Werden die Tage kürzer, wird das Fell des Pferdes länger. Es besteht aus zwei Schichten: der feinen Unterwolle und den längeren Oberhaaren. Je nach Rasse ist der Winterpelz unterschiedlich stark ausgeprägt, wobei Ponys, Kaltblüter und Robustpferde deutlich haariger sind als Voll- und Warmblüter. Die Ausprägung ist auch von der Umgebungstemperatur und vom Alter des Pferdes abhängig: In den Bergen und bei Senioren wachsen die Haare stärker. 

Die Funktionsweise des Winterfells ist jedoch immer gleich. Es bietet zwischen den einzelnen Haaren viel Platz für Luft, die eine isolierende Wirkung hat. Die Haut bleibt selbst bei tiefsten Temperaturen warm. Das Winterfell ist nicht nur ein Schutz vor Nässe und Kälte, sondern gleichzeitig eine natürliche Klimaanlage. Schwitzt das Pferd, geht die Isolation vorübergehend verloren, dadurch staut sich die Wärme auch nicht, es kommt zu keiner Überhitzung. Kühlt das Pferd wieder ab, trocknet es von innen nach aussen. Die Isolation ist wieder hergestellt, sobald die Unterwolle trocken ist, selbst wenn die äus­seren Haare noch feucht sind. 

Ein Eingriff in die Natur
Wer dieses Winterfell entfernen will, muss sich bewusst sein, dass er in einen natürlichen Vorgang eingreift. Verbringen Pferde die meiste Zeit im Freien, etwa in ganzjähriger Weidehaltung oder im Offenstall, sollte darauf verzichtet werden, ihnen durch das Scheren den «Winterpulli» wegzunehmen. Selbst wenn das Pferd nach dem Reiten noch ein bisschen feucht sein sollte, riskiert man keine Erkältung, wenn man es wieder herausstellt. Wer auf der ganz sicheren Seite sein will, legt dem Pferd eine Abschwitzdecke auf, die den Trocknungsvorgang beschleunigt. 

Bei Pferden, die sich auch bei Nässe häufig auf der Weide aufhalten, sollte ebenso auf das Schneiden der langen Fesselhaare verzichtet werden. An ihnen läuft das Wasser ab, das sich somit nicht in der Fesselbeuge festsetzen und nicht die bakterielle Hautentzündung Mauke verursachen kann.

Der Gegensatz zum Weidepony mit seinem dicken, wuscheligen Teddybären-Fell ist das Spring- oder Dressurpferd, das im Winter an Hallenturnieren teilnimmt und an dem sich kein einziges Winterhaar mehr findet. Es ist komplett geschoren. Da sowohl die Arenen, in denen diese Pferde Höchstleitungen erbringen müssen, als auch ihre Stallungen oft geheizt sind, wäre den Tieren sonst zu heiss.

Ein geschorenes Fell ist pflegeleichter 
Es gibt aber auch Freizeitsportpferde, die täglich geritten werden und dabei so stark schwitzen, dass es für Mensch und Tier unangenehm wird. Schwitzt das Pferd schon bei leichter Anstrengung, geht es nicht mehr freudig vorwärts. Ist das Fell regelmäs­sig stark verklebt vor Schweiss und verbringt man mehr Zeit mit Trockenführen und -rubbeln seines Vierbeiners als mit Reiten, sollte eine teilweise Schur in Betracht gezogen werden. 

Es gibt auch Reiterinnen und Reiter, die ihre Pferde aus Bequemlichkeit scheren. Ein geschorenes Fell ist nämlich pflegeleichter und zeitsparender. Scheren ist nicht nur eine Wintersache: Bei vierbeinigen Senioren oder bei Pferden mit dem Cushing-Syndrom, einer Hormonstörung, kann der Fellwechsel so stark verzögert sein, dass eine Schur dem Pferd bei steigenden Temperaturen im Frühling oder Sommer Erleichterung verschafft. In der kalten Jahreszeit sollte man dagegen mit dem Scheren warten, bis sich das Winterfell komplett ausgebildet hat. Hierzulande ist das in der Regel gegen Ende des Herbstes der Fall. Da das Fell nachwächst, muss man alle vier bis fünf Wochen nachscheren. 

Das Schnittmuster sollte auf seine individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Eine Vollschur empfiehlt sich meist nur für vierbeinige Spitzensportler. Auf keinen Fall dürfen die Tasthaare um die Augen und an Ober- und Unterlippe geschnitten oder entfernt werden! Das ist gemäss Tierschutzverordnung verboten. Auch auf ein Ausschneiden der empfindlichen Ohren sollte man verzichten.

Für ein Freizeitpferd, das beim Ausritt schnell ins Schwitzen kommt, kann eine Bib- oder Lätzchen-Schur bereits reichen. Dabei lässt man den grössten Teil des Winterfells am Pferd und schert nur die Unterseite des Halses, die Brust und allenfalls den Bauch bis hinter die Gurtlage. Beim Streifenschnitt wird nur ein Streifen weggeschoren, und zwar dort, wo das Pferd am stärksten schwitzt: von der Unterseite des Halses über die Brust und den Bauch bis zur Hinterhand. Am Oberhals, Rücken, den Lenden und auf der Kruppe bleibt das Fell stehen. Das Pferde kann mit diesem Schnitt auch ohne Decke ins Freie.

Der Deckenschnitt eignet sich für Pferde, die eine empfindliche Rücken-, Lenden-und Nierenpartie haben. Der Hals, manchmal auch der Kopf, Bauch und ein schmaler Streifen der Seitenpartie des Pferdes werden geschoren, nur auf dem Rücken bleibt ein Fellstück in der Form einer Nierendecke unangetastet, auch die Beine werden nicht geschoren. Für einen Jagdschnitt verkleinert man das Fellstück auf dem Rücken weiter, bis es nur noch die Form der Sattelunterlage hat. 

Geschorene Pferde brauchen Decken
Wer sein Pferd scheren will, hat zwei Möglichkeiten. Entweder man beauftragt einen professionellen Scherservice, bei dem eine Teilschur ab rund 50 Franken zu haben ist und eine Totalschur um die 100 Franken kostet. Oder man schafft sich selber eine Schermaschine an. Dabei ist auf ein Qualitäts-Produkt zu achten, da die billigeren Exemplare buchstäblich nur Scherereien machen. Ein gutes Gerät hat genug Leistung, um auch einen dicken Pelz mühelos zu entfernen. 

Die meisten Pferde mögen es nicht, geschoren zu werden. Ein Grossteil lässt die Prozedur zwar geduldig über sich ergehen, es gibt aber auch Tiere, die ängstlich und nervös reagieren und das Geräusch der Maschine sowie das lange Stillstehen als stressig empfinden. Wer schert, sollte deshalb genügend Zeit und Geduld mitbringen, um auf das Pferd eingehen und ihm bei Bedarf Pausen einräumen zu können. 

Da durch das Scheren der natürliche Kälteschutz von Pferden ganz oder teilweise verloren geht, ist eine Kompensation durch Eindecken notwendig. Welche Decke das Pferd benötigt und wie dick diese sein muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Aus­sentemperatur, dem Stallklima und individuellen Bedürfnis des Pferdes. Wichtig ist, dass die Muskulatur an Schulter, Rücken und Kruppe warm gehalten wird. Mit einem simplen Trick lässt sich feststellen, ob das der Fall ist. Man steckt seine Hand unter die Decke, die das Pferd trägt. Wenn es sich dort angenehm warm anfühlt, empfindet das auch der Vierbeiner so. Mit einer guten, wasserdichten und atmungsaktiven Weidedecke dürfen auch geschorene Pferde im Winter tagsüber für ein paar Stunden auf die Weide.