Eigentlich ist Pedro ein ganz normaler junger Kater – bis auf die seltsamen Anfälle, die der zweijährige Siamkater regelmässig erleidet. Dann versucht er sich etwa zwanghaft am Rücken zu lecken,

beginnt sich im Kreis zu drehen und in den Schwanz zu beissen. Wenn die Besitzer in solchen Momenten versuchen, ihren Kater zu beruhigen und zu streicheln, beginnt seine Haut am Rücken zu zucken und er rennt schreiend weg. Ein paar Minuten später ist der Spuk wieder vorbei.

Pedros Verhalten ist typisch für eine Krankheit, die schon seit etwa 40 Jahren diagnostiziert wird und die nach ihrem auffälligsten Symptom – dem wellenartigen Zucken der Haut – als Rolling Skin Syndrom (RSS) bezeichnet wird. Gängig ist auch die Bezeichnung Feline Hyperästhesie (FHS), was nichts anderes bedeutet als eine extreme Berührungsempfindlichkeit.

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So äussert sich das Rolling Skin Syndrom.

Orientalrassen häufiger betroffen
Laut Stefan Schellenberg, Fachtierarzt für Innere Medizin an der Tierklinik Aarau West,  wird die Diagnose FHS im Alltag eher selten gestellt. Aufgrund der grossen Bandbreite an klinischen Symptomen sei die Erkrankung aber möglicherweise unterdiagnostiziert. Neben dem von Pedro gezeigten Verhalten  könne man auch Beissen oder Lecken des Lendenbereichs, der Flanken, des Analbereichs oder des Schwanzes beobachten, sagt Schellenberg. Auch das über-mässige und ungewöhnliche Vokalisieren und das scheinbar wilde und unkontrollierte Umherrennen gehörten zu den möglichen Symptomen. Manche Besitzer hätten zudem das Gefühl, ihre Katze würde unter Halluzinationen leiden. Andere erzählten von einem der Rolligkeit ähnlichen Verhalten. 

In welchem Alter treten die Anfälle auf?
Auch wenn FHS bei allen Katzen auftreten kann, scheinen Tiere im Alter bis zu fünf Jahren und Orientalrassen wie Siamesen, Birma oder Abessinier am stärksten betroffen zu sein. Die Auslöser sind noch unbekannt. Laut Schellenberg können aber verschiedene andere, das Nervensystem, die Haut und die Muskeln betreffende Krankheiten damit in Verbindung gebracht werden. Dazu zählen Parasitenbefall und Futtermittelallergien, aber auch Wirbelsäulenprobleme, Arthritis, eingeklemmte Nerven, Bandscheibenvorfälle oder Tumoren. «Da es keinen FHS-Diagnose-Test gibt, müssen alle anderen Ursachen, die ähnliche Symptome zeigen können, zunächst ausgeschlossen werden», sagt Schellenberg. 

So liessen etwa die Episoden von wildem Herumrennen und Schwanzjagen an epileptische Anfälle denken. Tatsächlich würden betroffene Katzen teilweise auf die Behandlung mit Antiepileptika ansprechen, so Schellenberg: «Dies scheint die Theorie der partiellen epileptischen Anfälle zu stützen.»

Die Katze nicht bestrafen
Neben organischen werden aber auch mögliche psychische Ursachen diskutiert. Das fängt bei neuen oder dominanten Artgenossen an, reicht über Umzug und neues Revier oder Verlust einer Bezugsperson bis hin zu einem anderen Tagesablauf, etwa durch ein neues Familienmitglied. Und nicht zu unterschätzen ist auch Frust durch Langeweile. 

Sind organische Ursachen von Fachpersonen ausgeschlossen worden, können die Besitzer denn auch versuchen, die Haltungsbedingungen zu optimieren. Mehr Rückzugsmöglichkeiten, Beschäftigung, Veränderung der Katzengruppe, Antidepressiva oder – falls es der eigenen Weltsicht entspricht – individuell ausgesuchte homöopathische Mittel gehören dann zur «therapeutischen Werkzeugkiste». 

Auch regelmässige Fütterungs- und Spielzeiten können helfen sowie das Vermeiden von Situationen, die das unerwünschte Verhalten auslösen. Dazu gehören alle Aktivitäten, die die Katze irritieren oder überstimulieren können – wie das Kratzen oder Streicheln des Rückens. «Ganz wichtig ist vor allem, die Katze nicht zu bestrafen, denn das würde den Stress erhöhen und eher zu einer Zunahme des Problemverhaltens führen», betont Schellenberg.

Weitere Beispiele für Katzen, die vom Rolling Skin Syndrom befallen sind:

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