Romana Zumbühl kennt die vielschichtige, beeindruckende Wirkung von Harzen aus erster Hand: «Wenn ein Tier auf dem Bauernhof verwundet ist, will man es schnell und unkompliziert behandeln: Dafür braucht es eine wirksame Salbe, die gut haftet», sagt die diplomierte Phytotherapeutin, die zusammen mit ihrer Familie einen Biobetrieb in Altbüron (LU) führt. Die Harzsalbe setzt sie insbesondere bei entzündeten Gelenken, Klauen oder Hufen bei Schweinen, Kühen und Pferden ein.
Aber auch bei Verletzungen, schlecht heilenden Wunden und zur Behandlung von Nässestau bei Huftieren oder für die Euterpflege von Mutterschweinen leistet sie gute Dienste. «Das Harz zieht Wunden rasch zusammen und ist dank seiner antimikrobiellen, entzündungshemmenden Wirkung ein echt genialer Rohstoff», findet die Mutter von fünf erwachsenen Kindern. Auch bei Hunden schafft Harzsalbe rasch Abhilfe, wenn die Pfoten spröde sind oder Schrammen eine Behandlung erfordern. Einzig Katzen verhalten sich diesbezüglich wenig kooperativ, schlecken sie doch die aufgetragene Salbe in der Regel subito wieder weg.

Altes Wissen neu entdecken

Salben aus den Harzen von einheimischen Nadelbäumen wie Fichten, Tannen, Lärchen oder Kiefern sind seit langem Teil der Volks- und Naturheilkunde: Sie wurden während Jahrhunderten auch hierzulande hergestellt und angewendet, wie aus alten Texten, Handschriften und mündlichen Überlieferungen hervorgeht. Kaum ein Haushalt, in dem das vielseitig einsetzbare Hausmittel nicht vorhanden war und bei Entzündungen, kleineren oder grösseren Verletzungen, Rheuma oder Gicht zum Einsatz kam. Auch als Zugsalbe bei Abszessen und hartnäckigen Wunden rückt sie dem Eiter zuverlässig zu Leibe. Dank ihren durchblutungsfördernden, antiviralen Eigenschaften hilft sie auch bei erkältungsbedingten Atembeschwerden weiter.

Ein Blick in die Regale von Apotheken und Drogerien zeigt: Harzsalben fristen vielerorts ein Schattendasein. «Schade!», findet Romana Zumbühl, die einen Garten mit über 300 Heilkräutern bewirtschaftet und in ihrer Heilpflanzschule in Altbüron seit fast 20 Jahren Kräuter-, Heilpflanzen- und Kochkurse anbietet. Sie will das Wissen rund um diesen natürlichen, vielschichtigen Rohstoff den Leuten wieder zugänglich machen: «Ob reich oder arm: Jeder kann im Wald Harze sammeln.» Es geht ihr dabei auch um die Eigenverantwortung: «Bei kleineren Beschwerden ermöglichen solch einfache Mittel aus der Naturheilkunde Hilfe zur Selbsthilfe. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung zu schulmedizinischen Verfahren und entlasten das Gesundheitssystem», ist Zumbühl überzeugt.

In einem ihrer Kurse vermittelt sie zusammen mit ihrem Mann die Grundlagen zur Herstellung von Harzprodukten: vom Sammeln des Rohstoffs, über die Verarbeitung, die richtigen Anwendungen, bis hin zur Verwendung beim Räuchern. Das Prozedere erfordert einiges an Kenntnissen und Geschick: «Die Aufbereitung der Harze ist relativ aufwändig und mitunter eine klebrige Sache. Auch bei der Erhitzung ist Vorsicht geboten, damit die wertvollen Inhaltsstoffe nicht durch zu hohe Temperaturen zerstört werden», gibt sie zu bedenken.

Mehr Harze nach Steinschlag


Wer keine Zeit hat, die Tipps und Kniffs vor Ort zu erlernen, kann die Salbe in Eigenregie nach einem Rezept der Familie Zumbühl herstellen (s. Kasten) oder in der Drogerie ihres Sohnes beziehen, der als Landwirt auch auf dem Familienbetrieb anpackt. Harzsalben werden auf dem Brunnmatthof seit vielen Jahren hergestellt – zum Eigengebrauch, wie auch zum Vertrieb an Dritte. «Unsere Rezepte basieren auf traditionellem Wissen und den neuesten Erkenntnissen aus der Pflanzenheilkunde», sagt die Bäuerin.
Auch die in den Salben enthaltenen Harze sind alle selbst gesammelt: «Wir suchen vor allem in den Bergen danach, weil dort aufgrund von Steinschlag Nadelhölzer zu einer stärkeren Harzbildung neigen», verrät sie. Gesammelt wird bei schönem, trockenem Wetter, «dann haben die Harze am meisten Kraft und den höchsten Wirkstoffgehalt.» Romana Zumbühl erinnert im gleichen Zug an eine der wichtigsten Regeln beim Sammeln: Das Harz mit den Fingern oder vorsichtig mit Messer oder Holzstückchen lösen, ohne die Wunde des Baumes aufzureissen. «Und nur so viel sammeln, wie effektiv benötigt wird», so ihr Appell.

Rezept Harzbalsam30-90 g Nadelbaumharz, gemischt mit einer Handvoll kleingehackten Nadeln von Fichte, Tanne, Lärche oder Kiefer in 600 ml kaltgepresstem Rapsöl eine halbe Stunde lang bei 50-70 °C ausziehen. Danach die ölige Masse durch ein Leintuch, Teefilter oder einen Seidenstrumpf filtrieren. Dem Auszugsöl (500 g) 60 g Bienenwachs und 60 g Wollwachs beigeben und schmelzen lassen (ca. bei 60 °C). Den Topf vom Herd nehmen und unter Rühren auf 45 °C abkühlen lassen, dann Vitamin E beigeben. 120 g Tinktur (Herstellung s. unten) auf 30 °C erwärmen und langsam in die Fettphase emulgieren. Die ätherischen Öle am Schluss beigeben, dann Balsam in Salbendöschen abfüllen und zum Auskühlen mit einem sauberen Tuch bedecken. Anschliessend verschliessen und etikettieren. Harzbalsam ist ein Jahr lang haltbar.

Fettphase

500 g Harz- und Nadel Auszug mit Rapsöl

60 g Bienenwachs

60 g Wollwachs

Tinktur

120 g Tinktur mit Harz140 ml 75-prozentigen Alkohol in ein 200ml-Glas ein- und mit Harz auffüllen. Jeden Tag während eines Monats schütteln und dann abgiessen.

Antioxidans

4 g Vitamin E (Tocopherol)

Ätherische Öle

100 Tr. Kiefernnadel (entzündungshemmend, keimtötend)

100 Tr. Niaouli (antiviral, antibakteriell, entzündungshemmend)

100 Tr. Zeder Atlas (antiviral, antiseptisch, entzündungshemmend)