Gabriela Frei, Hundetrainerin bei eDOGcation:

«Es gibt wenig Hunde mit echter Trennungsangst. Der Hund hat in solchen Fällen Panik, weil er fürchtet, dass der Verlust für immer ist. Oft geht das Verhalten auf mangelnde Lernerfahrung zurück. Wenn man die Beziehung von Anfang an richtig aufbaut, lässt sich das sehr gut vermeiden. Aber klar: Einen zehn Wochen alten Welpen kann man nicht einfach so vier Stunden allein zu Hause lassen.

Wichtig ist es, dem Hund in den eigenen vier Wänden beizubringen, dass er einem nicht Schritt auf Tritt folgt. Das muss laufend trainiert werden, indem man zum Beispiel in einer ersten Phase die Tür beim Duschen zumacht. So merkt der Hund: Es ist normal, dass Menschen kommen und gehen – eine geschlossene Türe ist kein Grund, beunruhigt zu sein. Der Hund soll nach und nach lernen, beim Gang zum Briefkasten auf seinem Plätzchen zu bleiben, später dann auch über längere Zeit.

Wenn die Bindung zum Menschen stabil und sicher ist und man dem Hund das Alleinsein Schritt für Schritt beibringt, hat die Angst keinen Nährboden. Das Problem für destruktives oder auffälliges Verhalten liegt oft in der Bindung beziehungsweise einer falschen Rollenverteilung zwischen Mensch und Hund.

Echte Trennungsangst lässt sich unschwer erkennen: Der Hund ist extrem gestresst, läuft nervös hin und her, die Rute ist eingezogen, die Laute sind weinerlich und verzweifelt. Es macht Sinn, diese Reaktion einmal aufzunehmen. Jene Hunde, denen das Alleinsein aus anderen Gründen zu schaffen macht, laufen eher frustriert oder fordernd durch die Wohnung und geben ganz andere Laute von sich. Das ist keine echte Trennungsangst.

Ich empfehle, kein grosses Aufheben zu machen beim Kommen und Gehen; Abschiedsroutinen sind nicht zielführend. Meine Hunde bleiben oft einfach liegen, wenn ich zurückkomme. Ein allzu grosses Hallihallo beim Wiedersehen kann eine Erwartungshaltung schüren und dem Hund das Alleinsein zusätzlich erschweren.

Vermutet jemand Trennungsangst, rate ich, keine Selbstdiagnose zu stellen, sondern das Verhalten von einem Profi analysieren zu lassen. Oft stellen wir bei genauerem Hinsehen fest, dass es sich nicht um eine Trennungsangst, sondern um eine Angst vor dem Kontrollverlust gegenüber dem Menschen handelt.

Probleme tauchen meistens nicht isoliert auf: Häufig zeigt sich, dass auch andere Dinge beim Zusammenleben nicht rund laufen: Meist sind es genau diese Hunde, die auch nicht schön an der Leine laufen, nicht auf Rückruf hören etc. Hier gilt es, das Gesamtbild der Mensch-Tier-Beziehung anzuschauen.»

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Patricia Wantz; Hundetrainerin bei Amicanis:

«Trennungsstress bei Welpen ist natürlich: Verliert ein Welpe den Anschluss, fällt er in die biologisch eingerichtete Angst und beginnt Laute von sich zu geben, damit die Mutter ihn schnell wieder findet. Ohne die Nähe zur Mutter würde er nicht lange überleben. Gut zu wissen: Bei Tierarten, die keine Brutpflege betreiben, wie etwa Meeresschildkröten, tritt keine Trennungsangst auf. Trennungsstress bei Hunden ist somit ein angeborener Mechanismus, der im Laufe des Lebens durch individuelle Lernerfahrungen beeinflusst wird. Wenn wir von Lernerfahrungen sprechen, sind wir schon mitten im Thema Training. Hunde lernen immer. Nicht nur, wenn wir bewusst mit ihnen «trainieren».

Ein Trainingsplan muss zur individuellen Vorgeschichte des Hundes passen. Hat der Hund bereits Trennungsstress erlebt? Wenn ja, wie oft, wie intensiv und womit hat er es verknüpft? Je nach Ausgangslage startet das Training an einem anderen Punkt oder in einem anderen Setting. Mit einem kleinschrittigen Training kann bereits ab Übernahme begonnen werden. Wir setzen dort an, wo es gar noch nicht ums effektive Alleinsein geht, sondern um den Aufbau von Sicherheit und Wohlbefinden, gerne geknüpft an den Ort, z.B. das Hundebett, wo der Hund später allein sein wird. Für diese «Wohlfühloase» betreibe ich viel «Marketing». Dort entspannen wir gemeinsam, dort findet er immer wieder tolle Leckereien usw. Bald üben wir, dass ich mich etwas entfernen kann. Später gehe ich noch weiter weg, zuerst an den Laptop und schliesslich ausser Sichtweite. Es sind viele Etappen, bis ich die Zimmer- und später sogar die Haustür verschliesse.

Rituale, Hilfsmittel und eventuell Hundesitting können über den ganzen Prozess hinweg eine grosse Unterstützung sein. Sie sind besonders wichtig, wenn der Hund zuvor bereits Trennungsstress erfahren hat oder eine «Überabhängigkeit» zum Besitzer besteht. Wichtig im Hundetraining ist immer: Wie fühlt sich der Hund dabei? Mit dem Ziel, dass er zukünftig wirklich entspannt allein sein kann, müssen wir clevere Trainingsschritte schaffen, welche er ohne Stress durchlaufen kann.

Übrigens: Trennungsstress kann aus den unterschiedlichsten Gründen in jedem Alter ausgelöst werden. Es gibt auch viele «stille Opfer» – oft im Unwissen der Besitzer, weil die «lauten Anzeichen» wie Bellen fehlen. Deshalb empfehle ich, den Hund in der Trainingsphase immer und danach regelmässig mit Video zu beobachten und sich frühzeitig professionelle Unterstützung zu holen. Je früher man Verhaltensprobleme anpackt, desto einfacher lassen sie sich aus der Welt schaffen.»