Lebensträume. Alle haben sie im Kopf. Für Hanspeter Latour sind sie in Erfüllung gegangen. «Ich konnte als Fussballfan meine Leidenschaft zum Beruf machen, mit der Pensionierung dann erfüllte ich mir meinen Traum als Naturliebhaber.»

Was der 77-Jährige in seinem Leben unternommen hat, wurde bei ihm bereits als Kind angelegt. Er erinnert sich: «Ich ging mit meinem Vater an Fussballmatches, war als Ballboy beim Fussballclub Thun tätig, und am Wochenende unternahmen wir Exkursionen in die Natur.» Zum Beispiel auch ins Eriz. «Mein Vater machte mich auf Schmetterlinge, Vögel und Pflanzen aufmerksam.» Plötzlich schaut Hanspeter Latour in seinem Garten konzentriert in Richtung einer Flockenblume und ruft: «Hier, ein Ochsenauge!» Und tatsächlich, der Name des Schmetterlings ist treffend. Auf den offenen oder geschlossenen Flügeln beeindrucken zwei prächtige Augen.

Zur PersonHanspeter Latour (1947) stammt aus Thun, wohnt in Eriz (BE) und ist vor allem als Goalie, Fussballtrainer und Referent bekannt. Er brachte beispielsweise den Fussballclub Thun an die Spitze. Nach seiner Sportkarriere widmet sich der Buchautor ganz der Natur, die wichtiger Teil seines Lebens ist.

Wo Latour als Kind mit seinem Vater auf Pilzsuche war, hat er seit 1986 sein Refugium. Zuhinterst im Eriz wohnt er zusammen mit seiner Frau Tilde in einem Chalet mit grossem Garten. Sie hätten auch noch eine Wohnung in Steffisburg, doch wenn er nicht auf Vortragstour sei, weile er hier.

Garten mit unterschiedlichen Lebensräumen

Hanspeter Latour hält pro Jahr um die 50 Vorträge. «Am liebsten über die Natur», sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: «Wenn es um Motivationsvorträge in Firmen geht, schmuggle ich auch da im zweiten Teil meine Naturbeobachtungen hinein». Dass es dem Kommunikationstalent gelingt, Leute mitzuziehen, mehr aus ihnen herauszuholen, wird rasch klar. Er lebt, wovon er spricht, ob es nun der Sport oder die Natur ist. «Hier, ein Rotmilan!» Hanspeter Latour zeigt an den blauen Sommerhimmel, wo der Raubvogel mit Gabelschwanz seine Kreise zieht.

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Der Sportler erinnert sich: «Als ich im FC Thun mit dem Fussballspiel begann, gab es keine Profispieler, wir trainierten nach der Arbeit ab 17 Uhr.» Mit 41 wagte er den Schritt. Der Laborant gab seine sichere Stelle beim Bund auf und wurde 2001 hauptberuflich Trainer. Mit beharrlicher Arbeit führte er den Club an die Spitze, dies mit wenig Budget. Pflanzen und Tiere um sich herum hat er deswegen nicht vergessen. «Die Natur begleitet mich seit jeher», sagt der Temperamentvolle. Es sei vorgekommen, dass er mit seiner Mannschaft beim regenerativen Training Bäume bestimmt habe. «Wenn ein Fussballer Buche und Eiche unterscheiden kann, so schuttet er deswegen nicht schlechter», meint der ehemalige Trainer schmunzelnd.

«Wenn ein Fussballer Bäume unterscheiden kann, so schuttet er deswegen nicht schlechter.»

Hanspeter LatourFussballprofi und Naturbuchautor, Eriz

Hanspeter Latour hat mit seiner Frau und den beiden Kindern an verschiedenen Orten gewohnt. Heimweh habe er nie gekannt. Er habe sich immer voll in seine Aufgabe gegeben. Zum Ende seiner Fussballkarriere trainierte der Thuner Latour den Fussballclub1. FC Köln und den Grasshopper Club Zürich. «Ob in Köln, in Zürich oder in Thun, ich war in meiner Freizeit immer in der Natur.» Die Natur stärke ihn, helfe seiner Psyche. «Ich blieb vor Schicksalsschlägen verschont, doch die Ausgangslage im Sport war oft nicht gut.»

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Seit er 67-jährig sei, kümmere er sich ausschliesslich um die Natur, sagt der Vielseitige, schlüpft zwischen Eschenästen hindurch, geht einige Steinstufen hinunter und steht vor einem Weidenhaus. «Für meine drei Grosskinder», sagt Latour vor dem grünen Rund aus belaubten Weidenästen. Rund herum wuchert üppiger Wald. «Ich habe Tannen fällen lassen, damit Licht einfällt und sich ein gemischter Wald bildet. Hier finden mehr Arten Lebensraum», erzählt der Naturfreund – jetzt unterwegs auf einem schmalen Pfad. Er weist auf einen Nistkasten für Waldkäuze hin, zeigt eine Spechthöhle in einem morschen Stamm. Der Wald gehöre noch zu seinem Grundstück.

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Als er wieder die Steinstufen hochsteigt, späht er in ein komplett anderes Biotop. Latours Garten, den er vor zehn Jahren nach seinen Vorstellungen von einem Gartenbauer gestalten liess, weist unterschiedliche Räume auf. «Es ist wie eine Theaterkulisse», schwärmt der Naturliebhaber und späht auf einen Zitronenfalter, der von einer Blüte des Blutweiderichs zur anderen gaukelt. In der Ferne ragen die Berge Hohgant und das Trogenhorn auf.

Gegen Extreme

Hier im Garten beginnt Hanspeter Latour seinen Tag. «Wäre ich ein Vogel, so wäre ich eine Eule», sagt er. Er schreibe abends und lasse es am Morgen Tag werden, bevor er aufstehe. Als Trainer sei er lange genug der Erste auf dem Platz gewesen. Hanspeter Latour sitzt geduldig an verschiedenen Stellen seines Gartens, späht von einem Versteck aus in den Wald, weilt am grossen Teich, wo im Frühling Erdkröten und Grasfrösche schwimmen, oder streift in der Umgebung umher.

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«An der jungen Zulg die Wasseramsel, Gebirgsstelzen und eine Stockentenmutter mit zehn Küken zu beobachten, das sind schon schöne Momente», schwärmt der Kenner. Hanspeter Latour sagt in seiner bescheidenen Art: «Ich bin einfach ein Naturbeobachter.» Er freue sich über die eindrückliche Tier- und Pflanzenwelt. «Dem müssen wir Sorge tragen.»

«Ich finde es falsch, die Bauern schlecht zu machen.»

Hanspeter Latour, Fussballprofi und Naturbuchautor, Eriz

Eine blau schillernde Libelle schwirrt über die in der Sonne fett-grün schimmernden Seerosenblätter. Hat Hanspeter Latour Bedenken wegen des schwindenden Naturraums? «Ich bin zuversichtlich, dass wir zugange kommen», sagt er. Er erzähle den Leuten lieber, was es habe, als was fehle. Der Naturliebhaber denkt nach und fügt an: «Ich habe mich intensiver mit der Roten Liste befasst, das stimmt schon nachdenklich.» Es seien in der Schweiz sehr viele Arten gefährdet, das Land habe im Artenschutz Luft nach oben. Hanspeter Latour weiss, wie schwierig der Spagat ist. «Ich bin gegen Extreme», stellt er klar. «Die Gesellschaft ist da, es geht um ein Miteinander. Vieles beisst sich.»

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Man möchte einen guten Lebensstandard und naturbelassene Gebiete. «Nahrungsmittel aber brauchen alle. Ich finde es falsch, Bauern schlecht zu machen.» Er sehe sich als Brückenbauer, lasse sich vor keine Kampagne spannen, und er rede mit allen. Geprägt hat Latour die Aussage seines Vaters, dass die Natur allen gehöre, dass aber auch alle für sie verantwortlich seien. Er nimmt dies ernst. Nicht nur durch die konsequente Gestaltung seines Gartens mit lokalen Pflanzen, Steinen und viel Totholz, sondern auch, indem er etwas abseits seines Hauses eine Wiese gepachtet hat. «Rund herum ist Landwirtschaft, Bauern sind gezwungen, das Gras früh zu mähen, hier lasse ich es wachsen.» Pfade führen durch die Vielfalt an Bergblumen und -gräsern.

Hanspeter Latours Alpenparadies! Davon erzählt er auch in seinen Büchern. Mit seinen Bildern wolle er zeigen, was er sehe. Hanspeter Latour ist oft mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. So spürt er im Wallis dem Mauerläufer nach und in der Ostschweiz fotografiert er eine Goldschuhorchidee, den Gelben Frauenschuh, am Wildstandort.

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Am liebsten hält er sich aber in seinem Refugium im Berner Eriz hinter Thun auf. «Im Lauf eines Jahres habe ich eine Rötelmaus im Wald an der gleichen Stelle beobachtet», schwärmt Hanspeter Latour mit strahlenden Augen. Beharrlichkeit und Geduld führen zu guten Ergebnissen, ob auf dem Fussballplatz oder mitten im Wald.

 SchmökereckeHanspeter Latour hat zwei Bücher geschrieben:
«Natur mit Latour» sowie «365 Tage Biodiversität – Artenvielfaltfotografiert und erzählt von Hanspeter Latour». Bei Letzterem handelt es sich um Abschnitte für jeden Tag des Jahres mit Beobachtungen und Bildern.
Weitere zwei Titel sind über Hanspeter Latour publiziert worden:
«Das isch e Gränni!» und «Das isch doch e Schwalbe!»
Alle Bücher sind im Weber-Verlag in Thun erschienen und im Buchhandel erhältlich.