Das Ende des Monats Februar kommt  immer schneller auf uns zu und damit steigt gleichzeitig die Nervosität bei vielen Taubenzüchtern in gleichem Mass an. Der Grund dafür: Spätestens, wenn man als Taubenzüchter Aussicht auf etwas konstantere und mildere Temperaturen hat, gibt es für die Tauben kein Halten mehr. Dann ist es Zeit für den Züchter, seine Tauben miteinander anzupaaren, damit die Zucht beginnen kann. 

Doch eigentlich beginnt die Arbeit für den Züchter schon ein gutes Stück früher. Denn bevor er zur Praxis übergehen kann, muss der Züchter seine theoretischen Hausaufgaben erledigen. Auch wenn die Taubenzucht ein sehr naturnahes und praktisch orientiertes Hobby ist, kommt ein Züchter ohne theoretisches Wissen nicht weit. Jedenfalls dann nicht, wenn er dauerhaften Erfolg haben möchte. 

Taubenzüchter, die schon lange im Geschäft sind, überprüfen nämlich ihre Zuchtpaare jedes Jahr aufs Neue. Nur, wenn sie vollständig überzeugt sind, dass zwei Tauben zusammenpassen, werden die Tiere aufeinander losgelassen. Ein Taubenzüchter sollte daher nicht anders handeln als jeder andere Tierzüchter auch. Auch wenn in der Taubenzucht die Verbände keine zentralen Zuchtbücher führen, so muss doch jeder Züchter persönlich eines führen. Dabei ist die Form – digital oder in Papierform – eigentlich völlig egal. Viel wichtiger ist, was im Zuchtbuch steht.

Verpaarung geht tief ins Blut
An erster Stelle müssen in diesem die Eltern, im Idealfall auch die Grosseltern und vielleicht sogar Urgrosseltern aufgeführt sein. Bei geplanten Zuchttieren ist es durchaus von Interesse, die Ringnummern der Vorfahren aufzuschreiben und gegenüberzustellen. Es mag manch einen Züchter überraschen, wenn oft die eine oder andere «bekannte» Nummer auftaucht. Wir betreiben Linienzucht, da ist es völlig normal, dass sich verwandte Tiere verpaaren; aus der Erfahrung heraus weiss man, dass besonders erfolgreiche Nachzucht dann zu erwarten ist, wenn Cousins und Cousinen miteinander verpaart werden. 

Um bestimmte Merkmale zu festigen, muss man gar noch «etwas tiefer ins Blut gehen». Da sollten ruhig einmal Eltern mit Kindern und Geschwisterpaarungen gemacht werden. Es versteht sich von selbst, dass bei der Nachzucht entsprechend nach Vitalität selektiert werden muss. Überhaupt gilt, dass die Nachzuchtrate nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei den Grosseltern beachtet werden muss. Nur wenn diese im Rahmen der Rasse liegt, sollte man das Tier auch wirklich in die Zucht einstellen. Nichts ist nämlich auf Dauer schädlicher für eine Taubenrasse, als wenn die Anzahl der nachgezüchteten Jungtiere nachlässt. Darüber hinaus ist die Vitalität die beste Vorbeugung gegen Krankheiten. 

Genotyp statt Phänotyp
Die Auswahl des Zuchttieres erfolgt also idealerweise nach dem Genotyp. Also nach der genetischen Herkunft und weniger nach dem Phänotyp, also dem Aussehen der Taube. Es versteht sich von selbst, dass bei gleicher Herkunft dasjenige Tier mit den besseren Rassenmerkmalen in die Zucht genommen wird. Eine Garantie, dass dieses dann auch der bessere Vererber ist, gibt es allerdings nicht. Auch davon können nicht nur Tauben-, sondern auch viele andere Tierzüchter ein Lied singen.

Im Zuchtbuch sollte aber nicht nur die Zuchtleistung vermerkt werden. Sinnvoll ist es, zu jedem Tier diejenigen Merkmale zu notieren, die es besonders gut vererbt. Da können Binden, Hauben, Grundfarbe, Figur, satte Augenfarbe usw. vermerkt werden – alles, was eben bei einer Rasse wichtig ist.

Weiss der Züchter, welche Taube welches Merkmal weitergibt, hat er den grossen Vorteil, dass er die Zuchtpaare gezielt zusammensetzen kann. In jedem Jahr muss der Züchter die Zuchtziele mit seinen Tieren schon weit im Voraus festlegen. Er muss wissen, welche Rassenmerkmale er verbessern will. Pro Jahr sollten es nicht mehr als zwei bis drei sein. Wichtig ist aber auch, dass sich vor lauter Konzentration auf einzelne Vorzüge die anderen Merkmale nicht verschlechtern. Schliesslich geht es ja um die stetige Verbesserung der Rassenmerkmale auf Basis des gültigen Rassenstandards.

Ein Züchter, der die obigen Ratschläge strikt befolgt, wird feststellen, dass die Anzahl der sinnvollen Zuchtpaare durchaus überschaubar bleibt. Viele Spitzenzüchter haben in der Regel nicht mehr als 8 bis 10 Zuchtpaare pro Farbenschlag. Lieber ein Zuchtpaar weniger als eines mehr. Damit bleibt mehr Platz und Frischluft im Schlag, was den Tauben wiederum zugutekommt. 

Gesundheitscheck im Taubenschlag
Sind die Zuchtpaare endgültig festgelegt, braucht es vor allem Geduld. Nun ist aber auch Zeit für einen Gesundheitscheck. Die meisten Tierärzte können heute ohne grosse Probleme einen Rachen-und Kloakenabstrich nehmen und untersuchen. Bringt der Züchter dann noch eine Sammelkotprobe zum Untersuchen mit, hat er schon einen guten Überblick über den Gesundheitszustand im Schlag. Dazu nimmt er von verschiedenen Stellen frischen Kot und bringt ihn in einem verschliessbaren Gefäss zum Tierarzt. Ideal ist es, wenn man in der Nähe einen Tierarzt hat, der Erfahrung mit Tauben hat. 

Das Ergebnis der Abstriche und der Kotprobe hat der Tierarzt schnell ausgewertet. Nur wenn er eine Unregelmässigkeit feststellt, ist etwas zu unternehmen. Und der Tierarzt hat in aller Regel die nötigen Medikamente zur Hand. Wichtig ist, sie strikt nach Vorgabe anzuwenden. Da die meisten Arzneien die Darmflora in Mitleidenschaft ziehen und den gesamten Organismus belasten, sollte der Züchter seine Tiere nach der Medikamentengabe unterstützen. 

Ein Multivitamin verbessert die Regeneration der Fitness und entsprechende Kulturen helfen dem Darm. Am besten eignet sich dazu etwas Naturjoghurt oder Kefir, das unter das Futter gemischt wird. Wer will, kann aus­serdem die Futterbestandteile etwas energieärmer wählen. Reis ist hierzu erste Wahl. Nach spätestens einer Woche sind die Tauben wieder im Normalmodus und können angepaart werden. 

Die Auswahl und Vorbereitung der Zuchtpaare braucht Zeit. Mehr als man auf den ersten Blick vielleicht vermutet. Spätestens, wenn man sich diese aber einmal genommen hat, wird man feststellen, welchen Erfolg das nach sich zieht. «Ohne Fleiss kein Preis»  – das gilt für jede Tierhaltung, und für die Taubenzucht ganz besonders.