Wenn Katrin Held mit ihren Katzen Mia und Samba loszieht, dämmert es meist bereits. Über den Schotterweg hinterm Haus geht es dann Richtung Wald. Die Ohren aufgestellt, den Schwanz steil nach oben gestreckt läuft Samba in eine Hofeinfahrt. Rasch schliesst sie sich Held und Mia an, die bereits auf einen steinigen Feldweg eingebogen sind. Miauend stakst Samba jetzt nur noch langsam hinterher. Ganz so begeistert scheint die getigerte Katze von dem heutigen Spaziergang nicht zu sein. Held weiss warum. «Zu Hause trocknen wir Fell und Pfoten ab», ermuntert sie ihre Katze. Das Wetter ist nasskalt, am Himmel hängen dunkle Wolken. Der Boden ist Samba offenbar zu feucht. Früher zog Held selbst bei Schnee mit den beiden Samtpfoten los, doch heute bleiben die Fellnasen bei schlechtem oder kaltem Wetter lieber zu Hause.

Held wohnt am Ortsrand direkt am Wald. «Wegen meiner Katzen, damit sie als Freigänger gefahrlos draussen unterwegs sein können.» Dennoch geht sie mit Mia und Samba regelmässig raus. Für den Spaziergang zu dritt hat die sympathische Brünette acht Ringrouten, die zwischen 30 und 90 Minuten dauern, damit es den Katzen nicht langweilig wird. Die Idee dazu reifte langsam. Als Mia vor einigen Jahren wegen zwei Jagdhunden im Nachbarsgarten nicht mehr allein rauswollte, begleitete Held ihre Katze abends im Dunkeln zuerst in den Garten und dann auf kurzen Strecken ums Haus. «Dann sind weniger Menschen unterwegs und die Gefahr, dass Mia nach Hause rennt, ist geringer.» Mittlerweile ist das Trio auf Spaziergängen ein eingespieltes Team, Menschen treffen sie abends beim und im Wald so gut wie nie, sodass Mia mittlerweile begeistert vorausläuft.

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Die Katzen bestimmen das Tempo

Es geht gemächlich voran. Mia und Samba schnüffeln und beobachten. Sobald die Katzen ein Geräusch wahrnehmen, geht ein leichtes Zucken durch ihre Körper. Sie bleiben stehen und spitzen die Ohren. Plötzlich entdeckt Mia etwas. Sie setzt sich, ihr Schwanz schlägt nervös von einer zur anderen Seite. Nach einer Weile pirscht sie langsam über die Wiese, sie hat eine Maus entdeckt. Samba hat sich in der Zwischenzeit auf den Feldweg gesetzt und wartet. Schnell ist klar: Ein Spaziergang mit Katzen ist kein Streckenlauf. Während die Katzen ihren Spass haben, steht Held öfters, als dass sie geht. «Daher bevorzuge ich Strecken, auf denen ich mich auch mal hinsetzen kann.» Leckerli hat Held übrigens auch dabei. Schliesslich müssen die Fellnasen belohnt werden, wenn sie Held folgen. Unterwegs baut Held Leckerli-Suchspiele ein wie Leckerli im Grassuchen. «Das ist für die Kopfarbeit. Samba kennt auch das Hörzeichen ‹Such›.»

Geschirr oder Halsband tragen Mia und Samba nicht. «Hier am Waldrand kann ich ohne Leine mit ihnen rausgehen.» Einen solchen freien Spaziergang empfiehlt Held, die Verhaltens- und Ernährungsberaterin für Katzen ist, nur unter bestimmten Voraussetzungen. «Man muss unheimlich vorsichtig sein. Wege und Kurven müssen übersichtlich sein. Die Katze sollte jederzeit nach Hause zurücklaufen können, ohne dafür eine Strasse oder andere Hindernisse überqueren zu müssen.» Zu gross sei die Gefahr, dass etwas passiert. Den klassischen Spaziergang mit der Katze sieht Held daher an der Leine. «Das geht aber nur mit Katzen, die nicht in Panik geraten.» Hier sei besonders der Anfang zeitintensiv. «Man muss ein Geschirr oder Walking Jacket finden, das der Katze perfekt passt, und sie dann mithilfe von Clicker-Training zu Hause daran gewöhnen.» Je nach Alter und Charakter der Katze können mehrere Wochen vergehen, bis man endlich zu Hause, im Hausflur oder Garten üben kann. «Am besten ritualisiert man den Spaziergang, damit die Katze nachher nicht an der Türe kratzt, weil sie spazieren gehen möchte.» Held hat hierfür die Abenddämmerung mit einem Hörzeichen verbunden. So wissen Samba und Mia, wann es los geht.

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Samba und Mia erklimmen mittlerweile am Waldrand geschichtete Baumstämme. Vögel zwitschern, von Weitem sind Kühe zu hören. Menschen sind hier in der Tat weit und breit keine. Wenn doch, weiss jeder, was zu tun ist. «Mia flüchtet sich dann in Hörweite ins Gebüsch, Samba sagt gerne mal hallo.» Sobald die Gefahr vorbei ist, pfeift Held. Das Hörzeichen für «ich gehe jetzt weiter, die Luft ist rein» hat sie mit ihren Katzen gut trainiert. «Auch Leinenkatzen sollten den Rückruf beherrschen sowie das eine oder andere Signal.»

Immer der Nase nach

Neben der Geschwindigkeit geben Samba und vor allem Mia die Route vor. Mia möchte den Rückweg durch den Wald antreten. «Sie geht lieber Trampelpfade und durch den Wald. Dort fühlt sie sich sicherer.» Held hingegen möchte übers Feld gehen. Ihre Überredungskünste fruchten nicht. Held folgt Mia in den Wald. Miauend schliesst sich Samba ebenfalls an. Auch sie würde lieber über die Wiese nach Hause gehen.

So klappt der Spaziergang
Das Geschirr passt der Katze dann perfekt, wenn nur noch ein Finger darunter passt. Ganz wichtig: Dem Büsi nicht einfach so das Geschirr anziehen. Gerät es in Panik, wird es vielleicht nie wieder ein Geschirr anziehen mögen. Vor allem kann eine Katze in Panik an der Leine für den Mensch gefährlich werden, da sie aus lauter Angst richtig zubeissen könnte. Die Tiere müssen sich erst langsam an die Gegenwart des Geschirrs gewöhnen, damit sie Freude daran haben. Wer dennoch Probleme hat, sollte sichallenfalls an Fachleute wenden.

- Gehen Sie nur mit Freigängern spazieren. Wohnungskatzeneignen sich zwar auch, müssen aber gesichert werden.
- Die Katze muss ihren Namen kennen und auf ihn reagieren.
- Trainieren Sie vorher gut die Signale zum Rückruf des Büsis.
- Bei Leinengang sollte das Tier zuerst an das Geschirr unddie Leine gewöhnt werden.
- Nehmen Sie eine Lichtquelle mit, falls es dunkel werden sollte.
- Vergessen Sie die Leckerlis nicht. Sie helfen beim Zurückrufen und dienen als Belohnung.
- Passen Sie die Dauer des Spazierganges an die Konstitution und das Alter Ihrer Katze an.
- Die Katze gibt das Tempo vor.
- Haben Sie Spass an der gemeinsamen Aktivität!

Im Wald sieht man bereits die Hand vor Augen nicht mehr. Vereinzelte Lichter schimmern schwach durch das Dickicht. Held macht die Taschenlampe an. Mia und Samba sind nur noch an ihren reflektierenden Augen zu erkennen. Das verrottende Laub knistert bei jedem Schritt Helds. Plötzlich knackt es. Mia bleibt stehen, ihr Schwanz peitscht nervös von einer zur anderen Seite. «Ja, wir sind hier nicht allein, daher laufen wir», animiert Held ihre Katze. Ein paar Meter weiter bleibt Mia erneut interessiert stehen – und biegt nach links ins Dickicht ab. «Nicht den Zeckenweg», zeigt sich Held wenig begeistert von dem Trampelpfad, dem Mia folgt. «Da sind so viele hohe Gräser und Sträucher mit Zecken für Mensch und Tier.» Auch Samba möchte lieber auf dem Waldweg bleiben. Da Mia aber nicht zurückkommt, folgen sie ihr seufzend. «Dann muss ich euch halt daheim gründlich abbürsten.» Bei Mia angekommen, streift diese um Helds Beine. «Nein, wir gehen zurück auf den Weg», entscheidet Held. Mittlerweile kennen und vertrauen sich Held und ihre Samtpfoten so gut, dass sich die Katzen nie weit von Held entfernen. Wenige Meter später läuft Mia dann auch wieder auf dem Waldweg voraus.

Eineinhalb Stunden dauert der Spaziergang, den Held möglichst oft abends mit ihren Samtpfoten unternimmt. Sie findet es schade, dass dies in der Schweiz noch immer in Frage gestellt wird. «Mit der Katze spazieren zu gehen, schafft eine unglaubliche Vertrauensbasis und gerade für Wohnungskatzen eine enorme Bereicherung, wenn sich die Katze dazu eignet.» Selbst das Geschirr- und Leinentraining sei eine Zeit, in der sich der Halter sehr lange und intensiv mit seiner Katze beschäftigt. Davon könnten viele Katzen nur träumen.

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