Katzenaids gehört zu den meistgefürchteten Krankheiten unserer Stubentiger und ist weltweit verbreitet. Als Grundregel gilt: Je mehr Streuner in einer Region leben, desto mehr infizierte Tiere gibt es. Untersuchungen auf dem Forum Romanum in Rom haben gezeigt, dass dort durchwegs alle Samtpfötchen mit FIV angesteckt sind. Auch deshalb ist höchste Vorsicht geboten, wenn jemand ein Tier aus den Ferien mit nach Hause nehmen will. In der Schweiz, Österreich und Deutschland gehen Experten davon aus, dass etwa drei Prozent aller Katzen betroffen sind. 

Die Ansteckung mit FIV ist durch den Deckakt möglich, meistens passiert sie aber über das Blut. Der Nackenbiss des Katers, typisch für den Paarungsakt oder beim Kampf, wird deshalb sogar gefährlicher eingestuft als die Paarung selbst. Daher sind rauflustige, unkastrierte Kater insgesamt am stärksten gefährdet, ihr Anteil bei den FIV-positiven Tieren liegt bei 80 Prozent. Eine FIV-Infektion, beziehungsweise Katzenaids hat einen dem menschlichen Aids nicht unähnlichen Verlauf, und die klinischen Symptome werden meist nicht durch das Virus selbst, sondern durch Folgeerkrankungen des immungeschwächten Körpers verursacht. 

Phasen ohne Krankheitssymptome
Nach der Ansteckung beginnt die erste von vier Phasen. Sie heisst «Initialphase». Meistens wird sie von den Besitzern gar nicht bemerkt, denn die Tiere verhalten sich ganz normal. Bei gezielten Untersuchungen stellte sich heraus, dass sie manchmal ganz leichtes Fieber hatten oder geschwollene Lymphknoten. Nichts, was ein Grund zu grosser Sorge wäre. Nach ein paar Wochen beginnt die «Latenzphase». Auch jetzt treten keinerlei Krankheitssymptome auf. Sie kann über Jahre gehen und noch immer ahnt niemand, welch bedrohliches Virus in der Katze schlummert. Der Stubentiger führt ein beschwerdefreies Leben.

Phase 3 ist jene der «unspezifischen Symptome». Plötzlich passieren komische Dinge gleichzeitig. Das Tier wirkt schlapp, es bekommt immer wieder Fieber, mag nichts fressen, verliert darum stark an Gewicht, ändert sein Verhalten, hat Entzündungen im Maul und leidet unter Blutarmut. So kann es monatelang gehen. Schliesslich bricht das Immunsystem komplett zusammen und die «terminale Phase» beginnt. Nun spielen die Nerven nicht mehr mit, es wachsen Tumore, die Katze steckt sich mit weiteren Krankheiten an, sie stirbt. Im Durchschnitt leben infizierte Tiere noch etwa fünf Jahre.

Aber das gilt nicht für jede infizierte Samtpfote. Es gibt auch solche, die nie schwer krank werden. Ein positiver FIV-Test ist darum keineswegs ein Grund zur sofortigen Panik oder gar zum Einschläfern. Die tierischen Patienten dürfen auch weiterhin mit anderen Katzen zusammenleben. Voraussetzung: Die Gruppe lebt friedlich zusammen, trägt zumindest keine blutigen Kämpfe aus. Dann ist das Ansteckungsrisiko für die anderen Katzen gering. Die gemeinsame Benutzung von Futternäpfen oder Schlafplätzen ist ungefährlich. Auch der Mensch kann das Virus nicht weiterschleppen. Studien haben gezeigt, dass ein Leben nur im Haus oder in der Wohnung die Lebensdauer deutlich verlängert.

Manche der betroffenen Kätzchen sind allerdings besonders arm dran und haben eine äusserst schlechte Prognose. Es handelt sich dabei um jene Katzenkinder, die sich bereits im Mutterleib oder über die Muttermilch mit dem Virus infizieren. Ihre Überlebenschancen sind gering. 

«Cheeto» lebt seit Jahren mit FIV
Idealerweise sollte der FIV-Status jeder Katze bekannt sein. Vor allem ist ein Test beim Tierarzt dann wichtig, wenn es sich um ein gerettetes Kätzchen aus dem Ausland handelt. Ein Beispiel aus der Praxis: Das Ehepaar Sattler hat den vergangenen Winter, so wie schon viele Winter zuvor, in Griechenland verbracht. Heuer hatte sich auf der Terrasse ihres Appartements regelmässig Besuch eingestellt. Ein rotes Katerchen, offensichtlich noch recht jung, kam Tag für Tag vorbei. Frau Sattler gewährte dem Gast anfangs nur ein paar Streicheleinheiten, aber es dauerte nicht lang und sie kaufte das erste Mal Katzenfutter ein. Der kleine Herzensbrecher dankte es, indem er sich gar nicht mehr weiter als 20 Meter vom Haus entfernte. Das Katerchen im Frühling allein zurücklassen? Nein – das war für die Sattlers bald klar.

Sie statteten dem ortsansässigen Tierarzt mehrere Besuche ab. Der Kleine wurde auf Parasiten untersucht, entwurmt, nach den Schweizer Einreisebedingungen geimpft, bekam einen Mikrochip und einen Heimtierausweis. Und man taufte ihn auf den Namen «Cheeto». Daheim angekommen gab es abermals einen Besuch beim Tierarzt. Er schlug vor, den Kleinen auf FIV testen zu lassen. Der erste Test war positiv, ein zweiter, der zur Sicherheit zusätzlich gemacht wurde, bestätigte die Infektion. Doch die Sattlers hatten Glück: «Cheeto» liess sich reibungslos an Einzelhaltung in der Wohnung gewöhnen. Er steckt also keine anderen Katzen an und schont auch sein eigenes Immunsystem. Selbst die Kastration hat er gut verdaut. Seit mittlerweile fünf Jahren lebt er fröhlich sein Dasein in den vier Wänden. Aber es hätte auch anders ausgehen können.

Schutzmassnahmen sind bis heute schwierig, denn es gibt fünf verschiedene Untertypen des Felinen Immundefizienzvirus, benannt von A bis E. An der Entwicklung einer Impfung arbeiten Forscher weltweit mit Hochdruck. Auch, weil sich Rückschlüsse für eine Impfung gegen HIV beim Menschen ziehen lassen könnten. Bislang ist US-Wissenschaftern ein erster Ansatz gelungen. Der Impfstoff hat aber den Nachteil, dass im Blut der Katze nicht unterscheidbar ist, ob es sich um eine geimpfte oder tatsächlich um eine erkrankte Katze handelt. Ausserdem ist unklar, ob der bisher im Labor getestete Impfstoff auch im echten Leben wirksam ist. Immerhin: Vor dem Untertyp A soll der Impfstoff schon zu 82 Prozent schützen.