Lobeshymne reiht sich an Lobeshymne. Ein Vorteil nach dem anderen prangt schwarz auf weiss auf diversen Seiten. Und auch das Internet quillt über vor Komplimenten für einen scheinbaren Alleskönner. Die Rede ist von Solarien für Pferde. Tatsächlich halten solche Geräte in immer mehr Ställen Einzug. Sie werden von Reitvereinen ebenso eingesetzt wie von Physiotherapeuten. Die Gründe dafür scheinen auf der Hand zu liegen. Schliesslich ist allgemein bekannt, wie enorm wichtig Sonnenlicht und Wärme für Körper und Geist sind. 

«Ich möchte das Solarium nicht mehr missen in meinem Stallalltag. Ich habe nur positive Erfahrungen sammeln können», gerät Yvonne Brüngel regelrecht ins Schwärmen. Die Pferde-Physiotherapeutin aus dem mitteldeutschen Bundesland Hessen nutzt ein solches Solarium für ihre vierbeinigen Patienten nicht nur als entspannendes Mittel vor der Massage und zum Lockern der Faszien (Weichteil-Komponenten des Bindegewebes), sondern auch zum täglichen Training sowie zum Unterstützen des Immunsystems. Sie ist fest davon überzeugt, dass diese Art der Wärmebehandlung sowohl zur Leistungssteigerung des Pferdes beiträgt als auch die Gesundheit fördert. 

Kein Ersatz fürs Warmreiten
Tatsächlich sollen bereits 10 bis 20 Minuten vor und nach dem Training reichen, damit die Muskulatur warm wird, beziehungsweise verkrampfte Muskeln, Bänder und Gelenke im Nachhinein entspannen und die Durchblutung in Schwung kommt. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich solche Infrarotstrahlen in der aktuellen Jahreszeit. Draussen ist es nass und kalt, doch irgendwie muss man das dicke Winterfell der Pferde nach dem Reiten trocknen. Warum das Tier also nicht kurz unter das Solarium stellen?

So funktioniert
das Solarium für Pferde

Beim Pferdesolarium handelt es sich um eine Infrarotsauna, die Wärmestrahlung freigibt statt UV-Strahlung. Dabei wird das Infrarotlicht in drei Wellenlängen unterteilt:

→ kurzwelliges, intensives A-Infrarot, das mühelos die Haut durchdringt und ins Körperinnere gelangt.

→ mittelwelliges B-Infrarot, das durch die Oberhaut bis zur Lederhaut kommt.

→ langwelliges C-Infrarot, das nur eine geringe Wärmeleistung hat und sich daher lediglich auf der Oberhaut ausbreitet.

Die Wärme der Infrarotlampen dringt zwar nicht weit ins Gewebe ein, wird aber von Fett, Bindegewebe und Muskeln so gut weitergeleitet und verteilt, dass sich der Körper aufwärmt. Die Wärme fördert die Durchblutung, da der Körper Blut aus kühleren Regionen in die erwärmten Gebiete pumpt, um sie abzukühlen. Dadurch erhalten die Muskeln mehr Sauerstoff respektive Nährstoffe und Muskelkater oder Überanstrengungen können schneller überwunden werden.

Beat Wampfler, Leiter der Berner Pferdeklinik, mahnt jedoch zur Vorsicht und würde vom Einsatz eines solchen Gerätes abraten, wenn es das Warmreiten oder noch schlechter das Trockenreiten des überwärmten Körpers nach Anstrengungen ersetzen sollte. «Das kann ich so nur unterschreiben», stimmt auch Yvonne Brüngel zu und betont, dass Wärme und Warm- beziehungsweise Trockenreiten zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. 

Es gehe beim Warmreiten darum, dass die Gelenkflüssigkeit die Gelenke schmiert, und nicht darum, dass das Pferd erwärmt wird. Beim Trockenreiten gehe es darum, dass das Pferd den Puls wieder runterfährt und von einem Arbeitsmodus in einen Entspannungsmodus übergeht, auch dies brauche Bewegung, erklärt die Pferde-Physiotherapeutin. Mit einem Offenstall oder einem Koppelgang sei es entgegen der Meinung einiger Reiterinnen ebenfalls nicht getan, da Pferde allein eher grasen, statt zu laufen.

Eine entspannende Abwechslung
Hat sich das Ross verletzt oder leidet es unter chronischen Beschwerden, dient das Solarium dagegen als Therapiemassnahme. Durch die angeregte Durchblutung sollen Schmerz- und Entzündungsstoffe schneller abtransportiert werden. Ausserdem soll die bei der Verdauung entstehende Milchsäure abgebaut werden. Zu viel davon kann zum Beispiel die Muskelzellen angreifen und «frisst» sie von innen auf, sodass ein sogenannter Kreuzverschlag, eine Entzündung der Rückenmuskulatur, entsteht. 

Für Beat Wampfler vom Nationalen Pferdezentrum ist dieser beschriebene Vorzug jedoch übertrieben und mehr Marketing als Tatsache. Seiner Meinung nach wirken die künstlichen Sonnenstrahlen zwar entspannend und sind eine willkommene Abwechslung für das Tier. Für ernsthafte Probleme im Rücken oder andere Krankheiten sieht der erfahrene Tierarzt aber kaum eine nachhaltige Wirkung.

Führt man einen Reit- oder Pensionsstall und hat man sich nun dazu entschlossen, ein Solarium anzuschaffen – für Privatpersonen rentiert es sich eher nicht –, kommt es auf die korrekte Anwendung an: Die meisten Geräte werden unter einer stabilen Decke im Stall angebracht, schweben frei, sind idealerweise höhenverstellbar und somit gut 70 Zentimeter über dem Pferderücken, damit es nicht zu heiss wird. Auch wenn die meisten Pferde ruhig darunter stehen bleiben, ist es ratsam, den Bereich mit einem Panel abzugrenzen. So muss man nicht die ganze Zeit aufpassen.

Dennoch ist Einfühlungsvermögen geboten, denn Pferde sind und bleiben Flucht­tiere, die Neuem erst einmal skeptisch gegenüberstehen und daher langsam an die Wellness-Behandlung gewöhnt werden müssen. Das macht man anfänglich am besten ohne Rotlicht und bindet das Tier eventuell an. Es geht aber auch ohne, wie Physiotherapeutin Brüngel weiss: «Ich selbst binde die Pferde nie an, denn entweder das Pferd geniesst es oder es gefällt ihm nicht. Hier zwinge ich das Pferd nicht, in der Situation zu bleiben.»