Gonzo mag es gar nicht, ausgestreckt und an allen vier Pfoten festgehalten dazuliegen. Als ihm dann noch eine fremde Frau die Haare auf der Brust rasiert und ihn mit etwas Kaltem und Glitschigem einschmiert, zuckt er zusammen und versucht sich vehement loszureissen. Da ihn aber zwei Arzthelferinnen in der Zange haben und Frauchen ihm gut zuredet, gibt er seinen Widerstand rasch auf und lässt die Prozedur über sich ergehen. Nach einer guten Viertelstunde hat der Britisch-Kurzhaar-Mix die Herzuntersuchung per Ultraschall überstanden. Doch nach der Echokardiografie ist vor der Echokardiografie. Denn der Kater leidet an der hypertrophen Kardiomyopathie, kurz HCM, und muss regelmässig durchleuchtet werden.

Noch merkt man dem Tier allerdings nicht an, dass Teile seines Herzmuskels verdickt sind, dass der Hohlraum seiner linken Herzkammer kleiner wird und irgendwann kaum noch Blut fassen wird. Auch die typischen Symptome, wie wenig Appetit, sich in dunkle Ecken zurückziehen, geringe Anteilnahme an seiner Umgebung und am Geschehen sowie eine schnellere Atmung, sind bei ihm noch nicht präsent. Das einzige winzige Detail, das anders ist als bei gesunden Katzen, ist ein ungewöhnliches Herzgeräusch. Dieses kurze Rauschen zwischen den natürlichen Herztönen kann harmlos sein, sollte aber untersucht werden. 

In Gonzos Fall bestätigte sich nach einer Echokardiografie der Verdacht. Nun heisst es: Beobachten. Denn je weniger Blut die Herzkammer fassen kann, desto schneller muss das Herz schlagen, um die gleiche Menge an Blut wie zuvor zu befördern. Die höhere Schlagfrequenz wiederum lässt den Herzmuskel weiter anschwellen – ein Teufels­­­kreis, der mit Medikamenten höchstens verlangsamt werden kann. Zudem kommt es gleichzeitig zu einem Sauerstoffmangel im Herzmuskel selbst. Mögliche Folgen sind Thrombosen mit nachfolgenden Lähmungserscheinungen oder ein plötzlicher Herztod. 

Weitere Formen
Neben der hier beschriebenen und am meisten vorkommenden hypertrophen Kardiomyopathie, gibt es noch drei weitere, erworbene Formen der Erkrankung des Herzmuskelgewebes: die restriktive, die unklassifizierte und die dilatative Kardiomyopathie. Die restriktive Kardiomyopathie (RCM) ist die zweithäufigste Herz-erkrankung und noch schwerer zu erkennen als die hypertrophe Form. Hierbei verliert der Herzmuskel seine Elastizität, er versteift sich regelrecht, sodass sich das Herz nicht mehr ausreichend mit Blut füllen kann. Bei der unklassifizierten Kardiomyopathie (UCM) sind die Gründe, warum das Herz nicht mehr genügend Blut in den Körper pumpen kann und sich im Lungenkreislauf staut, dagegen unklar. Bei der dilatativen Kardiomyopathie (DCM) verliert der Herzmuskel seine Kontraktionskraft, er leiert aus und kann dadurch nicht mehr ausreichend gut pumpen, sodass ebenfalls zu wenigBlut in den Körper gelangt. DCM ist durch die Taurin-Beigabe der kommerziellen Katzenfutter kaum noch anzutreffen und kommt fast nur noch als Spätfolge der anderen Herzerkrankungen vor.

Von einem Tag auf den anderen
Das Tückische ist, dass die Beschwerden in den meisten Fällen sehr abrupt auftreten. Mitunter sind es stressige Ereignisse wie Unfälle oder Operationen, die sie ans Tageslicht befördern, mitunter erscheinen sie einfach so und völlig unerwartet von einem Tag auf den anderen. Dies spiegelt sich auch bei den Patienten des Zürcher Tierspitals wider. Die Tiere, die mit einer Thrombose der Hauptschlagader eingeliefert wurden, galten vorher zu etwa neunzig Prozent als klinisch normal. Das Vorliegen einer Herzerkrankung war lediglich bei zehn Prozent von ihnen bekannt. 

Mit dieser Erkrankung steht Kater Gonzo allerdings nicht allein da – die HCM gilt als häufigste Herzerkrankung bei Katzen. Sie gehört zu den sogenannten erworbenen Krankheiten, was bedeutet, dass die Krankheit bei Geburt noch nicht vorhanden war. Rund 90 Prozent aller Herzkrankheiten bei Katzen sind erworben. Und davor gefeit ist niemand. Oft trifft es sogar Kater im besten Alter und in guter Kondition – wie den vierjährigen Gonzo. Warum? Das vermag bislang niemand zu beantworten. 

Da sich aber die Symptome verschiedener Herzkrankheiten sehr ähneln, warnt Tony Glaus, Leiter der Abteilung für Kardiologie am Tierspital Zürich, vor einer vorschnellen Diagnose: «Nicht alles, was aussieht wie eine HCM, ist eine HCM.» Laut Glaus kann die Verdickung der Herzwand auch andere und oft vor allem behandelbare Ursachen haben wie etwa eine Myokarditis, eine Herzmuskelentzündung, oder eine Hyperthyreose, eine Überfunktion der Schilddrüse. Auch Hormonstörungen, Gifte oder die recht häufigen Nierenschäden bei älteren Katzen können das Herz schädigen. All das und mehr sollte vor einer endgültigen Diagnose abgeklärt werden.

Die Therapie ist im Fall einer echten HCM – wie bereits erwähnt – nur eine Verlangsamung des Prozesses. Eine Heilung gibt es nicht. Doch um dem Sofalöwen das Leben etwas erträglicher zu machen, stehen dem Tierarzt unterschiedliche Wirkstoffe zur Verfügung, die es auszuloten gilt. Denn jede Katze reagiert anders, sodass es nicht das eine Medikament für alle gibt. Wer unterstützend zur klinischen Therapie auch zu Hause das Wohlgefühl seines Vierbeiners steigern möchte, kann ihn auf eine natriumarme Herzdiät setzen und Stress von ihm fernhalten. 

Noch keine Medikamente
Wer auch alternative Heilmethoden berücksichtigen möchte, kann Vitalpilze einsetzen. Diese sollen bei Herzkrankheiten positiv wirken. Im Fall einer HCM insbesondere die Pilze Reishi (im deutschen Sprachraum auch als Glänzender Lackporling bekannt) und Agaricus blazei Murrill (Sonnen- oder Mandelpilz). Solche Vitalpilze sollen unter anderen das Immun- und das Herz-Kreislauf- System stärken, blutdrucksenkend wirken und die Entgiftungsleistung der Leber unterstützen, damit das Tier die Medikamente besser verträgt. Gut zu wissen: Die klinisch relevanten Studien wurden mit Extrakten durchgeführt. Darauf basierend sollte dann auch nicht das Pilzpulver, sondern ebenfalls das Pilzextrakt eingesetzt werden. 

Gonzo hat Glück, er befindet sich erst im Anfangsstadium dieser Krankheit und muss noch keine Medikamente nehmen. Er muss lediglich ein- bis zweimal im Jahr zur Echokardiografie in die Klinik. Damit lässt sich gut leben – zumindest eine Zeit lang.