Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 09/2023 vom 4. Mai 2023.

Die Fondation SOS Chats Noiraigue hat eine Petition lanciert, die fordert, dass neu im Schweizer Tierschutzgesetz verankert wird, dass kein Tier ohne triftigen Grund getötet werden darf. Die Unterschriften wurden am 2. März 2023 in Bern eingereicht.

«Die Petition ist Anstoss, unsere Beziehung zu Tieren zu überdenken.»

Alexandra Spring von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

Konkrete Zahlen oder auch nur Schätzungen dazu, wie viele Heimtiere jährlich in der Schweiz ganz ohne medizinischen Grund euthanasiert werden, gebe es nicht, sagt Alexandra Spring von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR).

Denn meldepflichtig seien solche Tötungen nicht. Und obwohl es nicht strafbar ist, wird wohl kaum eine Tierärztin zugeben, dass sie einen vollkommen gesunden, aber nicht mehr erwünschten Hund oder die überzählige, nicht mehr vermittelbare Katze in den Tod geschickt hat. Denn eine solche Handlung widerspricht der Berufsethik. «Ich hoffe sehr, dass die meisten Tierärzte den Auftrag, ein gesundes Tier einzuschläfern, ablehnen», so Alexandra Spring. Nur in medizinischen Notfällen seien die Berufsleute verpflichtet, ein Tier zu erlösen.

Würde ja – Leben nein

Die TIR kritisiert schon seit Jahren, dass zwar die Wahrung der Würde des Tieres im Schweizer Tierschutzgesetz verankert ist, nicht aber der Schutz seines Lebens. Dies sei auch der Grund, weshalb die Stiftung zusammen mit 15 weiteren Organisationen diese Petition unterstützt, so Alexandra Spring.

Anders als etwa in Deutschland, Österreich oder auch Luxemburg braucht es in der Schweiz keinen vernünftigen Grund, um die Tötung eines Tieres zu rechtfertigen. Jedem Tiereigentümer steht es jederzeit frei, sein Tier einschläfern zu lassen. Lediglich das qualvolle oder mutwillige Töten der Tiere ist verboten. Bedingung ist, dass die Tötung fachmännisch und damit schmerzfrei durchgeführt wird.

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Gründe, keinen anderen Ausweg mehr zu sehen als diesen ultimativen Schritt und ein gesundes Tier einschläfern zu lassen, gibt es verschiedene. Etwa, wenn sich die Kaninchen derart rasch vermehrt haben und weder vermittelt noch ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten und versorgt werden können. Wenn der Familienhund den Kindern gegenüber plötzlich Aggressionen zeigt und nicht mit gutem Gewissen an eine andere Familie abgegeben werden kann. Oder wenn die Katze nur mittels einer sehr teuren Operation gerettet werden könnte, die für den Besitzer finanziell nicht stemmbar ist.

Es gäbe andere Lösungen, weiss Alexandra Spring, die sich auch in einem Tierschutzverein engagiert. Oft würden beispielsweise Katzen, die erkrankt seien, mit der richtigen Therapie aber durchaus noch ein schönes Leben vor sich hätten, von den Veterinärmedizinern an Tierheime weitervermittelt. Diese übernehmen dann wenn möglich sogar die Tierarztkosten. Die Tierheime selber sollten sich untereinander besser vernetzen, um bei Überlastung auf externe Plätze ausweichen zu können.

«Ich appelliere an die Tierheime, sogenannt unvermittelbaren Tieren noch länger eine Chance zu geben», so Spring. Oft würden auch gesundheitlich angeschlagene oder ältere Tiere noch von «ihrem Menschen» gefunden. Vor allem Aufklärung ist ein wichtiger Ansatz, um Tötungen gesunder Tiere zu vermeiden, weiss die Fachfrau. Etwa darüber, wie die übermässige Vermehrung von Heimtieren vermieden werden kann.

Die Knackpunkte

Gerade bei Bauernhofkatzen ist die Problematik der unkontrollierten Vermehrung gross. Würde die angestrebte gesetzliche Anpassung nicht das Risiko erhöhen, dass die jungen Kätzchen qualvoll eigenhändig getötet oder massenhaft ausgesetzt werden? Dies geschehe leider bereits heute oftmals, so Alexandra Spring. Ein Verbot würde darauf keinen Einfluss nehmen. Um dieses Problem zu entschärfen, seien Kastrationen die richtige Lösung.

Was aber geschähe mit dem Hund, der sich gefährlich verhält und ein Kind gebissen hat? Bei einer Gefahr für die Allgemeinheit stünde in diesem Fall auch nach einer Gesetzesanpassung als allerletzte Möglichkeit noch die Euthanasie zur Verfügung.Wichtig sei aber, dass erst alle anderen Möglichkeiten wie Verhaltenstests, Verhaltenskorrekturen und auch Therapien ausgeschöpft würden, so die Rechtswissenschaftlerin. «Meist ist ja das Problem bei den Haltern zu suchen, eine Umplatzierung kann die Situation oft entschärfen.» In den richtigen Händen verwandelt sich manch ein gefährlicher Hund in einen angenehmen Begleiter, weiss Spring aus Erfahrung.

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Bei Pferden wird die Pflege kranker Tiere oder die Haltung von aus Altersgründen nicht mehr reitbaren Vierbeinern schnell zu einer besonders kostspieligen Angelegenheit. Ist der Weg zum Metzger versperrt, kommt es fast unweigerlich zu Vernachlässigungen. Sie sei sich bewusst, dass es viel kostet, einem Pferd den Lebensabend auf einer Altersweide zu ermöglichen, und dass erschwingliche Plätze in der Schweiz nicht allzu viele vorhanden sind. Es gäbe aber immer mehr Lebenshöfe, die solchen «ausgedienten» Tieren noch eine Heimat böten.

«Ich sehe diese Petition auch als Anstoss, unsere Beziehung zu Tieren und die ethische Verantwortung, die wir diesen Lebewesen gegenüber haben, zu überdenken», sagt Alexandra Spring. Eine Lösung bestünde darin, keine Tiere mehr zu züchten, ohne dass die entsprechende Nachfrage vorhanden ist.

So müssten beispielsweise keine Freiberger mehr den Weg in die Metzg antreten, weil die schlecht bewerteten Fohlen keinen Käufer finden. Oder es müssten keine überschüssigen Zootiere mehr verfüttert werden, weil weder im eigenen noch in einem fremden Zoo Platz für sie ist.