Im ersten Moment wirkt es absurd: Den Katzen sollte man die Zähne putzen. Doch das Motiv ist ernst. Denn an den Zähnen bildet sich Zahnbelag, sogenannter Plaque. Darin sind meistens auch Bakterien enthalten. Diese nisten sich am Zahn ein, breiten sich aus und greifen das Zahnfleisch an. Dort verursachen sie Infektionen und Entzündungen. Bei uns Menschen ist das nicht anders – darum putzen wir uns mehrmals täglich die Zähne.

Oft bleibt es nicht bei den Infektionen. Plaque kann auch Krankheiten auslösen, zum Beispiel die chronische Gingivitis. Dabei werden vor allem Zahnfleisch und Gewebe angegriffen. «Eine sehr aggressive und schmerzhafte Krankheit», sagt der Tierarzt Philippe Roux, der sich in Lausanne auf Zahnheilkunde spezialisiert hat. Ist die Krankheit schon weit fortgeschritten und hat sie beispielsweise die Wurzeln angegriffen, bleibt oft nichts anderes übrig, als die betroffenen Zähne zu ziehen – auch wenn es alle sein sollten.

Besser keine als schlechte Zähne: Auch ohne kommt die Katze gut zurecht
An der Zahnoberfläche fliesst kein Blut. Darum hat hier das Immunsystem keine Wirkung. Bakterien können sich ungehemmt einnisten und Unheil anrichten, solange nichts gegen sie unternommen wird. Fehlen die Zähne allerdings, siedeln sich die Bakterien im Mund an und werden später vom körpereigenen Abwehrsystem bekämpft. Das heisst, selbst wenn die Katze zahnlos ist, geht es ihr damit besser, als mit zerstörten Zähnen. «In der Natur würde das nicht klappen», sagt Roux. «Aber mit dem heutigen Futter kommt die Katze gut zurecht.» Selbst Trockenfutter könne oft unzerkaut hinuntergeschluckt werden, Nassfutter sowieso.

Besser als Heilen ist jedoch Vorbeugen. Eine Katze, die bereits an einer Entzündung oder Krankheit leidet, sollte einmal täglich vom Halter behandelt werden. Roux empfiehlt dafür Wattestäbchen: Mit etwas Wasser oder Mund-Desinfektionsmittel beträufeln und an die Zähne heranführen. «Vor allem die oberen Zähne und die Aussenseite müssen gut geputzt werden», sagt der Zahnspezialist, «denn diese Stellen sind bei der Katze am häufigsten betroffen.» Er rät, bereits Jungtiere an das Zähneputzen zu gewöhnen, so habe man es später, wenn das Tier älter werde und mehr Pflege brauche, einfacher. Futter, das die Zähne pflegt, mag eine Unterstützung sein, aber: «Es wirkt nicht so gut wie Zähneputzen», sagt Roux. Dennoch ist es besser als gar nichts.

Starker Mundgeruch ist Anzeichen für eine Entzündung des Zahnfleisches
Der jährliche Kontrolltermin beim Tierarzt hilft dabei, anschleichende Zahnprobleme zu bemerken. Ist das Zahnfleisch noch nicht allzu stark angegriffen und der Halter bereit, künftig die Zähne seiner Mieze täglich zu putzen, kann Schlimmeres verhindert werden. Eine Zahnsteinentfernung einmal jährlich unterstützt die Pflege. Mit Ultraschall wird dabei der Zahnstein regelrecht weggesprengt, die Katze liegt dafür in Vollnarkose.

Schwere Gebiss-Schäden bemerkt man an einem starken Mundgeruch, also dann, wenn das Zahnfleisch bereits entzündet ist. Frisst das Tier und rennt dabei plötzlich unvermittelt weg, weist das ebenfalls darauf hin, «dass im Mund etwas nicht stimmt», so Roux. Zahnfleischentzündungen entstehen aber nicht nur durch zu wenig Pflege. Bei manchen Katzen liegt es auch in den Genen. Anfällig sind zum Beispiel Jungtiere der Rassen Maine Coon und Norwegische Waldkatze.