Was ist das «Tierrecht»? 

Prof. Dr. Peter V. Kunz: Beim Tierrecht geht es um die gesamte Rechtsordnung, aber mit Fokus auf Tiere. Es stellt also einen Rechtsbereich dar, der sich als viel umfassender erweist als «nur» Tierschutzrecht. Ein Tierrechtler ist als «juristischer Mehrkämpfer» tätig, der eine Vielzahl von Rechtsfragen zu beantworten hat: Wem wird das Pferd bei der Scheidung zugeteilt? Kann ich meinen Kater als Erben in meinem Testament einsetzen?  

Was geschieht denn, wenn sich die Ehefrau während der Ehe ein Pferd kauft und die Scheidung naht? Gehört es beiden? 

Im Regelfall: ja, denn es stellt Errungenschaft dar. Bei solchem gemeinschaftlichen Eigentum wird die Pferdezuteilung im Fall einer Scheidung rechtlich kompliziert. Deshalb sollte schriftlich zwischen den Ehepartner geregelt werden, etwa durch Schenkungsvertrag, dass das Pferd der Ehefrau zu Alleineigentum zusteht: Dann bleiben das Pferd und die Ehefrau – anders als die Ehepartner – zusammen. 

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Ist das Tier rechtlich eine Sache? 

Die juristische Antwort auf diese Frage ist klar: Jein. Das Gesetz hält zwar ausdrücklich fest: «Tiere sind keine Sachen». Rechtlich stehen Tiere allerdings einem Auto oder einem Kühlschrank näher als einem Menschen. Sie haben insbesondere keine subjektiven Rechte, die vor Gericht eingeklagt werden könnten. Insofern werden die Tiere – immerhin Lebewesen – rechtlich schlechter behandelt als beispielsweise die Unternehmen (Nestlé, Novartis, UBS und so weiter), die keine Lebewesen sind. 

Kommt das Tier im Fall einer Scheidung zu der Person, zu welcher es eine nähere Beziehung hatte? 

Juristisch ist die Beziehung zum Tier zweitrangig. Als ausschlaggebend erweist sich, wer dem Tier in tierschützerischer Hinsicht die bessere Unterbringung gewährleisten kann. Die Gerichte müssen diese Rechtsfrage eher selten beantworten, weil in der Scheidungskonvention die Tierzuteilung meist einvernehmlich vereinbart wird. Es sollte aber nicht zugewartet werden bis zur Scheidung, werden doch Tiere immer häufiger in Scheidungen erpresserisch eingesetzt – ähnlich wie Kinder. Eine klare Vereinbarung für Alleineigentum verhindert unschöne Kämpfe um Tiere vor Gericht.