Wenn Katzen schlafen, so völlig in sich versunken, wirkt das auf Menschen anziehend und anrührend. Leise hebt sich dann der pelzige Brustkorb. Der Atem geht langsam und regelmässig. Unwillkürlich zuckt es in den Fingern, einer schlafenden Katze über das Fell zu streicheln. Und manches Tier dreht sich dabei auf die Seite und zeigt dem vertrauten Menschen sogar den Bauch, während es scheinbar weiterschläft oder döst.

So verführerisch es auch sein mag, eine schlafende Katze zu berühren und zu streicheln, sollten Menschen ihr doch diesen Ruheplatz lassen und sie dort auf keinen Fall bedrängen. «Jede Katze braucht einen sicheren Rückzugsort, einen Platz, an dem sie sieht, aber nicht gesehen werden kann», sagt Anneli Muser Leyvraz, Tierärztin und Präsidentin der Schweizerischen Tierärztlichen Vereinigung für Verhaltensmedizin (STVV). Erhöhte Plätze sind bei den Tieren denn auch besonders beliebt, weil sie gleichzeitig Überblick und Sicherheit versprechen. Gerne angenommen werden auch «Höhlen», etwa in Kleiderschränken oder Regalen, die mit einer Decke ausgepolstert sind. Und nicht zuletzt sind – gerade im Winter – Ruheplätze vor oder neben einer Heizung beliebt. Katzen mögen es warm – vielleicht ein Erbe ihrer afrikanischen Vorfahren.

Im Durchschnitt schläft eine erwachsene Katze innerhalb von 24 Stunden bis zu 16 Stunden. Dies entspricht etwa doppelt so viel Schlaf, wie wir Menschen benötigen. «Ja, Katzen schlafen tatsächlich viel», bestätigt Muser Leyvraz. Und das tun sie, obwohl oder  – besser gesagt – gerade weil sie sehr aktive Tiere sind. «Um Beute zu machen, muss eine Katze rund zehn Versuche unternehmen. Sie muss sich konzentrieren, anschleichen, losspringen, zupacken – das alles kostet Kraft und Kalorien und muss kompensiert werden», sagt die Tierärztin. Im Schlaf füllen die Beutegreifer ihr Energiereservoir wieder auf, sie tanken Kraft für die nächste Jagd.Dasselbe gilt für Hauskatzen, obwohl diese kaum einmal einer rechten Maus nachjagen. Denn auch wenn sie nur ihrem Lieblingsspielzeug nachstellen, das Ergebnis bleibt gleich: Die Katze braucht sehr viel Energie.

Flucht in den Schlaf
Ungesund wird es, wenn die Katze den angeborenen Drang nach Bewegung und Beutefang nicht ausleben kann. Dann drohen nicht nur Frustration, sondern möglicherweise auch Depression oder/und Rückzug in den Schlaf. Muser Leyvraz: «Was bleibt einem Tier auch anders übrig, wenn der berufstätige Halter viele Stunden ausser Haus zubringt und, selbst wenn er zu Hause ist, nicht viel Zeit für die Beschäftigung mit seinem Tier aufbringen kann?»

Als dämmerungsaktive Tiere würden Katzen eigentlich in der Morgen- und Abenddämmerung auf die Jagd gehen, dementsprechend verzeichnet ihr Aktivitätsmuster hier auch zwei Höhepunkte – selten zur Freude des Menschen, der in den Morgenstunden selbst schlafen möchte. «Die Tiere können sich in vielen Fällen dem Lebensrhythmus ihres Halters anpassen, aber sie brauchen dennoch unbedingt die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse auszuleben, aktiv zu werden und sich tiergerecht zu beschäftigten», appelliert die Verhaltensmedizinerin.

So kann es durchaus auch ein Warnsignal sein, wenn eine Katze nur schläft und nicht spielen will. Ob sich die Tiere aus Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten in sich selbst zurückziehen oder ob sie eine organische oder altersbedingte Erkrankung haben, könne nur der Tierarzt abklären, sagt Muser Leyvraz.

Nicht zuletzt kann Schlafen auch ein Stresssymptom sein: Wenn sich ein Tier Platz und Revier mit vielen anderen Artgenossen teilen muss oder unter schlechten Haltungsbedingungen lebt, kann es sein, dass es den Kontakt zur Aussenwelt abbricht, indem es sich in den Schlaf flüchtet.

Träumen Katzen von Mäusen?
Dass Katzen im Winter grundsätzlich mehr schlafen, wird zwar gerne behauptet, trifft laut Schlafforscherin Irene Tobler, die lange am Institut für Pharmakologie der Universität Zürich gelehrt hat, aber nicht zu. Während Licht beim Menschen aufweckend wirke, hänge es beim Tier davon ab, ob es tag- oder nachtaktiv ist. «Es ist unwahrscheinlich, dass unsere Katzen deutliche saisonale Unterschiede in ihrer Schlafmenge aufweisen», so Tobler. «Aber sicherlich gibt es je nach Haltung grosse individuelle Unterschiede.»

Was aber passiert nun, wenn Katzen schlafen? «Im Schlaf ist der Körper mehrheitlich bewegungslos, mit Ausnahme von Änderungen der Körperstellung und vereinzelten Zuckungen. Dabei ist das sogenannte ‹parasympathische Nervensystem› aktiv, das den ganzen Körper auf Ruhe steuert», erklärt Irene Tobler. Charakteristisch sei, dass sich im Hirn typische Abfolgen von Wellen unterscheiden liessen, die als Non-REM- und REM-Schlaf bezeichnet würden (REM: «Rapid Eye Movement»).

Wer seine Katze beim Schlafen beobachtet, sieht, dass sie nicht selten leise Geräusche macht oder mit den Pfoten und den Tasthaaren zuckt. Manch ein Katzenhalter liest aus diesen Bewegungen, dass sein Tier träumt und dabei die Erlebnisse des Tages verarbeitet. Schliesslich gilt der REM-Schlaf als Phase der Träume. Und der wurde bei der Katze ja – wie zuvor erwähnt – nachgewiesen.

Schlafforscherin Tobler zeigt sich skeptisch. «Der REM-Schlaf ist nicht einfach der Traumschlaf», stellt sie klar. «Menschen berichten etwa aus allen Schlafphasen über Trauminhalte. Solange wir keine besseren Nachweismethoden haben, kommen wir mit unserem Wunschtraum, den Tieren das Träumen anzudichten, nicht weiter.»