenmantel und weisse Taubnessel zum Einnehmen. So seien bei einer Scheidenentzündung keine Antibiotika nötig. 

Das gelte auch für den Junghund-Husten. «In all den Jahren habe ich vielleicht fünf Hunde erlebt, wo es so schlimm wurde, dass ich ein Antibiotikum verordnen musste.» Alle anderen kamen mit Heilpflanzen, Honig, Halsschal und Inhalationen über die Runden. Aber wie bringt man den Hund dazu, ätherische Öle zu inhalieren? 

Indem man zum Beispiel zusätzlich zum Öl ein Stückchen Leberwurst in den Inhalator steckt, rät die Tierärztin. «Oder Sie stellen das Inhaliergerät in den kleinsten Raum, etwa ins WC. Und dann sperren Sie den Hund dort eine Weile ein.» Ein Diffusor im Zimmer, ein Spray mit ätherischen Ölen fürs Hundebettchen oder ein selbst hergestellter Raumspray sind weitere Möglichkeiten. «Wichtig ist aber immer zu schauen: Was möchte das Tier? Und wovor ekelt es sich?», betont Nadig. 

Je nach Krankheitsbild, Alter und Abwehrkraft empfiehlt sie andere Kombinationen von Heilkräutern und ätherischen Ölen. Zur Auswahl stehen beispielsweise hustenreizlindernde Öle aus dem Lavendel oder Weihrauch. Oder schleimlösendes Eukalyptus-, Rosmarin- und Thymianöl. Oder auch antiinfektiv wirkendes Orangen- und Zitronenöl. 

Sei Inhalieren unmöglich, helfe entweder eine Nasensalbe mit ätherischem Öl oder ein Tropfen des Öls auf den Nasenspiegel. «Vor lauter Schreck atmen die Hunde dann ein.»

Häufig verwendet Nadig eigene Mischungen. «Ich kombiniere gern verschiedene ätherische Öle, um alle Keime zu erreichen.» Eines ihrer bewährten Rezepte sei ein Mix aus Lemongras-, Oregano-, Thymian- und Teebaumöl – «wobei man mit dem Teebaumöl bei Tieren mit empfindlicher Haut vorsichtig sein muss», schränkt sie ein. Das Öl des australischen Teebaums verursacht relativ leicht Allergien, vor allem, wenn es nicht mehr frisch ist, sondern bereits oxidiert. Auch beim Öl aus Bergbohnenkraut rät die Tierärztin zur Vorsicht. «An Schleimhäuten und Ohren juckt und reizt es oft.»

Seifen und Shampoos selbst herstellen
Kleine Hautinfektionen, etwa auf dem Nasenrücken, behandelt sie mit Hautöl, dem wenige Tropfen Korianderöl zugesetzt sind. Es beruhigt entzündete Haut, wirkt antibakteriell und schmerzlindernd und ist sehr hautverträglich. In ein Fläschchen Öl gibt Nadig drei bis vier Tropfen Korianderöl. 

Andere Möglichkeiten sind zum Beispiel, Haarseifen selbst herzustellen, Hundeshampoos mit ätherischen Ölen anzureichern, Bäder mit ätherischen Ölen oder vom Apotheker hergestellte Zäpfchen. Bei Analbeutelentzündung etwa verordnet Nadig oft ein Zäpfchen mit Hamamelis, Propolis, Majoran-, Lavendel- und ätherischem Manukaöl. 

In einem Punkt aber helfen auch die ätherischen Öle nicht: Oft ist der wahre Grund für eine Ohr- oder Hautentzündung nämlich eine Allergie gegen das Futter. Solange diese Ursache fortbesteht, kann die restliche Behandlung nicht zur Heilung führen.

www.smgp.ch

Literaturtipp: Alexandra Nadig, «Heilpflanzen für Hunde», Kosmos-Verlag, ISBN: 978-3-440-15606-3, ca. Fr. 38.–