Ein hitziges Gespräch und schon rutscht jemanden ein « du blöde Kuh», «du Sauhund» oder «du dummes Schwein» heraus. Der Nutzen aus solchen Tier-Begriffen ist klar: Man will damit das Gegenüber beleidigen. Aber warum greift der Mensch überhaupt auf tierische Beleidigungen zurück? Und wieviel Wahrheit steckt dahinter? Zusammen mit Dr. Miriam Lind, Sprachwissenschaftlerin an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz, versuchen wir herauszufinden, warum Tier-Begriffe negativ in unserem Sprachgebrauch verwendet werden. 

Frau Lind, was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn sie an eine Tierische Beleidigung denken? 

Sau oder Schwein. 

Brauchen Sie in Ihrem eigenen Sprachgebrauch auch Tierische Schimpfwörter?

Das ist eine gute Frage. Wahrscheinlich schon, ohne dass ich es wirklich bewusst mitkriege, weil es kulturell so geläufig ist. 

Warum greift der Mensch denn überhaupt auf Tiernamen zurück, wenn er jemanden beleidigen will? 

Das hat einerseits damit zu tun, dass wir schon seit sehr sehr langer Zeit mit Tieren und Nutztieren zusammenleben, das aber immer in einer klar hierarchischen Beziehung. Schon durch die christliche Sozialisation war immer klar, der Mensch steht irgendwie über dem Tier und Tiere sind für unseren Nutzen da. Und sobald ich einen Menschen degradieren will, ist es natürlich naheliegend auf etwas zurückzugreifen, was uns zwar nahe ist, aber klar unter uns steht. Und wir haben historisch ganz viele Ideen davon, wie Tiere leben und sind. Zum Beispiel, dass Schweine dreckig sind, Weil wir häufig gesehen haben, wie sie sich im Schlamm wälzen. Und heute wissen wir, sie tun es zur Wärmeregulation und sind eigentlich sehr saubere Tiere. Aber als diese Begriffe als Schimpfwörter geprägt wurden, war dieses Wissen noch nicht so vorhanden und so hat sich diese alte Vorstellung tradiert.  

Haben sich diese Schimpfwörter erst entwickelt, als die Tiere zu Haustieren wurden? 

Das ist ganz schwer zu sagen, es gibt aus dieser Zeit fast keine sprachlichen Aufzeichnungen, weil unsere Nutztiere schon seit Tausenden von Jahren mit uns leben. Und zumindest für den deutschen Sprachraum sind unsere ältesten Sprachzeugnisse so tausendzweihundert, tausenddreihundert Jahre alt. Schimpfwörter gehören natürlich nicht zum Ersten was aufgeschrieben wurde.  

Was weiss man darüber, wann zum ersten Mal solche Begriffe verwendet wurden? 

Wir wissen auf jeden Fall aus dem Mittelalter, dass es dort solche Dinge schon gab und viele in bildlichen Darstellungen benutzt wurden. Ein Bild, dass z.B. in der Zeit Luther ganz häufig genutzt wurde, war die sogenannte «Judensau». Also eine Sau, an der Juden gesäugt wurden. Um sie eben zu degradieren und sie als Teil des Tierreichs und nicht als Teil der Menschen zu bezeichnen. Da war es jedenfalls gang und gäbe, so was wie Schwein oder Sau als Beleidigung zu verwenden.  

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Wieviel Wahrheit steckt in Beleidigungen wie blöde Kuh oder Rabenmutter?

Aus heutiger Sicht vermutlich nicht mehr so viel. Weil wir bei vielen Tieren lange unterschätzt hatten, wie intelligent sie sein können. Wir hatten auch nicht die Messmöglichkeiten, um uns mit der kognitiven Fähigkeit von Tieren beschäftigen, diese sind ja erst 50-60 Jahre alt. Diese Sprichwörter stammen aus einer viel älteren Zeit, die sind häufig viele hundert Jahre alt. Und da hat man natürlich Bilder genutzt, wie sie sich uns dargestellt haben. Eben dass Schweine dreckig sind, weil sie sich im Schlamm wälzen. Oder Raben die ihre Kinder aus dem Nest schmeissen und das hat man eben auf Basis des damaligen Weltwissen interpretiert. Häufig haben wir dann, wenn wir solche Begriffe als Beleidigungen benutzt haben, dann diese alten Bedeutungen tradiert. Und wir denken heute gar nicht mehr darüber nach, wenn ich jemanden als Rabenmutter bezeichne, ist es ein Ausdruck für eine schlechte Mutter und man denkt gar nicht mehr an das Tier was dem zugrunde liegt.    

Lässt sich eine Aussage machen bezüglich gendertypischen Beleidigungen, gibt es mehr männliche oder weibliche Beleidigungen?

Soweit ich weiss, gibt es so keine richtig detaillierten Untersuchungen dazu, es gibt aber sicherlich Tendenzen. So etwas wie «blöde Kuh» würden wir eher zu einer Frau sagen als zu einem Mann. Schwein hat eher eine männliche Konnotation. Während Sau, was ja eigentlich auch weiblich ist, durchaus für Männer und Frauen verwendet werden kann. Es scheint eine grundlegende Korrelation von grammatischem Geschlecht und wen man damit beleidigen kann zu geben.  

Warum hielten sich Begriffe im Wortschatz, die nicht stimmen? 

Das ist ein Prozess, den wir in vielen Bereichen in unserer Sprache haben. Dass wir Begriffe benutzen und gar nicht mehr darüber nachdenken, warum wir das tun. Wir sprechen in der Sprachwissenschaft von Lexikalisierung, dass Begriffe eine ganz stabile, eigene Bedeutung erhalten, obwohl wir die Komponenten nicht mehr verstehen. So zum Beispiel ein Schornstein, wo heute niemand mehr weiss was ein Schorn ist oder so Sachen wie ein Bürgersteig, wo wir nicht mehr nachdenken, dass jemand ein Bürger sein muss, um auf diesem Steig laufen zu dürfen, sondern das ist eben der Gehweg neben der Strasse.  

Ist dies in jeder Sprache enthalten? 

Mir wäre zumindest keine bekannt, die es nicht macht. Es scheint unterschiedlich zu sein, welche Tiere man benutzt je nachdem welchen Stellenwert welche Tiere in der Kultur haben. Z.B. würden man in Indien, wo Kühe ja heilig sind, sicherlich keine Beleidigung wie dumme Kuh nutzen, weil das kulturell widersinnig wäre. Das irgendeine Art von Tier oder eine Vielfalt von Tieren als Beleidigung benutzt wird ist ganz üblich und weit verbreitet.  

Neben Beleidigungen kommen Tier-Begriffe auch in Redewendungen vor, gibt es da einen Zusammenhang? 

Der Zusammenhang ist, dass beides Ausdruck davon ist, dass Tiere schon lange eng mit uns zusammenleben. Redewendungen, Beleidigungen und neue Ausdrücke sind daraus gespeist, was um uns geschieht und was wir in der Welt wahrnehmen können. Es ist ganz natürlich, dass wir auf sie zurückgreifen als Bedeutungsressourcen. Es gibt auch Tier-Bezeichnungen, die wir sehr anerkennend benutzen. Wie z.B. ein Tiger oder ein Hengst, für einen einen sehr erfolgreichen Mann. Diese Bildsprache kann in zwei Richtungen gehen und durchaus positiv sein. Dann benutzen wir Tiere die wir auch als solche wahrnehmen: Als stark, dominant und beeindruckend. 

Was denken Sie, wie sich die Sprache in dieser Hinsicht in Zukunft entwickelt? Werden tierische Beleidigungen verschwinden, da wir mehr Respekt vor anderen Lebewesen entwickeln?  

Ich glaube das Bewusstsein darüber wächst, dass manche dieser Beleidigungen vielleicht ein bisschen problematisch sind und ein falsches Tierbild zementieren. Ich glaube eigentlich nicht, dass sich dadurch unser Sprachgebrauch so sehr ändert, weil diese Begriffe so sehr etabliert sind und ein gewisses Eigenleben haben. Ich würde aber vermuten, dass wir eher nicht mehr anfangen neue tierbasierte Beleidigungen zu erfinden.  

Gibt es eine Beleidigung, welche Sie im tierischen Zusammenhang stört? 

So was wie «du Hund», weil wir ja heute und schon sehr lange eine innige positiv emotionale Beziehung zu Hunden haben. Ich nehme an, dass kommt aus Jagdzusammenhängen als Hunde noch eine ganz klare Funktion hatten. Jedes Mal, wenn ich jemanden «Du Hund» sagen höre, wundere ich mich ein bisschen, weil wir ja fast nichts auf der Welt so lieben wie unsere Hunde.  

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