Sie hilft bei der Erziehung des Junghundes, verhindert unkontrollierte Zusammentreffen mit Tieren oder Verkehrsteilnehmern und behält Hund und Halter stets in Verbindung zueinander: Die Leine ist das Hilfsmittel schlechthin im Zusammenleben mit einem Hund. Dabei kommt sie in der Regel nur draussen zum Einsatz. In den eigenen vier Wänden soll der Hund sich zu Hause fühlen und sich frei bewegen können. Leinenpflicht, so die landläufige Meinung, herrscht draussen schon genug.

Marlen Brandenberg sieht das anders. Die Hundetrainerin und -verhaltensberaterin aus Hüntwangen ZH arbeitet nicht nur draussen, sondern auch im Haus beziehungsweise in der Wohnung mit der Leine. Die so genannte «Hausleine» werde aber oft auch falsch genutzt, gibt Brandenberg zu bedenken. Daher sei es wichtig, das richtige Handling zu verstehen. «Es geht nämlich nicht darum, den Hund irgendwo anzubinden und ruhigzustellen, sondern darum, ihm in diversen Situationen des Alltags im Haus Unterstützung zu bieten, wo er diese braucht.»

Hausleine als Unterstützung

Die Hausleine besteht aus einem leichten und weichen Brustgeschirr – «kein Halsband!» – und einer ebenfalls sehr leichten, mindestens drei Meter langen Leine mit einem Minikarabiner. «Leine und Geschirr müssen äusserst angenehm sein und dürfen den Hund nicht stören», sagt Brandenberg. Drinnen sollte also nicht dieselbe Leine und dasselbe Brustgeschirr zum Einsatz kommen wie draussen.

«Zum einen muss man nicht grosse Kräfte halten können und zum andern soll der Hund das Hausgeschirr und die Hausleine nicht mit dem Spazierengehen verknüpfen», erklärt Brandenberg. Die Hausleine dient dem Management in schwierigen Situationen, in denen der Hund Unterstützung braucht, und ist nur der verlängerte Arm des Menschen.

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So können Situationen im Haus verhindert werden, bevor sie entstehen. «Sobald man sieht, dass ein Hund ein Verhalten zeigt, das man nicht möchte, nimmt man ihn schon von Anfang an aus der Lage heraus beziehungsweise lässt ihn durch die Leine gar nicht erst in die Situation reinkommen.» Dadurch gebe man dem Hund Sicherheit und zeige ihm auf eine für ihn verständliche Art und Weise, was man gerne von ihm hätte.

Die Leine sei dran, damit die Halterin oder der Halter den Hund gut aus der Situation wegführen kann, ohne dass er oder sie ihn direkt am Halsband anfassen oder gar ins Fell packen muss. «Man bedroht den Hund damit auch körperlich nicht, was leider oft passiert, wenn man in brenzligen Situationen schnell handeln muss», erklärt die Hundetrainerin. Herrchen oder Frauchen können so ruhiger agieren und den Hund in seinem Alternativverhalten unterstützen.

Wenn andere Tiere einziehen

Brandenberg erklärt das an einem Beispiel: Wenn der Hund die neue Katze im Haushalt fixiert. «Mit der Hausleine habe ich die Möglichkeit, den Hund ruhig mit mir aus dieser Situation zu nehmen und in eine grössere Distanz zu gehen», schildert Brandenberg. «Wir gucken uns die Katze in Ruhe aus zum Beispiel fünf Metern Entfernung an, und wenn der Hund sich von alleine abwendet, wird er ruhig gelobt und kriegt ein Gudeli oder Keksregen.»

Läuft der Hund zur Katze hin, stoppe sie ihn an der Leine, ganz fein, ohne daran zu ziehen. Es gehe nicht darum, den Hund an der Leine zu kontrollieren oder mit Leinenruck oder dergleichen zu bestrafen. «Die Leine hilft nur uns Menschen, die wir oftmals zu langsam sind, damit wir den Hund nicht in eine doofe Situation laufen lassen müssen.»

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Die Hausleine bleibt so lange dran, bis diese Situationen nicht mehr stattfinden beziehungsweise der Hund durch dieses Management ein anderes Verhalten zeigen kann. Und im Fall mit der Katze kommen Leine und Geschirr immer dran, wenn die Katze in der Nähe ist. «Das kann Wochen bis Monate dauern», sagt Brandenberg. Die «brenzligen» Situationen nehmen aber stetig ab, und irgendwann brauche man die Leine nicht mehr.

Dabei predigt Brandenberg nicht nur reine Theorie, sondern hat selber Erfahrungen mit der Hausleine gemacht. Dann nämlich, als Akita-Hündin Miyuki bei Brandenberg und ihren Chihuahuas einzog. «Die wären relativ schnell platt gewesen, hätte Miyuki nicht von Beginn an Hilfe von mir bekommen, wie man mit den ‹Minis› umgeht», erklärt Brandenberg. Und mit der Hausleine habe sie im Gegenzug auch gute Situationen zwischen Miyuki und den Chihuahuas beruhigter zulassen können.

Sie habe ihrem Akita-Welpen das Brustgeschirr aber auch dann angezogen im Haus, wenn es Situationen gab, die für ihn schwierig waren – zum Beispiel bei Besuch oder wenn Miyuki Mühe hatte, zur Ruhe zu kommen. Situativ sei die Leine dann auch im Junghundealter und der Pubertät im Einsatz gewesen, an Tagen, an denen viel los war und Miyuki Mühe hatte, von alleine runterzufahren. «Da sie die Hausleine schon als Welpe kannte und durch all die lehrreichen Situationen und Hilfestellungen positiv verknüpft hatte, half es ihr sofort, zur Ruhe zu kommen, wenn ich ihr das Brustgeschirr anzog.»

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Zum Runterkommen als Junghund

Die Hausleine mache aber auch in anderen Situationen Sinn – immer dann, wenn der Hund noch nicht weiss, wie er sich von sich aus angemessen verhalten soll und kann. «Das kommt oft bei Welpen und Junghunden vor», sagt Brandenberg. Sie nennt als Beispiel Situationen, wie wenn es an der Tür klingelt, Besuch vorbeikommt oder Gäste wie beispielsweise Kinder dem Hund suspekt sind.

Mit der Hausleine könne man dem Hund Schutz bieten und ihm zeigen, dass er gar nicht zu den Leuten hin muss, sondern auch mit Abstand schauen kann. «Gerade bei jungen Hunden und auch bei Hunden aus dem Tierschutz sind Besuchssituationen sehr aufregend», weiss Brandenberg. «Sie springen an Menschen hoch oder verbellen sie, weil sie noch nicht wissen, wie sie mit ihrer Aufregung umgehen können, und dabei fühlen sie sich selbst auch nicht wohl.

Da brauchen sie besonders unsere Hilfe mit der Hausleine.» Diese sei für den Hund viel angenehmer und verständlicher, weil er nicht korrigiert wird, nachdem er ein unerwünschtes Verhalten wie zum Beispiel Hochspringen zeigt, sondern man ihm von Beginn an hilft, mit Abstand, Ruhe und Zeit die Besuchssituation ruhiger anzugehen.