Frau Lautz, inwiefern ist Dogsharing ein Thema in Ihrem Alltag als Hundetrainerin?
In unserem Kundenkreis gibt es viele Hundehalter, die die Fürsorge für ihren Liebling mit jemandem teilen – sei es innerhalb der Familie, unter Freunden oder auch mit externen Personen. Daher sind wir im Rahmen unserer Kurse und Seminare immer wieder auch mit Fragen konfrontiert, die dieses Betreuungsmodell mit sich bringt, das unserer Erfahrung nach in den letzten Jahren übrigens deutlich zugenommen hat.

Woran liegt das?
Zum Einen wollen immer mehr Menschen einen Hund halten. Zum Anderen haben sich die Arbeitsmodelle verändert hin zu vermehrter Schicht- und Teilzeitarbeit. Und während es früher jeweils hiess, dass jemand, der arbeitet, besser keinen Hund halten soll, weiss man heute, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, auch als Erwerbstätiger einem Hund ein artgerechtes Leben zu bieten. Eine davon besteht eben im Dogsharing.

[IMG 2]

Als Rudeltier ist der Hund ja sowieso prädestiniert dafür, mehrere Bezugspersonen zu haben, oder?
Das würde ich so pauschal nicht sagen. Natürlich ist es für den Hund als soziales Lebewesen in den meisten Fällen sinnvoller, von mehreren Bezugspersonen betreut zu werden, anstatt die Zeit alleine zuhause verbringen zu müssen. Aber es gibt auch Ausnahmen. Nicht jeder Hund eignet sich per se für das Modell Dogsharing. 

Ist das rassenabhängig?
Es gibt zwar durchaus Rassen, die man eher als «One-Man-Dogs» bezeichnet wie etwa den Chow-Chow oder den Ridgeback. Meines Erachtens kommt es aber nicht so sehr auf die Rasse an, sondern mehr auf den Charakter des Hundes. Es gibt bei sämtlichen Rassen und unter allen Mischlingen Hunde, die total offen sind für alle Menschen und sich problemlos auf unterschiedliche Personen einlassen können, während andere eine feste Bezugsperson brauchen und sich nur auf diese fokussieren, weil ihnen das im Alltag wichtig ist. Also muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob sich ein Hund fürs Dogsharing eignet oder nicht. Ausserdem müssen auch die Umstände berücksichtigt werden, die eine geteilte Fürsorge nötig machen.

Zum Beispiel?
Das klassische Beispiel ist der sogenannte «Scheidungshund», also wenn sich Herrchen und Frauchen nach der Trennung weiter gemeinsam um ihren Hund kümmern. Diesem Fall begegnen wir auch bei unseren Kunden immer wieder. 

Leidet der Hund in diesem Fall nicht unter dem Hin und Her zwischen Herrchen und Frauchen?
Das hängt davon ab, ob die Fronten zwischen den Ex-Partnern emotional geklärt sind oder nicht. Wenn die beiden einen partnerschaftlichen Umgang miteinander finden, kann das funktionieren. Oft ist die Situation für Herrchen und Frauchen aber emotional schwierig, was auch der Hund spürt und ihn belasten kann. Unserer Erfahrung nach scheitert das Projekt in den allermeisten Fällen früher oder später und der «Scheidungshund» bleibt am Ende dann doch bei einem Partner, während der andere sich ganz zurückzieht.

Und wenn ein Allein-Hundehalter sich aufgrund veränderter Umstände nicht mehr alleine um den Hund kümmern kann? 
Wenn der Hund sich dafür eignet, ist Dog­sharing eine Möglichkeit, dem Vierbeiner ein stundenlanges Warten auf Herrchen der Frauchen zuhause zu ersparen. Dabei sollte man sich allerdings bewusst sein, dass sich das immer auch auf die Beziehung zum eigenen Hund auswirkt – je nachdem, wie die geteilte Fürsorge zeitlich geregelt ist.

Wie meinen Sie das?
Wenn der Hund die meiste Zeit mit dem ursprünglichen Allein-Herrchen verbringt und der Dogsharingpartner lediglich ein paar Stunden pro Tag die Fürsorge übernimmt, ändert das in der Regel nichts an der Beziehung zwischen Hund und Herrchen. Ist der Hund aber beispielsweise vier Tage die Woche beim Dogsharing und Herrchen holt ihn nur nachts zum Schlafen, wird der Hund sich zwangsläufig eher umorientieren. Der Hund weiss nicht, wer ihn gekauft hat oder als Besitzer eingetragen ist. Um die Beziehung aufrechtzuerhalten, braucht es Sozialkontakt und ein Miteinanderleben.

Das Projekt ‹Scheidungshund› scheitert in den allermeisten Fällen früher oder später.

Giulia Lautz
Hundetrainerin

Was sagen Sie dazu, wenn jemand schon vor der Anschaffung weiss, dass er sich nicht alleine um den Hund kümmern kann und daher auf eine externe Betreuung angewiesen sein wird?
Auch dann kann Dosgharing funktionieren, wenn man bei der Wahl des Hundes darauf achtet, dass er mit unterschiedlichen Bezugspersonen zurechtkommt. Wenn aber jemand von Anfang an sagt, dass er nur samstags und sonntags Zeit für den Hund hat, raten wir klar von der Anschaffung ab. Die Person kann stattdessen auch am Wochenende im Tierheim mit Hunden spazieren gehen. Und es gibt auch Lebensumstände, da macht es mehr Sinn, ein neues Plätzchen für den Hund zu suchen, statt auf Dogsharing zu setzen. Auf diesem Weg haben wir auch schon viele Kunden begleitet.

Worauf muss man achten, damit das Modell Dogsharing funktioniert?
Das A und O für ein gelingendes Dogsharing ist, dass alle Bezugspersonen am gleichen Strang ziehen, was die Erziehung des Hundes und die Erwartung an die Betreuung angeht. 

Statt eines Dogsharingpartners könnte man sich also auch einfach einen Hundehort suchen ... 
Ja, auch das ist eine Möglichkeit, dem Hund das lange Alleinebleiben zu ersparen. Dabei sollte man aber unterscheiden. Es gibt Tierheime, in denen der Hund die Zeit im Zwinger verbringt mit einer begrenzten Zeit im Auslauf, was als Betreuungsalternative nicht immer optimal ist. Es gibt aber auch Hundepensionen, die sehr familiär sind, nur eine begrenzte Anzahl Hunde aufnehmen und auch eine enge Beziehung zu den Tagesgästen aufbauen. Wenn ein Hund das toll findet und es geniesst, Zeit mit Hundekumpels zu verbringen, kann eine kleine Pension die bessere Lösung sein als ein Dogsharing ohne Hundeanschluss. Auch hier gilt es, jeden Fall individuell anzuschauen.