Als der Bundesrat vor ein paar Jahren die alternativen Heilmethoden aus dem Grundversicherungskatalog der Krankenversicherung strich, hatte er die Rechnung ohne das Volk gemacht. Fast 70 Prozent der Bevölkerung verlangten via Stimmzettel, diesen Entscheid zurückzunehmen. Auch wenn das bis jetzt nur in Form eines Provisoriums bis Ende 2017 geschehen ist, hat die Abstimmung deutlich gezeigt, dass sehr viele Menschen im Krankheitsfall nicht mehr nur auf die schulmedizinische Behandlung setzen. Und was für die Menschen gilt, gilt auch für ihre Tiere. 

Es gebe im veterinärmedizinischen Bereich einen deutlichen, nach wie vor steigenden Trend hin zu alternativen Behandlungsmethoden, sagt Susanne Stocker, Präsidentin von «camvet.ch», der Fachsektion für Komplementär- und Alternativmedizin innerhalb der Gesellschaft Schweizerischer TierärztInnen (GTS). «Hat ein Tierhalter für sich selbst positive Erfahrungen mit einer komplementären Heilmethode gemacht, so möchte er diese auch bei seinem Tier anwenden.» 

Grundsätzlich. Denn die Methode, die der Halter für sich bevorzugt, eignet sich womöglich nicht für sein Tier. «Nicht alle Katzen lassen sich beispielsweise Nadeln gefallen», sagt Stocker, die sich auf Akupunktur und TCM, die traditionelle chinesische Medizin, spezialisiert hat. Aber nicht nur der praktische Aspekt ist bei der Wahl der Methode wichtig, «die Wirksamkeit einer Therapieform steht und fällt mit der richtigen Diagnose».

Deswegen würden die naturheilkundlichen Methoden keineswegs die konventionellen tierärztlichen Untersuchungen überflüssig machen oder ersetzen. Aus diesem Grund spricht man bei der camvet.ch lieber von «Integrativer Medizin». Stocker zitiert die Weltgesundheitsorganisation WHO, die das kategorische Ausschliessen bestimmter alternativer Heilmethoden als ärztlichen Kunstfehler bezeichne. «Aber einzig auf der alternativen Schiene zu beharren, wäre genauso ein Kunstfehler.» 

Fertigmischungen sind keine Lösung
Jede Methode habe ihre Stärken und Schwächen, sie zu kennen und dementsprechend zu handeln sei entscheidend. «Wenn bei einer kranken Katze innert nützlicher Frist der Erfolg mit einer alternativen Heilmethode ausbleibt, dann wäre es verantwortungslos, weiterhin auf dieser Methode zu beharren.» Genauso habe die Schulmedizin ihre Grenzen, sodass der Wechsel zu einer alternativen Methode sinnvoll sein könne.

Susanne Stocker begegnet dem Titel «Tierheilpraktiker» mit einer gewissen Zurückhaltung. Diese Berufsbezeichnung ist bis jetzt kein geschützter Titel, sodass sich praktisch jeder Tierheilpraktiker nennen darf. Für die Tierbesitzer sei es schwierig oder gar unmöglich, die gut ausgebildeten Tierheilpraktiker von den im Schnellverfahren ausgebildeten zu unterscheiden. «Tierärztinnen und -ärzte mit einer Zusatzausbildung in einem komplementären Fachgebiet profitieren von einem breiten universitären Grundwissen und können im Allgemeinen die Grenzen der verschiedenen Heilmethoden besser einschätzen.» Das erlaube es den Tierärzten, die Tierbesitzer umfassend beraten zu können. 

Fixfertige Bachblüten- oder Schüsslersalzmischungen aus dem Zoofachhandel empfiehlt Stocker eher nicht. «Diese Konzepte können ihre unterstützende Wirkung nur entfalten, wenn sie in der Zusammensetzung individuell auf das Tier und sein Leiden abgestimmt werden. Zudem sind eine Überprüfung der Haltung sowie eine ausführliche Beratung sehr wichtig.»

Und was antwortet Stocker den Skeptikern, die die Wirksamkeit von Homöopathie und Co. ohnehin einzig auf den Glauben an die Methode zurückführen? Tiere können ja nicht glauben …«Es hat wahrscheinlich schon einen positiven Effekt auf das Büsi, wenn seine Halterin daran glaubt. Aber letztlich ist unwichtig, weshalb eine Methode wirkt – Hauptsache, sie wirkt!»

www.camvet.ch