Bart Krenger (72) gilt in der Schweiz als renommierter Rechtsanwalt bei juristischen Auseinandersetzungen rund ums Pferd. Er war selbst Reiter und in seiner Freizeit rund 30 Jahre in verschiedenen Ämtern als Funktionär im Pferdesport tätig. Seine Kanzlei ist in Hinwil ZH.

Herr Krenger, was raten Sie als erfahrener Rechtsanwalt jemandem, der ein Pferd kaufen will?
Lassen Sie eine Ankaufsuntersuchung durch einen von Ihnen bestimmten Tierarzt machen, bevor Sie den Kauf abschliessen. Und nehmen Sie dafür nicht den Stalltierarzt des Verkäufers, sondern einen, der unabhängig ist. Bitten Sie ihn ausserdem, eine Blutprobe zu nehmen, die eingefroren wird.                 

Wozu die Blutprobe?
Es ist einfach, ein Pferd für einige Monate «gesund» zu spritzen. Kann man später Medikamente im Blut nachweisen, könnte dies als Täuschung gewertet werden.        

Was muss der Verkäufer dem Käufer über das Pferd erzählen?
Nichts. Die Prüfung der Kaufsache ist Sache des Käufers. Auf Fragen muss der Verkäufer aber korrekte Antworten geben. Trotzdem ist Pferdekauf in der Schweiz relativ gefährlich.      

Weshalb?
Wir haben ein archaisches, altes Viehhandelsrecht aus dem Jahr 1912. Der Verkäufer schuldet dem Käufer nur mit schriftlicher Zusicherung eine Gewährleistung, dass das Tier gesund ist oder keine anderen Mängel hat. Ohne schriftliche Zusicherung hat der Käufer keine Minute Garantie.      

Genügt die Frage: War das Pferd jemals krank? 
Das ist zu unspezifisch. Besser wäre, konkret zu fragen, zum Beispiel: Ist das Pferd jemals operiert worden? 

Und wenn der Verkäufer schriftlich zusichert, dass das Pferd gesund oder mängelfrei ist?
Dann hat der Käufer neun Tage Zeit, um verdeckte Mängel anzuzeigen, also solche, die er bei seiner Prüfung nicht entdecken konnte. Will er einen Mangel geltend machen, muss er innert dieser Frist beim zuständigen Gericht am Standort des Pferdes einen Antrag auf Untersuchung des Tiers stellen.      

Was ist, wenn nach der Frist ein gesundheitliches Problem zum Vorschein kommt?
Dann hat der Käufer Pech gehabt. Er müsste nachweisen können, dass der Verkäufer das Gesundheitsproblem beim Pferd gekannt und trotz Nachfrage verschwiegen, ihn also getäuscht, hat. Das ist oft schwierig.      

Kann man nicht eine längere Gewährsfrist schriftlich vereinbaren?
Natürlich. Noch sicherer ist jedoch ein Kauf auf Probe. Während der Probezeit kann der Käufer das Pferd jederzeit zurückgeben, sogar ohne Gründe zu nennen.

Gibt es weitere Dinge, die man beachten sollte?
Es tönt banal, aber es ist wichtig: Wenn Sie das Pferd probereiten, machen Sie das mit ihm, was Sie später vorhaben. Wollen Sie mit ihm alleine ausreiten, dann probieren Sie genau das aus. Lassen Sie sich nicht davon abbringen mit dem Argument «Du kennst dich hier in der Gegend nicht aus». Andernfalls stellen Sie später womöglich fest, dass ihr neues Pferd nicht alleine vom Stall weggeht.      

Welche Erfahrungen haben Sie als Anwalt mit Pferdeverkäufern gemacht?
Die Gefahr, dass ein Problem auftaucht, ist bei einem Kauf von Privaten viel grösser als bei Pferdehändlern. Ich hatte noch nie eine Reklamation bezüglich eines Kaufs von einem grossen Pferdehändler.      

Wirklich?
Ja. Der Privatmann will das Pferd loswerden und trotz einer Reklamation nicht zurücknehmen. Der Händler hat damit kein Problem, er kann immer ein anderes Pferd aus seinem Stall anbieten.      

Um welche Summen wird in Pferdekreisen gestritten?
Manchmal geht es nur um ein paar Hundert Franken. In einem aktuellen Fall aber beträgt der Streitwert 480’000 Franken.

Vielerorts helfen pferdebegeisterte Mädchen mit. Was ist, wenn da etwas passiert?
Ich schildere Ihnen einen Fall, der exemplarisch zeigt, welche Schwierigkeiten drohen: Ein erst vor kurzem kastrierter Hengst durchtrennte einem 15-jährigen Mädchen mit einem Biss fast den Unterarm. Es kann den Arm seither nur eingeschränkt benützen. Acht Jahre nach dem Unfall musste es erneut operiert werden. Eine eigene Unfallversicherung hatte es nicht. Und die Unfallversicherung der Schule bezahlte die Heilungskosten nur in den ersten fünf Jahren.      

Und dann?
Die Unfallversicherung des Stallinhabers wollte auch nicht bezahlen, weil das Mädchen nicht angestellt war. Wir mussten klagen bis vor Bundesgericht. Die obersten Richter waren der Meinung, dass es sich doch um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat, weil das Mädchen im Gegenzug für seine Mithilfe reiten durfte und so für seine Arbeit eine geldwerte Entschädigung erhielt. Deshalb musste die Versicherung des Stalles schliesslich die Kosten übernehmen und eine Invaliditätsrente ausrichten.      

Was empfehlen Sie?
Viele Eltern wissen nicht, wie gefährlich der Umgang mit Pferden ist und was Unfälle für Folgen haben können. Ich rate allen Eltern, für ihre reitenden Kinder eine Unfallversicherung abzuschliessen, die auch einen allfälligen späteren Erwerbsausfall abdeckt – obwohl das Kind momentan noch nichts verdient. Ist ein künftiger Erwerbsausfall nicht versichert, bleibt im Fall einer Invalidität nur die – eher magere – IV. Für Stallbesitzer gibt es eine Arbeitgeberversicherung, die alle Personen einschliesst, die dort tätig sind.      

Haftet der Pferdebesitzer, wenn zum Beispiel ein Kollege ohne grosse Reitkenntnisse einmal auf seinem Pferd sitzen möchte und hinunter fällt?
Das kann man nicht pauschal sagen, denn jeder Fall wird individuell beurteilt.      

Können Sie ein Beispiel geben?
Ein Mann setzt sich auf das Sportpferd einer Freundin, nachdem sie es eine halbe Stunde longiert hat. Sie hat das Pferd seit sechs Jahren, Kinder reiten es auch, nie hat es jemanden abgeworfen. Das Pferd ist auf dem Reitplatz, den es kennt, die Situation ist ruhig, es steht kein Hindernis im Weg oder ähnliches. Der Mann verliert beim Reiten im Schritt das Gleichgewicht, fällt vom Pferd und ist seither querschnittgelähmt. Die Tierhalterin wird der fahrlässigen Körperverletzung mit schwerer Schädigung angeklagt.

Wurde sie verurteilt?
Nein, sie wurde freigesprochen. Eine Rolle spielte dabei, dass sie nach Ansicht des beigezogenen Experten punkto Sicherheit die möglichen Massnahmen getroffen hatte. Zudem wurde das Pferd als ruhig und vertraut beurteilt.      

Und wenn das Pferd gebockt hätte oder durchgebrannt wäre?
Wenn das Tier aus eigenem Antrieb – also mit einer vom Halter nicht gewollten Aktion – einen Schaden anrichtet, haftet der Halter. Er kann sich aber von der Haftung befreien, wenn er nachweist, dass er alle den Umständen nach gebotene Sorgfalt angewendet hat.      

Was ist, wenn ein Reiter keinen Helm trägt?
Es gibt kein Gesetz, welches das Tragen eines Reithelms vorschreibt. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Versicherung bei einer Kopfverletzung die Leistungen kürzen würde.      

In manchen Reiterkreisen sind gebisslose Zaumzeuge populär. Angenommen, es passiert ein Unfall, weil das Pferd durchgeht. Bekommt der Reiter dann Probleme?
Er muss jedenfalls damit rechnen. Bei uns werden Pferde seit Jahrhunderten mit Gebiss geritten. Auch ein Richter hat ein mit Gebiss gezäumtes Pferd in seiner Vorstellung. Im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung soll er ausgerechnet dann davon überzeugt werden, dass ein Knotenhalfter oder ein Bosal vielleicht genauso gut ist, wenn die Beherrschung des Pferdes damit eben nicht funktioniert hat. Das wird schwierig.      

Ein Thema, das oft für Unzufriedenheit sorgt, ist der Pensionsplatz. Was kann ein Pferdebesitzer unternehmen, wenn er etwa mit der Fütterung oder mit der Sicherheit der Weidezäune nicht einverstanden ist?
Der Pensionär darf mit seinem Pferd von einem Tag auf den anderen den Stall verlassen, sogar ohne, dass er Gründe angeben muss. Dabei schuldet er nur den Pensionspreis für die tatsächlich dort verbrachte Zeit des Pferds und eventuell für spezielle Aufwendungen.      

Aber wenn er einen Mietvertrag unterschrieben hat?
Ein so genannter Pferdepensionsvertrag ist juristisch kein Miet-, sondern ein Hinterlegungsvertrag. Darum ist eine Kündigungsfrist für den Pferdebesitzer nicht verbindlich. Miete gibt es nur beim Selbstversorger-Stall, wenn also der Vermieter bloss die Unterkunft für das Pferd zur Verfügung stellt, aber mit dessen Betreuung nichts zu tun hat. Wird das Pferd dagegen «hinterlegt», haftet der Stallinhaber für die sichere Unterbringung, er muss es artgerecht und unter Beachtung der Tierschutzvorschriften betreuen und am Schluss des Vertragsverhältnisses unversehrt an den Pferdebesitzer herausgeben.      

Angenommen, das Pferd verletzt sich im Stall: Haftet dann der Stallbesitzer für den Schaden, der dem Pferdebesitzer daraus erwächst?
Er muss das Pferd sicher unterbringen und jederzeit unversehrt zurückgeben können. Im Fall von Schäden haftet er, wenn er nicht nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Viele Stallinhaber wissen nicht, dass Haftung und Versicherungsdeckung nicht dasselbe ist. Pensionspferde sind in Obhut des Pensionsstalles, Schäden an diesen sind in den meisten Betriebshaftpflichtversicherungen nicht gedeckt – die Haftung besteht aber trotzdem.      

Was raten Sie Stallbesitzern?
Sie sollten mit den Pensionären einen schriftlichen Vertrag mit Haftungseinschränkung machen.