Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Einsatz als Spürhundeführer und -ausbilder?

Das erstes Mal im Einsatz war ich in Bosnien mit meinem selbst ausgebildeten Kameraden. Zu dieser Zeit gab es noch keine Regularien und einheitliche Ausbildung von Spürhunden. Ich habe lange in Eigenregie diese Leitlinien und Standards ausgearbeitet und dort im hiesigen Ministerium schliesslich einen dicken Ordner eingereicht. Meine Aufzeichnungen waren der Anfang von einheitlichen Ausbildungen und Tests im Bereich Minen- und Sprengstoffspürhunde. Seit dem war ich in vielen Ländern im Einsatz und habe viele Hunde ausgebildet. Dieser Bereich entwickelte sich immer weiter. Wir waren unteranderem bei der US-Army und haben dort die ersten zehn Teams ausgebildet.

Wie kann man sich die Arbeit als Minenspürhund und Führer vorstellen?

In einen abgesperrten, in Quadrate unterteilten Bereich wurden die Teams geschickt, um nach Minen zu suchen. Diese wurden dann vom Menschen markiert. Sobald das Quadrat abgesucht war und das Team weit genug weg war, wurden diese systematisch gesprengt. Wichtig war, die Nase des Hundes nicht durch die Sprengung zu verwirren. So war es in Bosnien. Jedes Land wurde etwas anders vorbereitet. Afghanistan oder Afrika hat sich im Vorgehen schon wieder unterschieden. Ich hatte schon verlässliche Hunde dabei. In Afghanistan gab es einen, der hat in einer Woche 60 Blindgänger an Strassen gefunden.

[IMG 2]

Gab es mal eine Situation, bei den Ihnen das Blut in den Adern gefroren ist?

Mir ist dann das Blut in den Adern gefroren, wenn ich in einer Minensperre ohne Kamerad war. Das ist mir mehr als nur einmal passiert. Im Idealfall hatte ich noch einen Metalldetektor dabei, aber denen traue ich nicht über den Weg. Ich vertraue meinem Hund, der deutlich bessere und genauere Arbeit leistet. An einen Fall erinnere ich mich noch besonders gut. Ich war damals in Bosnien und ein Einheimischer kam auf der Suche nach Hilfe zu uns. Sie wollten eine Kirche wieder aufbauen, aber um sie herum lagen viele Panzerminen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen Hund dabei und wir beschlossen trotzdem uns das mal genauer anzusehen. Eine dieser Minen lag halb unter eines umgestürzten Betonpfeilers und es war nicht sicher, ob sie scharf war oder nicht. Mein Entschluss: Versuchen, sie herauszuziehen. Erst haben wir den Bereich weitläufig abgesperrt und dann bin ich ans Werk gegangen. Ich muss sagen, dass war eine spannende Kiste. Wie man sieht, ist es gut gegangen. Würde ich heute nicht mehr machen.

Müssen die Hunde für ihren Einsatz Regularien erfüllen?

Natürlich, denn es hängen Leben davon ab. Jeden Morgen bevor sie ins Feld gehen, werden sie getestet. Sollte der Hund an dem Tag nicht in Topform und völlig auf der Höhe sein, bleiben Führer und Hund im Lager und setzen den Tag aus. Jedes Risiko wird vermieden.

Werden nur Schäferhunde oder Malinois als Spürhunde ausgebildet?

Nein, ich habe auch schon viele andere Rassen ausgebildet. Darunter auch ein Cocker Spaniel, Mischlinge aus dem Tierheim und Labrador. Die Arbeit unterscheidet sich je nach Rasse sehr stark. Zwei Dinge sind wichtig: der Spieltrieb und eine gewisse Persönlichkeit. In München zum Beispiel gibt es ein Szenario, bei dem die Hunde mit einem Kran hinauf gezogen werden. Dafür ist ein besonderer Charakter wichtig. Er muss denken: «Alles gut, Hauptsache oben ist ein Bällchen, wenn ich da ankomme.»

Was ist der Kern der Ausbildung zum Spürhund?

Der Spieltrieb veranlasst die Hunde ihr Bällchen zu suchen. Nur eben über den Umweg Sprengstoff oder Mine. Aber im Prinzip suchen sie immer nach ihrem Ball.

Was passiert, wenn die Hunde in Rente gehen?

Ein Cocker Spaniel wurde als Rauschgiftspürhund ausgebildet und wurde aber irgendwann nicht mehr gebraucht. Also brauchte er eine neue Aufgabe, denn so sind diese Hunde gestrickt. In dem Fall habe ich ihn umtrainiert, Chemikalien bzw. Geschmacksstoffe zu suchen. Vom Labor bekam ich Proben, die in unterschiedlichen Konzentrationen mit dem Zielstoff versetzt waren. Dieser Cocker hat es geschafft, bis 72 ppt (parts per trillion) Verdünnung den Zielstoff zu finden.

Man hört viel vom Welpentest. Kann man schon bei Welpen sehen, ob sie sich zum Spürhund eignen?

Nein, das kann man nicht. Mit der Zucht kann man beste Voraussetzungen schaffen, um möglichst geeignete Welpen zu ziehen. Nicht jeder Welpe hat das Zeug Spürhund zu werden. Ich schaue mir die Hunde erst an, wenn sie ein Jahr alt sind.

Welche Prinzipien sind Ihnen bei der Ausbildung von Spürhunden wichtig?

Zuerst einmal stellt sich die Frage: Ist der Hund für diese Aufgabe gemacht? Er muss belastbar nach seinem Spielzeug suchen wollen. Nach jeder Übungseinheit muss er Erfolg haben. Jegliche Fehlerquellen müssen vorher ausgeschaltet werden. Der Prozess der Ausbildung ist individuell bei jedem Hund und kann so gar nicht verallgemeinert werden. Ein starres System gibt es bei mir nicht, da jeder Hund auch etwas anderes anbietet und individuell betreut werden muss. Nach all den Jahren höre ich auf mein Bauchgefühl. Eine Sache, die mir bei allen Hunden während der Ausbildung passiert ist, ist folgendes: Zwei bis drei Wochen nach Beginn des Trainings kann der Hund recht sicher die verschiedenen Gerüche auseinanderhalten. Doch dann kommt der Tag, wo er vor einem sitzt, suchen soll und einen anschaut: Bitte? Habe ich ja noch nie gehört! Erkennt man diesen Punkt, legt man ein paar Tage Pause ein, damit er sich neu justieren kann. Was mir im Training oft auffällt ist eine Situation wie diese: Der Hund springt über ein Hindernis. Und das macht er gut. Das wiederholt man und wiederholt man – bis der Hund einen Fehler macht. Richtig wäre es, aufzuhören bevor der Fehler passiert. Einmal gesprungen – super gemacht – Ende. Der Hund sollte aufhören, wenn er es richtig gut gemacht hat. Er bekommt seine Bestätigung und das war's dann. So beendet ich das Training.


[IMG 3]

Buchtipp «Im Schatten der Gefahr» 
In seinem Buch erinnert Martin Weitkamp sich an seine ganz besonderen Hunde, die Einsätze und auch an die Hürden, die er mit ihnen bei der Ausbildung meistern musste. Humorvoll erklärt er nebenbei die Grundsätze für eine erfolgreiche Ausbildung. Egal ob Anfänger oder Profi, Chihuahua- oder Doggenhalter: für jeden ist ein AHA-Effekt dabei. Das Buch gibt es beim Herausgeber MINERVA VERLAG  (Hardcover, 128 Seiten, s/w, ISBN: 978-3-9815634-2-9)