Hofgeflüster
Goldene Schafe
Coburger Fuchsschafe sind besonders zutraulich, zumindest die Kleinherde von Flavia Schenk. Obschon die rötlich-beigen Tiere für die Farbe ihrer Wolle bekannt sind, gelten sie in der Schweiz nach wie vor als Rarität.
Kaum betritt Flavia Schenk mit ihren Besuchern den Pferch, stiebt eine Herde von zehn Kerry-Hill-Schafen mit weit aufgerissenen Augen in die gegenüberliegende Ecke. Dass sich die aus Wales stammenden weissen Wollknäuel mit ihren lustig schwarz gepunkteten Gesichtern undBeinen aus dem Staub machen, stört allerdings nicht sonderlich. Ziel sind ohnehin die rötlich-beigen Auen und Lämmer, die ihre Halterin im hinteren Stallteil vorwitzig begrüssen. Wer hierzulande Exemplare der hübschen Coburger Fuchsschafe, auch bekannt als fränkisches Schaf, zu Gesicht bekommen möchte, muss sich erst auf die Suche begeben. Momentan existieren zwei grössere Herden in Davos und im Rheintal. In der übrigen Schweiz trifft man nur vereinzelte kleine Gruppen bei hobbymässigen Schafhaltern.
Eine solche aus vier Auen und sechs Lämmern bestehende Kleinherde ist der ganze Stolz von Flavia Schenk. Mit ihrem Mann bewirtschaftet sie in dritter Generation einen Milchviehbetreib im bernischen Heimberg, nahe Thun. Aufmerksam wurde die Bäuerin auf die heutzutage rare Landrasse ganz zufällig durch ein Verkaufsinserat. Die ursprünglich auf dem Hof heimischenziegenähnlichen Kamerunschafe sollten durch eineandere Rasse ersetzt werden, die gerne ebenfalls nicht an jeder Ecke anzutreffen ist. «Ich mag es, wenn dieSpaziergänger am Weiderand stehen bleiben und sich an unseren speziellen Tieren erfreuen», gibt Flavia Schenk zu. Ein Hobbyzüchter aus Lyss hatte damalsCoburger Füchse abzugeben. Fünf Jahre ist es nun her, seit zehn Fuchsschafe den Weg von Lyss nach Heimberg fanden.
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Stofffabrikant als Retter
Im 19. Jahrhundert hätte sich die Suche nach Vertretern dieser Schafrasse nicht so schwierig gestaltet, die verschiedenen Schläge des Fuchsschafes waren im europäischen Mittelgebirge weit verbreitet. Heute gibt es ausser in Deutschland nur noch in Spanien und Frankreich nennenswerte Fuchsschafpopulationen. In der Zwischenkriegszeit war die robuste Zweinutzungsrasse auch in Deutschland von den Leistungsrassen so weit zurückgedrängt worden, dass sie kurz vor dem Aussterben war. Dem Einsatz des Schäfers und Tuchmachers Otto Stritzel aus dem Fichtelgebirge ist die Rettung der Coburger Fuchsschafe zu verdanken. Er gab der Zucht neuen Aufschwung, da ihm die glänzende Wolle ideal für die Produktionseines einheimischen Tweet-Stoffes erschien und sich die robusten Schafe ausgezeichnet für die Beweidung erhöhter Lagen eigneten.
«Ich mag es, wenn die Spaziergänger stehen bleiben und sich an unseren Tieren erfreuen.
Flavia Schenk, Heimberg
Seit rund 25 Jahren sind einige Rassevertreter in der Schweiz heimisch. Als Erster importierte ein Landwirtschaftsbetrieb in Domat Ems rund 30 Jungauen aus Deutschland und setzte sich für die Eintragung der Rasse ins Herdenbuch des Schweizerischen Schafzuchtverbandes ein. Jedoch vergeblich, was dazu führte, dass der Landwirt aus dem Bündnerland die Haltung von Coburger Füchsen wieder aufgab. In der Region war damals noch ein weiterer Hof auf die anpassungsfähigen und leichtfuttrigen Schafe aufmerksam geworden. Familie Wyss aus Chur stiess in der Literatur erstmals auf die Landschafrasse, als ihre Tochter für die Schule einen Vortrag vorbereitete. Mitte der 1990er-Jahre war auf dem Geissweidhof aus einer Handvoll Auen eine Herde von rund 150 Tieren entstanden. Ruth Wyss zog jeweils im Sommer mit Gruppen von 60 Tieren von Maiensäss zu Maiensäss, wo die Coburger Füchse im steilen Terrain hervorragende Dienste in der Landschaftspflege leisteten. Das geschmackvolle Fleisch fand guten Absatz und die Wolle wurde von Hobbyspinnerinnen verarbeitet. Wegen einer Betriebsumstellung wurde die Coburger-Herde jedoch kürzlich verkauft.
Die Wolle ist ein Herausstellungsmerkmal dieser Rasse. Sowohl die Jungtiere als auch die erwachsenen Schafe ziehen wegen ihres speziellen Fellkleides die Blicke auf sich. Die Lämmer kommen einfarbig kastanienbraun zur Welt und gleichen kleinen Rehlein. Mit zunehmendem Alter hellt die Wolle auf. Bei erwachsenen Tieren sind nur noch die unbewollten Partien an Beinen, Bauch und Kopf im rot-braunen Ton gehalten. Ihr Kleid hat einen goldbeigen Glanz, weshalb die Wolle als goldenes Vlies beschrieben wird. Diese Bezeichnung stammt aus der griechischen Mythologie, wo es einen goldenen Widder gibt, der fliegen und sprechen kann und dessen Fell als das Goldene Vlies bekannt ist. Der Kopf des Coburger Fuchsschafes ist unbehornt, fein und mit einer leichten Ramsnase. In der Nackenpartie wächst oft eine Krause.
Weidedienste
Die Coburger Füchse von Flavia Schenk zeigen die rassetypische Anhänglichkeit und Neugier. Besucherwerden eingehend beäugt und von der Jungmannschaft bald auch beschnuppert und beknabbert. Für die Fotos wirft sich die ganze Truppe in Pose, bei einzelnen Vertreterinnen könnten gar Modelambitionen vermutet werden. «Die enorme Zutraulichkeit stammt wohl auch daher, dass ich meinen Schafen sehr viel Zuneigung gebe», grinst die Tiernärrin. Im Verwöhnprogramm inbegriffen sind Streicheleinheiten und ab und zu ein Stück Zwieback als Leckerbissen.
Auf dem Hof in Heimberg sind die Füchse jedoch nicht nur zum Kuscheln da, sie erweisen auch gute Dienste in der Weidepflege. Alles Grünzeug, das die Kühe stehen lassen, fressen die Schafe mit Freude ab. Büsche und Bäume knabbern sie, anders als manche Artgenossen, jedoch nicht an. Zudem wirken die nicht alltäglichen Schafe als Sympathieträger. An sich eine positive Sache für den Landwirtschaftsbetrieb. Auf manche Eltern und Kinder wirken die zutraulichen Tiere scheinbar so anziehend, dass sie, ohne zu fragen, über den Zaun steigen, um sie zu streicheln. Wenn der stattliche, über 100 Kilogramm wiegende Bock mit von der Partie ist, ein Unterfangen, das für Kinder schnell gefährlich werden kann.
Für den Herdenschutz ist mittlerweile ein Mutter-Sohn-Gespann zuständig. Eselin Pierrina und derkleine Pierrino laufen während der Weidesaison mit den Schafen mit und melden mit einem lauten «Iaah», wenn sich ein Störenfried in der Nähe ihrer Schützlinge aufhält.
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Eigentlich hätte Hofhund Ringo die Aufgabe übernehmen sollen, die Schafe bei Gefahr zu verteidigen und zusammenzutreiben. «Der gute Ringo wird von den Schafen allerdings überhaupt nicht ernst genommen», lacht Flavia Schenk. Grund dafür ist, dass eine der Auen als Schoppenlamm aufgezogen wurde. Ringo und das kleine Coburger-Mädchen schlossen Freundschaft und schliefen jeweils gemeinsam in einem Körbchen. Zurück bei ihren Artgenossen, gab die junge Aue ihren Kolleginnen zu verstehen, dass der Border-Collie-Mischling ein guter Kollege ist, von dem man sich nicht herumbefehlen lassen muss.
Bevor es Anfang April wieder raus auf die Weide ging, wurden die Schafe von der dicken Winterwolle befreit. Diese möchte Flavia Schenk erstmals selberfür Handarbeiten verwenden, eine weitere grosseLeidenschaft von ihr. Anders als in Deutschland, wo man sich regelrecht um die Wolle von Coburger Füchsen reisse, fände man hierzulande kaum Abnehmer. Genau umgekehrt sähe es aus, wenn sie ab und zu einen jungen Bock zum Verkauf ausschreiben müsse, erklärt die Schafhalterin. Da sei die Nachfrage von Hobbyzüchtern gross. In die Metzgerei geht selten ein Schaf aus dem Besitz der Familie Schenk. Das Fleisch habe ja auch nicht die Qualität wie bei einer reinen Fleischschafrasse, meint die junge Bäuerin. Der wahre Grund liegt wohl eher darin, dass Flavia Schenk so sehr an jedemeinzelnen Tier hängt, dass sie es wirklich kaum übers Herz bringt, sich von einem ihrer Schützlinge zutrennen. So hübsch und freundlich, wie sie sind, auch kaum verwunderlich.
Digitaler Ausflug
Mehr Wissenswertes zum Coburger Fuchsschaf finden Sie unter
agfuchsschaf.de
slowfood.de/coburger_fuchsschaf
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