Zurzeit hat man den Eindruck, als würde man in sehr vielen Lebensbereichen eine Rückbesinnung auf alte Zeiten erleben. Zeitschriften, die das Leben in früheren Zeiten, handwerkliche Kunst oder auch Lebensmittel darstellen, erleben eine nie dagewesene Popularität. Keine Frage, dass hier manche Dinge auch in einem zu positiven Licht dargestellt werden. Und doch scheint es, als ob viele Menschen erkannt haben, dass nicht alles, was neu ist, eine Verbesserung ist. Das trifft auch auf die Taubenzucht zu. 

Von einigen Experten wurde eine fast sterile Taubenhaltung propagiert. Im Gegensatz dazu gab es schon immer Züchter, die eine sehr naturnahe Haltung bevorzugen. Manchmal hatte man den Eindruck, als würden sich diese beiden Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Dabei wäre es für alle wünschenswert, dass man sich die Argumente genau anhört. Schliesslich sind die Gründe für das eine oder andere eine Überlegung wert.

Schon vieles wurde über Nistzellen geschrieben. Schliesslich spielt sich in der Zuchtzeit in diesem Bereich des Taubenschlages das Hauptgeschehen ab. In der Regel werden Nistzellen so gross geplant, dass darin die Paarung stattfinden kann. Das hat den Vorteil, dass es hierbei zu keinen Störungen kommt. Dennoch sind die Grössen der Nistzellen von Rasse zu Rasse teilweise höchst unterschiedlich. Die Erfahrungen jedes einzelnen Züchters sind hier nicht hoch genug einzuschätzen.

Früher ging es auch ohne Nistschalen
Das gilt genauso für die Nistschalen. Aber auch hier hat jeder Züchter seine Präferenz. Er orientiert sich an den Vorlieben der von ihm gezüchteten Rasse. Gerade bei grösseren Taubenrassen kommen immer mehr Holzrahmen zum Einsatz. Da ihnen der eigentliche Boden fehlt, polstern die Züchter diese aus oder bringen am Boden Schaumstoff an. Das funktioniert meistens sehr gut und wird von den Tauben auch sehr gerne angenommen. Allen Nisthilfen ist aber gemein, dass die Tauben an einem vorbereiteten Ort brüten sollen.

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In früheren Zeiten war das nicht immer so. Vor allem bei Taubenrassen, die ohne viel Aufsehen im Freiflug gehalten wurden, waren Nistschalen nicht vorhanden. Die Taubenschläge lagen oben im Dach und wurden selten gemistet. Sie waren vollständig trocken, sodass es der Gesundheit der Tauben keinen Abbruch tat. Im Gegenteil: Wollten die Tauben brüten, haben sie sich auf dem Boden eine leichte Kuhle gemacht. Wenn vorhanden, wurde diese mit etwas Nistmaterial ausgepolstert. Waren Nistzellen vorhanden, dann wurde nicht selten ein Nest aus verschiedenen Dingen gebaut. Spätestens nach einer Brut war ein sogenannter Kotring vorhanden, der vollständig abtrocknete. Darauf bebrüteten die Tauben dann das nächste Gelege. 

Solche Methoden kommen heute nicht mehr zur Anwendung, auch wenn die Züchter damit grossen Erfolg hatten. Der Grund für diese Vorgehensweise war vor allem der sehr geringe Aufwand. Denn die Tauben wurden auf den Bauernhöfen mehr oder weniger nebenbei gehalten. Eine so zielgerichtete und strikt an einem Standard ausgerichtete Zucht gab es damals in den wenigsten Fällen. Das ist heute anders.

Unterschiedliches Einstreumaterial
Trotzdem haben sich in der Zwischenzeit viele heutige Züchter der früheren Gegebenheiten erinnert. Dabei haben sie sich bemüht, die Nachteile zurückzudrängen und die Vorteile zu übertragen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war eine Art Tiefstreu in der Nistzelle. Also so, wie es auf dem Schlagboden von einigen Züchtern angeboten wird.

Die Basis ist eine tief eingestreute Nistzelle auf dem gesamten Nistzellenboden. Die Schicht erreicht dabei oft bis zu zehn Zentimeter in der Höhe. Das dabei verwendete Einstreumaterial ist unterschiedlich. Je nachdem, was der Züchter bevorzugt, nimmt er staubfreie Hobelspäne oder Sägemehl. Dieses ist sehr günstig und überall erhältlich. Die Tauben können sich aufgrund des leichten Materials ganz einfach eine Mulde erstellen und auspolstern. Dazu gibt der Züchter Stroh, Heu und übliches Nestbaumaterial. 

Wieder andere gehen einen Schritt weiter und streuen die gesamte Nistzelle gleich mit Stroh ein. Die Tauben brauchen dann nur noch eine Mulde zu machen und haben ein perfektes Nest. Als überaus interessante Alternative hat ein Züchter getrockneten Rasenschnitt, wie er aus dem Rasenmäher kommt, aus dem Vorjahr verwendet. Dieser ist sehr leicht, dennoch kompakt und wird von den Tauben gerne angenommen.

Die Ziele jedweder Art von Tiefstreu in der Nistzelle sind immer die gleichen: Die Tauben sollen sich den Ort des Nestes in der Nistzelle frei aussuchen dürfen. Wer das einmal probiert, wird schnell feststellen, wie unterschiedlich die Tauben hier auswählen. Die einen eher weiter vorne, die anderen weiter hinten, wieder andere in der Mitte. Durch die gute Polsterung des Nestes besteht bei den gelegten Eiern so gut wie keine Gefahr, dass sie beschädigt werden. Gerade dieser Aspekt muss bei Paaren, die eher schlechte Nestbauer sind, berücksichtigt werden. Einige Züchter gehen dazu über, das selbst gebaute Nest mit einem Holzrahmen oder Ähnlichem zu sichern. Besonders bei etwas geringerer Einstreutiefe ist das sehr zu empfehlen.

Kot verleiht dem Nest Stabilität
Spätestens nach einer Brut hat sich eine gewisse Kotmenge angesammelt. Mit Ausnahme von Rassen, die während der Nestlingsphase einen sehr hohen Feuchtigkeitsgehalt im Kot haben, braucht man ihn nicht zu entfernen. Der Kot gibt dem Nest Festigkeit und bildet einen festen Boden. Spätestens beim nächsten Gelege weiss man das zu schätzen. Die Küken haben nämlich in einem solchen Nest einen sehr guten Halt. Grätschbeine sind in solchen Nestern unbekannt. Es reicht aus, wenn die gesamte Nistzellentiefstreu am Ende der Zuchtzeit herausgenommen wird. Unter Umständen kann es aber auch nötig sein, schon vorher einen Teil herauszunehmen. Mit etwas Erfahrung kann der Züchter das sehr schnell einschätzen.

Vielleicht wirkt die Tiefstreumethode in der Nistzelle auf den ersten Blick seltsam und sogar abstossend. Sie ist etwas rustikaler und natürlicher. Wer es allerdings einmal probiert hat, wird feststellen, wie gut den Tauben das gefällt. Auch in der Taubenzucht gilt, dass der Weg das Ziel ist. Selbst wenn dieser manchmal ungewöhnlich ist.