Auf Trottinetts rauschen Menschen über den Waldweg, vorbei an Bäumen und Sträuchern – gezogen von ihren Hunden. Mit dabei: Manuela Albrecht und ihr Hund Limy. Albrecht steht der Angstschweiss auf der Stirn. «Wegen des Tempos. Das Ziehen fordert mich genauso heraus wie Limy.» Dogscooting nennt sich der Trendsport, der mittlerweile eine eigene Szene mit zahlreichen Kursen hat. Bei einem solchen Wochenendworkshop war Albrecht dabei und schwärmt nun: «Ich fahre nur noch Scooter, und das tue ich mit meinem Limy vorgespannt!»

Morgens um neun hatte sich die Hundetrainerin und Tierpsychologin aus Wittenbach SG mit ihrem spanischen Tierschutzhund in Kleinandelfingen ein- gefunden. Bei gefühlten null Grad wollte sie sich mit weiteren sechs Frauen und vier Männern in die Welt des Dogscootings einführen lassen. Kurz bevor es losgeht, wird es Albrecht jedoch mulmig. Fragen gehen ihr durch den Kopf: Was tue ich, wenn Limy nicht mitmacht? Kann ich das überhaupt? Fahren die anderen vielleicht zu schnell für mich?

Für den theoretischen Part finden sich alle Kursteilnehmer in einer kleinen Gartenlaube ein. Dort erhalten sie neben Antworten Grundwissen um den Sport, zum Beispiel, dass sie niemals den Scooter loslassen dürfen, sogar bei einem Sturz nicht. Der Hund könne sonst mit dem Scooter davonrennen.

Dogscooting will geübt sein

Im praktischen Teil passen die Teilnehmer zuerst ihren Hunden das Zuggeschirr an. Das ist wichtig, denn das Geschirr verteilt die Zugbelastung gleichmässig über den Rücken des Tieres. Hunde mit Rückenerkrankung dürfen daher nicht ziehen. Ganz von allein laufen die Hunde aber nicht los. Für die richtige Motivation sorgt der Instruktor. «Er lockt den Hund mit einem Napf Super-Leckerli. Bei einem solchen Futter-Jackpot läuft fast jeder Vierbeiner sofort los», erzählt Albrecht. Der Mensch trabt zuerst ein Stück nebenher, dann steigt er auf. Und wieder ab. «Denn das richtige Losfahren mit Scooter am Hund will geübt sein.

Es soll keinen Ruck geben.» Eine Stunde dauert es, dann können es alle. Mit dem Instruktor auf dem Velo samt Futter-Belohnungs-Napf voran geht es los. Frei nach dem Film «Forest Gump» schallt Albrechts Ruf durch den Wald: «Run, Limy, run!» Doch Limy nimmt es gemütlich. «Er hatte den Sinn des Scooter-Ziehens wohl noch nicht erkannt. Aber das ist okay: der Hund soll ja wollen und nicht müssen.» Limy schafft es auf eine Höchstgeschwindigkeit von schlappen 14,5 km/h. Ausreichend, um Albrecht den Schweiss auf die Stirn zu treiben.

Am zweiten Tag zeigt Manuela Albrecht bereits mehr Routine. «Luft und Bremsen kurz kontrollieren, Bungee-Leine anbringen, dem Hund das Geschirr überstülpen, festziehen und fixieren, aufwärmen, Hund vorspannen – das war’s.» Noch ein rasches Locken durch die Hilfsperson und schon düsen die Hunde samt Scooter davon.

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Schnell ist klar: Während nordische Rassen langsamer unterwegs sind und später ermüden, zeigen kurzhaarige, sportliche und jagdbegeisterte Vierbeiner mehr Speed. Auch Limy bringt es auf stattliche 26 km/h. «Spitze von Limy und lebensmüde von mir», meint Manuela Albrecht lachend.

Noch heute sorgt sich die Hundetrainerin, dass es zu einem Unfall kommen könnte. «Ich freue mich daher jedes Mal, wenn wir mit dem Scooter wieder heil am Ausgangspunkt ankommen.»

Damit dies so bleibt, müssen Hunde interessante Dinge links liegen lassen können. Das wird im Kurs ebenfalls fleissig geübt. Plüschtiere, Spielsachen, Futter, Menschen und Artgenossen dürfen von den Vierbeinern nicht beachtet werden. Albrechts anfängliche Skepsis ist mittlerweile von viel Humor geprägt. «Sonst landet man im Teich, wenn der Hund Enten hinterherjagt.» Bis der eigene Hund alles ignoriert, müsse man absteigen, den Hund halten und warten, bis die Situation vorbei ist. In diesem Punkt ist Limy aber bereits Profi.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 16/2022 vom 11. August 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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Von «Lift» zum Dogscooting

Bei seinem Einzug vor vier Jahren war Albrecht schnell klar, dass der Tierschutzhund noch und gerne zog. «Limy lief mit mir im Schlepptau sofort los, was bergauf natürlich angenehm für mich war.» Albrecht setzte das Bergziehen unter das Hörzeichen «lift». Damals ahnte sie nicht, welche Ausmasse dieses «lift» annehmen würde. Eins führte zum anderen: Die Hundetrainerin kaufte ein spezielles Zuggeschirr und einen Jogging-Gurt mit Bungee-Leine und joggte mit Limy durch den Wald.

Die Idee reifte, im Zughundesport mitzumachen. «Ich kaufte ein Trike. Drei Räder schienen mir damals sicherer.» Sie legte sich eine Schutzausrüstung zu. «Mit Schildkröte, Schulter-, Ellbogen-, Handgelenk-, Knie- und Kopfschutz sah ich aus wie Robocops Schwester!» Während dieser Zeit lernte Limy Hörzeichen für die Strassenseiten «rechts» und «links», die Richtungen «right», «left» und «geradeaus» sowie die Tempi «walk», «trot», «run» und «stop».

Richtig glücklich wurde Albrecht mit dem Trike jedoch nicht. «Meine Kurventechnik liess zu wünschen übrig, ein gewisses Sturzrisiko war daher immer gegeben und machten entspannte Fahrten unmöglich.» Ausserdem ist das Gerät zu schwer und sperrig. «Ein Scooter hingegen ist wendiger und mit 12 Kilogramm sehr viel leichter. Er passt in mein Auto, die Räder können ganz leicht mittels Schnellverschluss ab- und anmontiert werden.»

Eingepackt
Technisch
• Dog Scooter: Entsprechend dem eigenen Zweck.
• Zuggeschirr: Es muss perfekt sitzen, darf nicht scheuern, sollte gepolstert, wasserabweisend und leicht sein.
• Bungee-Leine: Mit einem Ruckdämpfer ausgestattet, federt sie ruckartige Belastungen am Rücken des Hundes ab.
• Bikeantenne: Garantiert einen Sicherheitsabstand zwischen Zugleine und Vorderrad.
• Bikeschlupf: Verbindet die Zugleine mit dem Scooter. Mit einem «Paniksnap» kann der Hund zudem in Gefahrensituationen vom Gefährt getrennt werden.
• Schutzkleidung: Velohelm oder Jet-Helm sowie Handschuhe.

Rund um den Hund:
• Geeignet sind Hunde ab zwei Jahren mit mindestens 18 kg Körpergewicht.
• Bei Unsicherheiten und tiergesundheitsrelevanten Fragen zuerst den Tierarzt konsultieren.
• Mit etwa einem Jahr anfangen, leicht unter Zug die Hörzeichen üben, vor allem «Stopp!».
• Eventuelle Aggressionen des Hundes mit gezieltem Training ablegen lassen.
• Mit Sitz- und Platzübungen sowie einem kurzen Spaziergang den Hund aufwärmen.
• Vor und nach dem Training respektive jeder Runde ausreichend trinken lassen.
• Zugsport ist nichts für jeden Tag, denn auch Hunde bekommen Muskelkater.

Am Tag nach dem Workshop kauft sich Albrecht einen Scooter, so sehr begeistert sie diese Sportart. «Limy wird geistig und körperlich ausgelastet. Zudem wächst unser gegenseitiges Vertrauen mit jeder Runde.» Auch Albrecht fordert das Dogscooting. Noch immer muss sie darauf achten, nach vorne auf den Weg zu schauen, um nicht zu verkrampfen. «Das ist nicht so easy, wie es aussieht!» Nach den ersten Runden schmerzten dann ihre Hände, Arme und Schultern.

«Auf dem Scooter belastet man ein Bein ganz fest, das andere dient vor allem beim Aufwärtsfahren dem Treten. Beim Bremsen bergab ist dann die Belastung auf Hände, Schultern und Rücken gross.» Doch selbst für «ältere Semester», wie sich Albrecht scherzend bezeichnet, biete Dogscooting eine sehr grossartige Abwechslung zum Gassigehen. «Run, Limy, run!»