Unter den Futtermitteln für Pferde ist Öl eine Art Super-Kraftstoff. Ein Liter liefert durchschnittlich 38 Megajoule (MJ), weitaus mehr, als ein Kilogramm Heu mit rund sieben MJ oder Hafer mit elf MJ. Bringt ein Pferd sowieso schon zu viel Gewicht auf die Waage oder leidet es bereits am Equinen Metabolischen Syndrom mit chronischer Hufrehe, ist das ein Problem. Öl sollte in solchen Fällen gar nicht oder – in Absprache mit dem Tierarzt – höchstens in sehr kleinen Mengen verfüttert werden. 

Für Sportpferde, die unter dem Sattel oder vor der Kutsche stark beansprucht werden, ist Öl als Zusatz zu Wiesenheu und Getreide aber gerade wegen der hohen Energiedichte interessant. «Pferde haben eine beschränkte Aufnahmekapazität der Futtertrockensubstanz, diese beträgt etwa drei Prozent ihres Körpergewichtes», sagt Michaela von Zerssen, Tierheilpraktikerin und Fütterungsberaterin aus Effretikon ZH. Häufig höre sie das Argument, dass Pferde in freier Wildbahn auch nicht an der Ölflasche nuckeln würden. Das stimmt natürlich, allerdings haben frei lebende Pferde bei entsprechender Vegetation Zugang zu artgerechtem Futter und werden nicht geritten.

Wenig Platz im Verdauungstrakt
Die Expertin nennt ein Beispiel: Ein sehr stark beanspruchtes Vielseitigkeitspferd mit 600 Kilogramm Körpergewicht benötige etwa 140 MJ Energie pro Tag. Mit 18 Kilogramm Heu von sehr guter Qualität erhalte es maximal 126 MJ Energie. Durch sein intensives Training habe es aber weder Zeit, dies zu fressen, noch ergebe diese Menge aus Sicht des Stoffwechsels Sinn. Im Gegenteil: Weder die erwünschte Leistung noch der Muskelaufbau können erbracht werden. Selbst wenn ein Teil des Heus durch Kraftfutter ersetzt wird, ist der Energiebedarf noch nicht gedeckt.

Zudem enthalten Hafer, Müsli und Co. neben Energie eine Menge Kohlenhydrate und Eiweisse, die in zu hohen Dosen unerwünschte Nebenwirkungen haben. Öl dagegen nimmt nur wenig Platz im Verdauungstrakt ein, enthält viel Energie, aber weder Kohlenydrate noch Eiweiss. So wird es zum idealen Zusatzfutter für Sportpferde sowie für Tiere mit Belastungsmyopathien (Kreuzverschlag) oder der Muskel-Stoffwechselerkrankung PssM (Polysaccharidspeicher-Myopathie), da bei beiden Krankheiten Produkte mit einem hohen Kohlenhydratanteil gemieden werden sollten.

Allerdings sollte Öl bei allen Pferden relativ sparsam dosiert werden, damit es keinen Schaden anrichtet. Denn ein Pferd hat keine Gallenblase, die das Gallensekret bei fetthaltiger Nahrungszufuhr stossweise ausscheiden könnte, und somit eine beschränkte Fettverdauung. «Beim Pferd tröpfeln unterhalb des Magenausgangs kontinuierlich etwa 1,5 bis 2,5 Deziliter pro Stunde in der Leber gebildete Gallenflüssigkeit in den rund 20 Meter langen Dünndarm», weiss von Zerssen. «Nimmt das Pferd aber mehr Öl auf, als es in den anderthalb Stunden in der Dünndarmpassage verdauen kann, gelangt es zwangsläufig in den Dickdarm.» Und der zersetze mithilfe von Bakterien die Gerüstsubstanzen sowie andere unverdaute Nährstoffe, um Energie zu gewinnen, sei aber nicht auf die Ölverdauung ausgerichtet.

Öl im Dickdarm stört die bakterielle Besiedlung des Darmes und damit auch die Rohfaservedauung. Die Folgen sind unter anderem unangenehme Blähungen. Um das zu vermeiden, sollte die Umstellung auf eine fettreiche Fütterung ganz allmählich über mindestens zwei Wochen erfolgen, in dieser Zeit ist es sinnvoll, vermehrt auf die Kotbeschaffenheit und Verdauungsprobleme zu achten.

Zwei wichtige Fettsäuren für Pferde 
Als absolute Höchstgrenze gelte ein Gramm Öl pro Kilogramm Pferd pro Tag. «Beim aufgeführten Beispielpferd wären das also maximal 600 Gramm Öl, die wegen der Verdaubarkeit auf mindestens drei Mahlzeiten verteilt werden sollten», sagt von Zerssen. 

In den wenigsten Fällen ist es allerdings notwendig oder sinnvoll, so viel Öl zu füttern, dass es das Pferd gerade noch vertragen kann. Da die optimale Dosierung unter anderem vom Gesundheitszustand des jeweiligen Pferdes, seinem Ernährungszustand, der Haltung und der Trainingsintensität abhängt, sollte man sich vor dem Griff zur Ölflasche gut beraten lassen. 

Es gibt zwei Fettsäuren, die in der Pferdefütterung besonders wichtig sind: die Linolensäure, eine Omega-3-Fettsäure, die in kleinen Mengen auch in Gras und Heu enthalten ist, sowie die Linolsäure aus der Gruppe der Omega-6-Fettsäuren, die zum Beispiel Bestandteil von Getreide ist. Omega-3-Fettsäuren bekämpfen Entzündungen, sind gut für das Gehirn und stabilisieren den Hormonspiegel. Omega-6-Fettsäuren sind unter anderem Bestandteile der Zellmembranen und fördern Wachstums- und Reparaturprozesse. Aus der Humanmedizin weiss man, dass das Verhältnis der beiden Fettsäuren eine wichtige Rolle spielt, da sie sich sonst gegenseitig in ihren positiven Wirkungen hemmen.

Geeignete Ölsorten
Bei Pferden gibt es zu diesem Thema noch keine detaillierten Studien. «Da Pferde beim Grasen hauptsächlich Omega-3-Fettsäuren aufnehmen, sollte bei Pferden, die Kraftfutter und damit viele Omega-6-Fettsäuren bekommen, eine Ölsorte mit hohem Omega-3-Gehalt gewählt werden», empfiehlt von Zerssen. Reich an Linolensäure ist das Leinöl, das aber schnell verdirbt und deshalb dunkel und kühl aufbewahrt werden sollte. Ebenfalls geeignet sind Mariendistelöl, Hanföl, Schwarzkümmelöl, Lachsöl und Reiskeimöl. 

Einigen dieser Ölsorten werden abhängig von den enthaltenen Vitaminen und sekundären Inhaltsstoffen therapeutische Wirkungen zugeschrieben. So hilft Schwarzkümmelöl bei Erkrankung der oberen Atemwege und bei Allergien. Reiskeimöl unterstützt durch seinen hohen Gehalt an Tocopherolen und Gamma-Oryzanol den Muskelaufbau. Eine Beratung beim Tierarzt oder Fütterungsexperten hilft bei der Auswahl. Das Pferd redet aber bei der Auswahl ein Wörtchen mit, wie von Zerssen betont: «Die beste Empfehlung nützt nichts, wenn das Pferd eine Abneigung gegen ein gewisses Öl hat und die Aufnahme verweigert.»