Awwww!!!» Mit diesem englischen Ausdruck des Entzückens beginnt die Freundin aus Schottland ihre Textnachricht. «Die sind ja sooo süüüss», steht im nächsten Satz. Was ist passiert, fragt die Empfängerin. Die prompte Antwort: Der Fernsehsender BBC habe über die «cutest sheep in the world» berichtet. Dies nicht genug. Wenig später überschlagen sich die Freunde in Neuseeland, Schafnation par excellence, vor Freude. Die «süssesten Schafe der Welt» zieren Magazintitelseiten, die Walliser Schwarznasen sind auch in Down Under Stars.

Seit zwei, drei Jahren sorgen diese Schafe immer wieder für Begeisterungsstürme in der angelsächsischen Welt. Mit ihren schwarzen Gesichtern, Ohren und Füssen, dem dichten Fell an langen Locken und den geschwungenen Hörnern sind die Schwarznasen ja wirklich fotogen. Davon zeugen unzählige Bilder aus den Walliser Bergen, am liebsten mit dem Matterhorn im Hintergrund, die Touristen aus aller Welt in die sozialen Medien stellen.

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Die neueste mediale Aufregung hat mit bevorstehenden Geburten zu tun: Im März sollen die ersten reinrassigen Schwarznasen-Lämmer in den USA zur Welt kommen. Doch die Eltern dieser Tiere sind keine Ur-Walliser, sondern kamen via Grossbritannien und Neuseeland nach Nordamerika.

Der Siegeszug der Rasse beginnt 2013 mit einer BBC-Reportage. Eine englische Schafhalterin fängt Feuer und macht sich daran, Schwarznasen aus der Schweiz zu importieren. Im Februar 2014 kommen die ersten Tiere in Cornwall an. Züchter im ganzen Land, vor allem in Schottland, tun es ihr nach. Eifrig posten sie Fotos grasender Schwarznasen auf Facebook, die auch Christine Reed im weit entfernten Neuseeland sieht. Die Bio-Security-Managerin tut sich mit dem Züchter-Ehepaar Sally und Lindsay Strathdee zusammen mit dem Ziel, die Rasse zu importieren. Was kein einfaches Unterfangen ist, weil die Einfuhr lebender Tiere verboten ist. Reed reist nach Schottland und überzeugt Züchter, ihr Embryonen zur Verfügung zu stellen.

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Stolz und Kritik aus dem Wallis
Tiefgefroren in Neuseeland angekommen, werden sie in Mutterschafe anderer grossrahmiger Rassen eingesetzt. Im Oktober 2017 erblicken die ersten 16 Lämmer in Down Under das Licht der Welt. Kurz danach wiederholen Reed und die Strathdees diese Vorgänge und gründen die Vereinigung «Valais Blacknose New Zealand» mit dem Fokus, die Embryonen preisgekrönter Herden zu importieren, selber Top-Tiere zu züchten und die eigene Genetik international anzubieten. Letzteres mit Erfolg: 2019 liefern sie erstmals Samen nach Kanada und im vergangenen Jahr Embryonen in die USA aus.

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Daniel Steiner, Präsident des Oberwalliser Schwarznasenschaf-Zuchtverbandes, sieht das mit gemischten Gefühlen. Einerseits erfüllt ihn die Begeisterung der Welt über die schönen Walliser mit Stolz. Andererseits ist er dem Gebrauch von Embryonen und Sperma gegenüber kritisch eingestellt. «Dann will man nur noch den allerbesten Bock, und die allerbesten Auen werden zu Gebärmaschinen, wenn man ihnen Embryonen entnimmt.»

Die Neuseeländer hätten auch im Wallis nach Embryonen angefragt, aber kein Züchter sei bereit gewesen, sie zu liefern. «Im Oberwallis leben wir die Natürlichkeit mit den Schafen», sagt Steiner, «wir leihen einander beispielsweise Böcke aus.» Deshalb ist hierzulande, wo 12'000 Schwarznasen leben, Inzucht kein Thema. Dies im Gegensatz zu Grossbritannien und zu den EU-Staaten.

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Dort ist die Inzucht-Problematik akut, weil die EU 2015 die Vorschriften für den Import lebender Schafe wegen der Prionenkrankheit Scrapie verschärfte und Einfuhren praktisch verunmöglichte. Die strengen EU-Anforderungen verlangen aufwendige Tests und sind von Züchtern kaum zu erfüllen. Doch vielleicht ermöglicht der Austritt Grossbritanniens aus der EU nun wieder eine Blutauffrischung der britischen Herden. Steiner würde es begrüssen: «Das Schwarznasenschaf ist eine einzigartige Rasse und schützenswert. Wenn der Austausch nicht erlaubt ist, ist sie vom Aussterben bedroht. Und wir kämpfen alle um ihren Erhalt.»

Geschützter Rassenname
Allen Bestrebungen zum internationalen Austausch zum Trotz: Bei einigen Punkten machen die Walliser keine Kompromisse. Der Name der Rasse bleibt geschützt – schottisches oder neuseeländisches Schwarznasenschaf darf sie nicht genannt werden – und der Rassestandard muss erhalten bleiben. Sie haben ihn den Briten und Züchtern in anderen Ländern zur Verfügung gestellt, unterstützen sie mit Rat und stehen im Austausch mit ihnen.

 

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Anfragen nach den hübschen Schafen bekommt Steiner aus aller Welt. Doch für ihn ist klar, dass sie nicht überallhin exportiert werden können. Das Gebirgsschaf mag weder Wärme noch Feuchtigkeit und weidet im Sommer auf über 3000 Meter. Damit pflegt es Bergwiesen und, weil es die besten Alpenkräuter frisst, liefert es speziell gefasertes, gutes und fettarmes Fleisch. Schliesslich sind Schwarznasen keine Plüschtiere, die gekämmt oder sonstwie hergerichtet werden müssen, wie es da und dort an Shows in Grossbritannien zu sehen ist. Sie überzeugen auch so mit ihrem Aussehen und ihrem charmanten Wesen.

ZuchtverbandDer 1948 gegründete Oberwalliser Schwarznasen-Zuchtverband besteht aus 41 örtlichen Genossenschaften und etwa 440 Betrieben. Da sich mancherorts mehrere Züchter zu einem Betrieb zusammengeschlossen haben, zählt der Verband gut 700 Mitglieder, die 12'000 Schwarznasen halten und züchten.

www.sn-verband.ch

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