Wer zusammen schöne Dinge erlebt, überträgt positive Gefühle auf den Partner. Gerade für den Bindungsaufbau zwischen Mensch und Hund spielen gemeinsame Aktivitäten eine wichtige Rolle. Lange müssen Hundehalter heute nicht nach Beschäftigungsmöglichkeiten für ihren Vierbeiner suchen. Dummytraining, Nasenkurs, Agility, Canicross, Dogdance, Dogscooting, Bikejöring: Die Auswahl an Freizeitaktivitäten und Sportarten für Hunde ist grösser denn je. Und so mancher Hundehalter hat auch schon allein deshalb das Gefühl, seinen Vierbeiner permanent bespassen zu müssen. Andere sehen im Hund auch den perfekten Sportbegleiter, der ihnen hilft, fit und selber bei der Stange zu bleiben.

Zwar sollten die gemeinsamen Aktivitäten auch dem Menschen gefallen. Ein Hund ist jedoch weder ein Sportgerät noch benötigt er ein 24/7-Powerprogramm. Zu viel des Guten kann beim Hund leicht in Stress und Überforderung münden. Im schlechtesten Fall sind dauerhafte Nervosität bis hin zu Verhaltensproblemen die Folge. Auch beim Spielen mit dem Hund gilt es, Augenmass zu bewahren. Dies betrifft insbesondere den Klassiker aller Hundespiele, das Bällewerfen. Zwar spricht nichts dagegen, wenn der Hund gelegentlich einem Spielzeug nachrennt und dieses holt. Ab einem gewissen Mass an Wiederholungen tut es jedoch den meisten Vierbeinern nicht gut. Denn: Jedes Hetzen und auch Schnappen der «Beute» erzeugt beim Hund einen Adrenalinkick, der seinen Erregungslevel in die Höhe treibt. «Manche Hunde werden richtig süchtig danach. Diese ‹Balljunkies› haben nur noch den Ball im Kopf und blenden ihre Umwelt komplett aus», so Christina Sondermann, Fachautorin für Hunde mit besonderem Schwerpunkt auf dem Thema «Spass mit Hund».

Enrichment statt Auspowern

Das heisst nicht, dass nun spielzeugbegeisterte Hund-Mensch-Teams vollends auf ihr Vergnügen verzichten müssen. «Wer das Lieblingsspielzeug häufiger versteckt als wirft, der macht aus der wilden Hatz ein erfüllendes, langandauerndes Suchspiel, bei dem der Hund seine Nase einsetzen muss. Das macht ihn zufrieden und ausgeglichen», erklärt Sondermann. Es sei ein weitverbreiteter Irrtum zu glauben, dass sich gut beschäftigte Hunde vor allem physisch auspowern müssen. Vielmehr ginge es tatsächlich um eine artgerechte Bereicherung des Hundelebens (engl. Canine enrichment), bei dem sich der Hund entsprechend seinem ganz natürlichen Verhalten entfalten kann.

Ideen für drinnen und draussen
A. Schatzkiste (Nasen-, Schnauzen-, Körper- und Kopfarbeit)
Packe dem Hund ein gefülltes Kauspielzeug in Packpapier. Stecke es in einen Karton. Schiebe den Karton ein Stück unter das Sofa. Und dann darf ihn der Hund herausarbeiten, das Kauspielzeug auspacken und es geniessen. Tipps für Anfänger: Das Kauspielzeug nur locker einwickeln, Karton geöffnet lassen und etwas unter dem Sofa hervorschauen lassen. Tipps für Profis: Karton zunehmend etwas kniffliger verstecken oder andere «Schatzkisten» wählen, zum Beispiel eine umgedrehte Plastikbox oder auch einen Eimer, der an einem Seil aufgehängt ist. Dann den Hund anfeuern, ihn ermutigen und sich mit ihm über seinen Erfolg freuen.

B. Schnüffelparcours (Nasen- und Körperarbeit, Teamwork)
Suche natürliche Parcours-Elemente, über die der Hund steigen, klettern, balancieren oder an denen er sich hochrecken muss. Das können sein: ein Mikado aus Ästen im lichten Unterholz, tiefes Laub, dicke Baumwurzeln, rutsch- und rollfeste Baumstümpfe oder knorrige Wurzeln. Streue grossflächig das Futter darüber aus oder lege ihm eine Futterspur. Bewege dich mit deinem Hund über und durch den Parcours: Balanciere mit ihm über einen Baumstamm, tauche unter Geländern durch, stapfe durchs Laub etc.

C. Umrunden von Gegenständen (Körper- und Kopfarbeit)
Die Übung lässt sich drinnen am besten mit einem kleinen Hocker und draussen mit einem Baumstumpf durchführen. Setze den Hund davor ab und führe ihn mit einem Futterstück in der Hand (vor seiner Nase) um das Objekt herum. Hat der Hund das Objekt umkreist, fügst du am Ende der Runde ein Signal, z.B. «Herum», hinzu. Diese Übung so lange wiederholt, bis der Hund flüssig der Hand folgt. Und im nächsten Schritt lässt man dann das Futter weg, führst ihn mit der gleichen Handbewegung einmal um das Objekt und gibt ihm dann am Ende ein Futterstückchen aus der Tasche. Klappt das gut, wird die Distanz schrittweise auf einige Meter vergrössert. Am Ende kann man den Hund auch auf dem Spaziergang mit dem Signal «Herum» prima um alle möglichen Objekte herumschicken.

Wie finde ich das passende Hobby?

Um die für den Hund die optimale Beschäftigung zu finden, empfiehlt die Hundespiel-Expertin, vor allem auf artspezifische Vorlieben zu achten. Dazu zählen auch Nahrungsbeschaffung durch Nasenarbeit (zum Beispiel Futtersuche) und Schnauzenarbeit (wie Ausschlecken eines gefüllten Kau-Spielzeugs). Und auch beispielsweise das sogenannte «Zeitunglesen», also das genaue Erkunden der Umgebung mit der Nase, sowie gemeinsame Spaziergänge mit Hundefreunden seien etwas, das in der Regel den meisten Hunden gut gefällt.

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Manche Beschäftigungsideen lassen sich auch von der Rasse ableiten. Für einen Windhund zum Beispiel, der zu den «Sichtjägern» gehört, kann ein Suchspiel mit den Augen besonders reizvoll sein. Hingegen ein Dackel, der gerne eigenständig arbeitet, lässt sich sehr gut mit Denksportaufgaben auslasten und für einen Golden Retriever ist Apportieren möglicherweise das Grösste.

Doch nicht jeder Hund zeigt die rassetypischen Veranlagungen. Hundebesitzer sollten daher ihren Vierbeiner im Alltag ganz genau beobachten und auf individuelle Neigungen achten. Trägt er gerne Dinge in der Schnauze herum? Verfolgt er jede Spur? Hat er einen grossen Bewegungsdrang oder geht er auch gerne ins Wasser? Je nach dem empfehlen sich dann vielleicht Apportier- und Suchspiele oder möglicherweise auch gemeinsame körperliche Aktivitäten wie Joggen, Radfahren oder Walken. Wichtig ist bei der Auswahl der passenden Beschäftigung natürlich auch immer die Rücksichtnahme auf Alter und Gesundheitszustand des Hundes.

Auch Kuscheln ist Beschäftigung

Insbesondere unsichere Vierbeiner können von einem erfüllenden Hobby profitieren, da es ihnen zu mehr Selbstbewusstsein verhilft. Die befürchtete Gefahr, dass bestimmte Spiele wie das Auseinanderreissen von Karton gerade bei jungen Hunden ein unerwünschtes Verhalten fördern, sieht die Hundespiele-Expertin nicht. Der Drang, die Zähne einzusetzen und Dinge zu zerlegen, stecke grundsätzlich in jedem Vierbeiner. «Und wenn ich nicht dafür sorge, dass Erlaubtes zur Verfügung steht, dann sucht sich der Hund eben eine Alternative wie Pantoffeln, Teppichkanten etc.» Halter könnten durch eine explizite Freigabe gut unterscheidbar machen, wann der Hund den Karton zerreissen darf und wann nicht. Gemäss Fachleuten sollten Hunde am Tag durchschnittlich zwei Stunden beschäftigt werden. Als Beschäftigung gilt allerdings jegliche Form von Abwechslung. Dazu zählen neben körperlichen und geistigen Aktivitäten auch soziale Interaktionen wie Kuscheln, Fellpflege und gemeinsame Spaziergänge.

Auch das direkte Umfeld spielt eine wichtige Rolle. «Gerade wenn der Hund in einer lebhaften Familie zu Hause ist, sollte man darauf achten, dass er nicht in ‹Freizeitstress› gerät», sagt Sondermann. Bei allen Hobbies sei es wichtig, dass genug Zeit zum Entspannen bliebe. «Hunde brauchen mindestens doppelt so viel Ruhe und auch Schlaf wie wir Menschen, um zufrieden und ausgeglichen zu sein», betont die Fachautorin für Hunde Christina Sondermann.

Hat der Hund genug Ruhe?
Viele Hundehalter sind so bemüht, ihren Hunden ausreichend Bewegung und Beschäftigung zu bieten, dass sie vergessen, für genug Entspannung zu sorgen. Um zufrieden und ausgeglichen zu sein, sollten Hunde etwa 15 bis 20 Stunden pro Tag ruhen oder schlafen. Nervösen Vierbeinern, die nach aktiven Phasen wie Spaziergängen, Training oder Hundesport nur schwer zur Ruhe kommen, denen helfen Kauartikel und gefüllte Schleckspielzeuge beim «Herunterfahren».

... dann klappt’s auch mit der Erziehung?

Bei der Beschäftigung von Hunden geht es Christina Sondermann darum, die arteigenen Verhaltensbedürfnisse zu befriedigen – dies ganz unabhängig von der Erziehung oder auch vom Beherrschen bestimmter Grundkommandos. Doch dafür sind gemeinsame Aktivitäten vorteilhaft. Denn: Sie fördern nicht nur eineharmonische Mensch-Hund-Beziehung, sondern auch das Teamwork. Dabei lernt der Hund, dass es sich für ihn lohnt, wenn er sich am Menschen orientiert – eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Hundeerziehung.

 

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