Seit Corona ist alles anders. Statt wie bisher den grössten Teil des Tages aus­ser Haus zu sein, sind viele Menschen seit Monaten tagtäglich zuhause und bestreiten ihre Erwerbsarbeit vom heimischen Schreibtisch aus. Und es sieht aus, als würde Homeoffice für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch künftig bestehen bleiben – zumindest Teilzeit. Das bedeutet nicht nur für die Menschen, sondern auch für ihre vierbeinigen Bürokolleginnen eine Umstellung und eine Herausforderung. Denn nicht nur der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

«Katzen können auf Veränderungen ihrer Umwelt sensibel reagieren», sagt die Verhaltenstherapeutin Maya Bräm vom Zürcher Tierspital. Je nach Charakter sehr unterschiedlich. Die menschenbezogene Katze freut sich über die zusätzlich Zeit mit ihrem Lieblingsmenschen, springt auf den Schreibtisch oder direkt auf die Tastatur und untermalt die ein oder andere Videokonferenz mit einem beherzten Maunzgesang. Sie ist so glücklich, dass sie fast alles, was man in solchen Momenten macht, als positiv einstuft und damit weitermacht, bis das Arbeiten unerträglich wird.

Die autarke Katze hingegen kann ein solches Verhalten nicht verstehen. Sie zeigt sich von der ungewohnt häufigen Anwesenheit des Halters genervt, wodurch ihre Stresstoleranz sinkt und ihre Reizbarkeit steigt. Ignoranz ist da noch eine vergleichsweise milde Folge. Laut Bräm kann daraus nämlich durchaus auch aggressives Verhalten resultieren. Oder aber die Katze versucht dem Menschen auszuweichen. Bräm: «Katzen, die nach draussen dürfen, kommen eventuell nicht mehr so häufig heim oder ziehen sich mehr zurück.» Was einem sensiblen Katzenliebhaber an die Substanz gehen kann, ist dem pflichtbewussten Homeworker womöglich recht. Ohne Katzenpfoten auf der Tastatur lässt sich schliesslich besser arbeiten. 

Katzen, die nach draussen dürfen, kommen eventuell nicht mehr so häufig heim oder ziehen sich mehr zurück.

Maya Bräm
Verhaltenstherapeutin

Das Zauberwort heisst Routine
In Bezug auf die menschenbezogenen Sorte Büsi scheint Routine das Zauberwort zu sein. «An Homeoffice-Tagen braucht es klare, strukturierte Tagesabläufe und Rituale», sagt etwa die Tierpsychologin Véronique Hufschmid aus Sisseln AG. Wichtig seien «Spiel-Fressspiele-Schmuse-Rituale», die immer um die gleiche Tageszeit stattfinden sollten. Warum nicht die erste Tasse Kaffee mit einem Spielchen versehen und das mittägliche Nickerchen mit der Katze im Arm verbringen? 

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Ein weiterer Schritt ist die sinnvolle Integration des Stubentigers in den Arbeitsalltag. «Stört die Katze während der Arbeit, läuft auf dem Tisch oder Tastatur umher, ist es wichtig, konsequent zu sein», betont Hufschmid. «Dies geschieht am besten, indem der Halter seine Katze nicht streichelt, nicht ansieht und auch nicht anderweitig mit ihr kommunziert, damit man das zu diesem Zeitpunkt unerwünschte Verhalten nicht bestätigt.» Die Tierpsychologin rät zu einem klaren «Nein» in Verbindung mit dem Namen der Katze, um sie dann auf den Boden zu stellen oder sie langsam aber bestimmt vom Tisch zu schieben.

Wer Platz hat, kann auch einen Karton oder eine Decke unmittelbar neben sich auf dem Schreibtisch platzieren und die Katze dahin lenken. Dort angekommen, soll sie mit einem Leckerli belohnt werden. Dann sollte Schluss sein mit der Aufmerksamkeit. Sitzt die Katze nach einer Weile noch immer am Platz, kann man ein weiteres Leckerli geben und so ein Ritual entwickeln, mit dem man an Homeoffice-Tagen die Arbeit einleitet. Neben Konsequenz brauche man dafür vor allem Geduld, sagt Hufschmid.

An Homeoffice-Tagen braucht es klare, strukturierte Tagesabläufe und Rituale.

Véronique Hufschmied
Tierpsychologin

Denn natürlich wird es auch Tage geben, an denen der Sofalöwe wenig Lust auf seinen zugewiesenen Platz hat und sich stattdessen direkt vor den Monitor stellt oder auf wichtige Unterlagen legt. Dann heisst es ruhig bleiben und den felinen Störenfried ignornieren. Irgendwann wird ihm das zu langweilig und er verschwindet ganz von selbst. Vielleicht schleicht er aber auch selbständig zu seinem Homeofficeplatz. Dann gibt es wieder eine kleine Belohnung. Wer hierfür nicht immer in die Leckerlitüte greifen möchte, verteilt Streicheleinheiten. 

Dank der Katze leichter aus dem Bett
Angst vor Übergewicht aufgrund von Homeoffice muss man aber eher nicht haben. Zwar ist seit Jahren ein Anstieg zu verzeichnen – etwa 60 Prozent der Katzen sollen übergewichtig sein –, seit Corona hat sich diese Problematik gemäss der Schweizerischen Vereinigung für Kleintiermedizin aber nicht weiter verschärft. 

Stattdessen gibt es gute Neuigkeiten. Haustiere sollen sich positiv auf das heimische Werkeln auswirken. Das hat die britische Tierschutzorganisation «Battersea Dogs and Cats Home» durch eine Umfrage unter 2000 Hunde- und Katzenhaltern herausgefunden. Vier von zehn Haltern gaben an, dass ihnen die Anwesenheit ihres Lieblings während der Pandemie dabei geholfen hat, eine regelmässige Routine aufrechtzuerhalten. 60 Prozent der Teilnehmer kamen morgens mit tierischer Begleitung leichter aus dem Bett und 68 Prozent bestätigten, dass Produktivität und Motivation durch ihr Haustier gesteigert wurden.