Bald beginnt wieder die Geranienzeit. Was auf den Simsen jahrhundertealter Sandsteinhäuser, beispielsweise in der Berner Altstadt, Jahr für Jahr rot, orange und weiss blüht, hat seinen Ursprung im Florenreich am Kap, in der Botanik auch als Capensis bezeichnet. Die Vorläufer des Geraniums stammen aus Südafrika, genauer aus dem Gebiet am Kap.

Kleinstes Florenreich

Es werden weltweit sechs Florenreiche unterschieden. Dasjenige am Kap ist mit etwa 90 000 Quadratkilometern das kleinste. Die Fläche ist etwa doppelt so gross wie die Schweiz. Damit ein Florenreich ausgewiesen werden kann, muss sich am Rand die Pflanzenwelt innerhalb weniger Kilometer ändern. Das ist bei der Capensis der Fall. Die Flora in diesem Gebiet ist einzigartig.

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Einzigartige Pflanzen am Kap

Die Region am Kap ist durch den Tafelberg, Kapstadt am Fusse dieses Gebirges und den Indischen Ozean und den Atlantik geprägt, die dort aufeinandertreffen. Das Klima ist mediterran, das heisst, es ist im Winter kühl und regenreich, im Sommer heiss und trocken.

Das Besondere sind die zahlreichen Pflanzen, die nur dort vorkommen. Sie werden als Endemiten bezeichnet. Etwa 69 Prozent der Arten gibt es nur in der Capensis. Darunter sind sogar endemische Pflanzenfamilien.

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Pflanzen aus Gondwanaland

Die Pflanzenwelt am Kap hat Ähnlichkeiten mit derjenigen des antarktischen Gebiets und Australiens. Heute liegen diese Kontinente weit entfernt von Südafrika, aber bis zum Ende der Jurazeit, die vor etwa 145 Millionen Jahren endete, waren sie alle Teil des Kontinents Gondwana. Erst nachher drifteten die Kontinente langsam auseinander und bildeten die Weltregionen, wie sie heute bekannt sind. Dies erklärt die Verwandtschaft der Pflanzen aus diesen weit voneinander entfernten Gebieten.

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Einst von Regenwald bedeckt

Es kann davon ausgegangen werden, dass früher am Kap Regenwald wuchs. Kleine Relikte davon sind noch in feuchten Tälern und Schluchten vorhanden. Erst vor acht bis zehn Millionen Jahren entstand die Kapflora, als sich die Fliessrichtung des Benguelastroms änderte. Heute handelt es sich dabei um eine aus antarktischen Gewässern gespeiste kalte Meeresströmung im Südatlantik, die vom Kap der Guten Hoffnung nordwärts bis zum Äquator fliesst. Dadurch bildet sich weniger feuchte Luft, Regen bleibt am Kap besonders im Sommer aus.

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Auf Feuer eingestellt

Am Kap fand nie eine Vergletscherung statt und die Geologie ist vielfältig. Das führte zu einem grossen Artenreichtum, der teilweise fast unerklärbar ist. Warum beispielsweise gibt es 750 Erikaarten? Das ist auch für Botaniker ein Wunder. Vermutlich sind die natürlichen Feuersbrünste Treiber der Artbildung. Die Vegetation der Capensis ist darauf eingestellt.

Die Pflanzen haben verschiedene Strategien entwickelt, um Feuer zu überstehen. Entweder treiben sie wieder aus, weil die Wurzeln nicht absterben, sie lassen Samen fallen, die nach dem Feuer gedeihen oder die Äste und Blätter widerstehen dem Feuer. Das regelmässige Feuer verhindert Konkurrenz durch andere Pflanzen, die ihm nicht gewachsen sind. Für manche Arten sind die Rauchpartikel ausschlaggebend, dass sie spriessen.

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Im Botanischen Garten Kirstenbosch, an den Hängen des Tafelbergs hoch über Kapstadt, wird darum Löschpapier, das vorher in ein Feuer gehalten wurde, ins Giesswasser gelegt. Das löst dann den Keimprozess von speziellen Pflanzen aus dem Florenreich am Kap aus.

Die Protea ist die Königin

In Südafrika wird die Bezeichnung Fynbos für die Vegetation verwendet, die aus schlanken Stämmen von Sträuchern besteht. Sie sind als Bauholz ungeeignet. Bekannteste Blume des Kaplands ist die Protea, die manchmal auch in besonders exotischen Blumensträussen eingesetzt wird.

Auch im Botanische Garten Kirstenbosch blühen Proteas, die von Nektarvögeln bestäubt werden. Es gibt aber auch die Art Protea aspera, die am Boden blüht und von einem Nagetier bestäubt wird. Die Blüte riecht süsslich, was die Nager anzieht.

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Veganer Jäger

Am Kap gibt es sogar einen veganen Jäger, die Roridula dendata. An den Blättern dieser Pflanze bleiben Insekten kleben, ausser die Weichwanzen. Deren Kot nimmt die Pflanze als Nahrung auf.

Gladiolen, Schwertlilien, Freesien, Geranien und Pelargonien sind nebst den Protea-Blumen Boten der Capensis in Blumensträussen, -beeten oder in Töpfen und Kistchen auf Balkonen und vor Fenstern. Sie stammen aus einer geheimnisvollen und besonderen Vegetationszone.

 

Ausflug
Der Botanische Garten der Universität Bern hat mit dem Gondwanahaus eine Sammlung von Pflanzen der südlichen Hemisphäre neu aufgebaut. Dazu gehören auch Arten der Capensis. Dieser Lebensraum wird anhand von anschaulichen Informationstafeln bestens erklärt.  
boga.unibe.ch