Parson kratzt sich – und das schon die halbe Nacht. Der junge Kater sitzt auf dem Bett und scharrt mit seinem Hinterfuss im Fell hinter dem Kopf und schleckt sich mit seiner Zunge immer und immer wieder den Pelz. Seit Tagen ist die Wohnung mit Fellstückchen übersät. Heute steht ein Tierarztbesuch auf dem Programm. Die Befürchtung ist, dass Parson an einer Allergie leidet, von der man nicht weiss, was die Auslöser sind, und deren Behandlung Zeit, Geld und Nerven kostet. Zwar leidet nicht jede Katze mit Juckreiz an einer Allergie. Aber jede Allergie erzeugt Juckreiz.

«Juckreiz ist das Hauptsymptom einer Allergie bei Katzen», bestätigt Silvia Rüfenacht, Dermatologin der Tierklinik Aarau West. Weitere mögliche Symptome sind kahle Stellen, Hautrötungen und Krusten. Schuld an dem Debakel ist eine eigentliche Überreaktion des Immunsystems auf einen bestimmten Reiz von aussen. Diese allergieauslösenden Bestandteile nennt man Allergene.

Europaweit am häufigsten nachgewiesen werde die Flohspeichelallergie, sagt Rüfenacht weiter. Im Alltag sehe sie aber häufiger Futtermittelallergien und Umweltallergien (atopische Dermatitis). Für sie als Dermatologie-Spezialistin sei es sogar die häufigste Ursache, warum ein Büsi ihr vorgestellt werde. Aber auch übers Ganze betrachtet kämen Allergien bei Katzen oft vor – Tendenz steigend. Es gebe viele Erklärungen dafür, warum Allergien bei Katzen (wie beim Menschen übrigens auch) häufiger würden, sagt Rüfenacht. So lebten die Tiere beispielsweise näher bei uns: «Wir bemerken es so besser beziehungsweise es stört uns mehr, wenn sich die Katze zu oft leckt oder kratzt.»

Vielfältige Ursachen für Allergien
Beim Menschen und beim Hund habe man zudem zeigen können, dass unsere Lebensweise – vermehrt im Haus sein, eher in städtischen Gebieten leben, Luftverschmutzung – ein zusätzliches Risiko darstelle, eine Allergie zu entwickeln. Nicht zuletzt hätten die Tierärzte bessere Möglichkeiten, eine Allergie überhaupt zu diagnostizieren.

Die Allergene der Umweltallergie – verschiedene Hausstaub- und Vorratsmilben, Pollen von Pflanzen und Umgebungspilze – können mit Blutuntersuchungen (das Blut wird auf spezielle Antikörper untersucht) und Intrakutantests (verschiedene Allergene werden in die Haut der Katze gespritzt) nachgewiesen werden.

Steht die Diagnose Umweltallergie fest und sind die verantwortlichen Allergene gefunden, sollten diese vermieden und damit das Leiden des Patienten gelindert oder gar beseitigt werden. Das ist allerdings nicht einfach. Sind Blütenpollen verantwortlich, treten die Beschwerden immerhin «nur» vom Frühjahr bis Herbst auf. Staubmilben hingegen können ein Katzenleben ganzjährig erschweren. Das Entfernen von Teppichen und anderen Staubfängern und die Reinigung der Böden mit einem für Allergiker geeigneten Sauger kann helfen. Betroffene Tiere können auch desensibilisiert, das heisst mit regelmässigen, stark verdünnten Injektionen langsam an den betreffenden Stoff gewöhnt werden. Kennt man das verantwortliche Allergen nicht, bleibt als Therapieform nur die Reduktion der Symptome und des Juckreizes mit Medikamenten, die das Immunsystem regulieren.

Die ebenfalls häufig vorkommende Futtermittelallergie lässt sich mit den im Rahmen der Umweltallergie erwähnten Tests nicht nachweisen. Laut Rüfenacht gibt es zwar verschiedene Labore, die einen Blut-Test bei Futtermittelallergie anbieten. Dieser sei aber nicht gut genug, dass sie den Resultaten trauen könnten. Die von der Jahreszeit unabhängige Hauterkrankung mit intensivem Juckreiz kann spontan auftreten und muss nicht zwingend mit einem Futterwechsel zusammenhängen.

Im Vergleich zu Katzen mit anderen Allergien haben die betroffenen Tiere häufiger Hautveränderungen im Kopf-Nacken-Bereich und Magen-Darm-Beschwerden. Eine Diagnose kann laut Rüfenacht nur über einen Fütterungsversuch mit Eliminationsdiät gesetzt werden. Bei dieser Diät wird beseitigt, was Probleme machen könnte. Sie besteht aus im bisherigen Futter nicht enthaltenen Proteinen und Kohlenhydraten und muss unbedingt acht bis zehn Wochen strikt eingehalten werden. Schon ein kleiner Snack von den Nachbarn macht die Diät zunichte. Bei Katzen mit Freigang ist die Therapie entsprechend schwierig durchführbar.

Ganzjährige Flohprophylaxe
Wird die Diät erfolgreich durchgeführt und nehmen die Allergie-Symptome deutlich ab, wird eine Futterallergie stark vermutet. Die definitive Diagnose Futterallergie wird gestellt, wenn nach der Besserung der Symptome mit der Eliminationsdiät eine Verschlimmerung auftritt, wenn wieder das «alte» Futter gegeben wird. So kann unterschieden werden, ob die Verbesserung der Symptome wirklich durch das Futter beeinflusst wurde oder durch Zufall.

Nach Abschluss der Eliminationstherapie werden nach und nach die gängigen Inhaltsstoffe zugefüttert, um herauszufinden, welcher Stoff der Auslöser ist. Sind Gut und Böse bekannt, wird ab diesem Zeitpunkt nur noch gefüttert, was die Katze verträgt. «Das darf auch selbst gekocht oder von verschiedenen Futterfirmen sein», sagt Rüfenacht: «Wichtig sind die Inhaltsstoffe, die passen.»

Die Flohspeichelallergie schliesslich zeigt sich durch viele kleine, über den Körper verteilte Krusten. Es gibt auch Katzen, die sich ganze Körperstellen blutig kratzen. Die Unterscheidung, ob sich eine Katze kratzt, weil sie unter Flohbefall leidet oder aber wegen einer Flohspeichelallergie, ist nicht einfach. Laut Rüfenacht findet man beim «normalen» Flohbefall Flöhe auf dem Tier, wobei der Juckreiz im Verhältnis zur Anzahl der Flöhe mässig ist. Bei der Flohspeichelallergie hingegen sei der Juckreiz stark und es würden meist keine Flöhe auf der Katze gefunden. Die Therapie besteht darin, sämtliche im Haushalt lebenden Katzen mit Flohmittel zu behandeln. Für die betroffene Katze wird anschliessend eine ganzjährige Flohprophylaxe empfohlen.

Kratz-Kater Parson ist inzwischen vom Tierarztbesuch zurück. Die Diagnose: Flohbefall. Wobei das Verhältnis Floh/Juckreiz auf eine Flohspeichelallergie schliessen lässt. Er wird nun mit Flohmittel behandelt.