H unde erlernen Kunststückchen, Seelöwen, Elefanten und Pferde auch. Aber Katzen? Lassen die sich überhaupt etwas beibringen? Viele Menschen würden mit einem kategorischen Nein antworten. Doch: «Das Verhalten einer Samtpfote besteht zum einen aus angeborenen, zum anderen aus erworbenen, also erlernten Abläufen», erklärt Birgit Rödder, Biologin und Expertin für Katzenverhalten. Was die Katzen zum Beispiel nicht lernen müssen, sondern mit auf die Welt bringen, ist etwa das Miauen, das Fauchen, das Schnurren. Aber auch diese angeborenen Verhaltensweisen werden trainiert, verfeinert und den verschiedenen Situationen angepasst.

In den ersten Lebenswochen lernen die jungen Katzen ungeheuer viel über das Leben, die Umwelt und ihre Mitbewohner. «Wir sprechen hier von prägungsähnlichen Vorgängen», so Rödder. «Denn die Welpen saugen Informationen auf wie ein Schwamm und das Gelernte bleibt für lange Zeit fest verankert.» Im weiteren Leben lernen Katzen grundsätzlich nicht anders als andere Tiere auch. Und sie tun es immer dann besonders gut und schnell, wenn ihr Handeln von Erfolg gekrönt wird. Also wenn sie das erreichen, was sie sich in den Kopf gesetzt haben. 

Schnell begriffen, wann es Futter gibt
Sind die Miezen also Opportunisten? «Ich würde sagen, sie sind Pragmatiker.» Birgit Rödder beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem komplexen Lernverhalten von Katzen und weiss, dass längst noch nicht alles wirklich erforscht ist. Dass die klugen Samtpfoten sehr schnell lernen, wenn etwas für sie rausspringt, das kann jeder Katzenbesitzer bestätigen, der seinem Liebling einmal ein Stückchen Wurst vom Tisch hat fallen lassen. Interessant, wie subito die Katze begriffen hat, wo diese Leckereien herkommen. Aber lästig, dass sie nun ständig bettelt, oder?

Viele Katzenhalter kennen auch diese Futterrituale: Das Büsi geht immer zu einer bestimmten Uhrzeit in die Küche und macht dort unmissverständlich klar, dass nun eine Mahlzeit angesagt ist. Die einen miauen zarter, die anderen lauter, wieder andere springen auf den Tisch oder die Arbeitsplatte oder streichen ihren Menschen intensiv um die Beine. «Sie haben schlicht gelernt, dass dieses Verhalten bisher belohnt wurde – weil wir es meist putzig finden», erklärt Birgit Rödder. 

Aber irgendwann kann auch Niedliches aufdringlich und störend wirken. Denn wenn dieses Verhalten einmal nicht oder nicht schnell genug zum Ziel führt, dann verstärken die Tiere ihr Drängen noch. Letztlich ist das Ganze – wenn auch unbeabsichtigt – nichts anderes als eine sogenannte «operante Konditionierung». Also Lernen, bei dem ein bestimmtes Verhalten des Tieres durch Belohnung des Menschen intensiviert und gefestigt wird.

«Die Verknüpfung ist das alles Entscheidende», sagt die Katzenexpertin aus Deutschland. So wird aus dem neutralen Transportkorb ein Ort des Schreckens, wenn das Büsi zum ersten Mal darin zum Tierarzt gebracht wurde und damit Angst oder Schmerzen verbindet. Die Tiere lernen sehr schnell Signale, die besonders unangenehme Situationen ankündigen, und im Extremfall kann es sogar sein, dass eine einmalige Konfrontation – das «one-trial-learning» – zu Angst- und Flucht-Reaktionen führt. 

Manche Katzen reagieren äusserst schreckhaft und ängstlich auf das Geräusch der Türklingel. Sie haben offensichtlich gelernt, dass dieses Geräusch etwas Unangenehmes oder Angsteinflössendes ankündigt. «Angst aber blockiert kreative Problemlösungen», sagt Rödder. Da hilft nur, das Tier an das Geräusch zu gewöhnen und ihm beizubringen, dass nichts Schlimmes passiert. «Etwa, indem man den angsterregenden Reiz in geringerer Stärke präsentiert und dann langsam steigert», so ein Vorschlag der Expertin. «Wenn das nicht möglich ist, dann sollten die vertrauten Menschen selbst häufiger an der Tür klingeln, damit die Katze lernt, dass danach nichts Furchtbares geschieht.» 

Klare Signale helfen beim Lernen
Die Katze soll lernen, nicht auf die heisse Herdplatte zu springen oder nicht an den Tapeten zu kratzen? «Dann sollte der Mensch sehr schnell ein eindeutig abschreckendes Signal geben», sagt Birgit Rödder. Aber Achtung: Die Belohnung dafür, dass das Tier das unerwünschte Verhalten aufgibt und sich dem Menschen zuwendet, sollte dagegen ein wenig verzögert werden. «Wer seine Katze davon abhalten will, die schöne Tapete zu zerstören, indem er ihr jedesmal ein Leckerchen zuwirft, der bringt ihr letztlich nur bei, dass sie für das Kratzen belohnt wird», warnt sie. 

Grundsätzlich dauert die Verknüpfung mit positiven Reizen etwas länger als mit negativen. Tut die Katze etwas, was mit Zuwendung oder Futter belohnt wird, dann sind manchmal etliche Wiederholungen nötig, bis das neue Verhalten fest verankert ist. Genau wie beim Pawlowschen Hund macht sich auch das Klickertraining im ersten Schritt die «klassische Konditionierung» als Lernmethode zu eigen. Dabei wird aus einem ursprünglich neutralen Reiz, also dem Geräusch des Klickers, der immer gleichzeitig mit einer Belohnung angeboten wird, ein konditionierter Reiz. Das heisst, die Katze reagiert irgendwann allein auf den Klick und nimmt ihn als Belohnung wahr.

Erfüllte Aufgaben machen zufrieden «Es geht ja nicht darum, die Katze zu dressieren oder ihr zu unserer eigenen Belustigung etwas beizubringen», sagt die deutsche Tierpsychologin. Letztlich sei Klickertraining nichts anderes als Betteln auf hohem Niveau, meint sie, «nur dass dabei ein paar Bedingungen eingefügt wurden». Tricks, wie High-Five, Slalom laufen um die Beine oder Hütchenspiele sind gute Beschäftigungsmöglichkeiten für unterforderte Stubentiger.  Aber auch aktive Freigänger haben Spass daran, denn sie werden dabei nicht nur durch Bewegung, sondern hauptsächlich durch Denken gefördert und gefordert. Jede gemeisterte Aufgabe ist ein Erfolgserlebnis und erhöht die Zufriedenheit, das Gefühl, etwas erreicht zu haben. «Das sollten Katzenhalter ihrem Tier immer wieder gönnen», appelliert Birgit Rödder.

Birgit Rödder hat die Katzen-Clicker-Box entwickelt. Darin enthalten sind ein Clicker, eine Einführung und Trainingskarten mit praktischen Übungen für alle tierisch-menschlichen Lebenslagen: Birgit Rödder, «Katzen-Clicker-Box», Verlag: Gräfe & Unzer, ISBN: 978-3-8338-3592-6, ca. Fr. 22.–