Ein Reitstall ausserhalb von Winterthur. Annette Fetscherin, die in diesem Jahr bei der Euro 2020 wie bei den Olympischen Spielen in Tokio bewiesen hat, dass sie zu den versiertesten Kräften der SRF-Sportmoderation gehört, zeigt uns ihre Stute Luciana. Als sie die Türe öffnet, ist das anfangs jedoch keine stürmische Begrüssung. Das Pferd ziert sich etwas, fegt zuerst mit dem Kopf das Heu in der Box zusammen, bevor sie sich ihrer Besitzerin zuwendet. «Sie macht öfters irgendwelchen Chabis. Ich könnte ihr stundenlang zuschauen!», amüsiert sich Fetscherin. «Sie will mir wohl klarmachen, dass sie nicht den ganzen Tag nur auf meinen Besuch gewartet hat.» Wie Luciana danach die Streicheleinheiten geniesst, die sie von der TV-Journalistin bekommt, und bereitwillig mit ihr für den Fotografen posiert, verrät jedoch, dass das elfjährige Tier ihre Zuneigung erwidert.

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«Luciana hat einen guten Charakter. Sie ist schön gebaut, kompakt und kräftig – eine super Athletin mit einem herzigen Köpfli», schwärmt die 38-Jährige. Ihre zweite Stute, die sich im Frühling verletzt hat, ist noch in der Reha. So kam die Thurgauerin in der letzten Polosaison auf weniger Spielzeit. Die Leidenschaft für diesen Sport hat sie entdeckt, als sie einen Freund besuchte, der in Argentinien eine Poloranch mit Hotel betreibt. «Es ist herrlich! Du spielst zweimal im Tag Polo und bist immer gut beritten, weil es in der Heimat dieses Sports so viele tolle Polopferde gibt.» Nachdem sich Fetscherin dort in Luciana verliebt hatte,entschied sie sich vor drei Jahren, eigene Pferde zu kaufen. «Das ist kein billiges Hobby», erklärt sie, «aber Polo ist der grösste und einzige Luxus, den ich mir leiste!»

 

«Polo ist mein einziger Luxus.»

Annette Fetscherin

Ferien macht sie seither im Sommerhalbjahr keine mehr. Das ist jedoch kein Opfer für sie, denn dann möchte sie bei ihren Pferden sein. Sie schaut jedoch jeden Tag im Reitstall vorbei, sofern das die Arbeit beim Fernsehen zulässt. Das zweimalige täglicheTraining, das Polopferde brauchen, muss sie jedoch aus Zeitgründen auch ab und zu dem argentinischen Polotrainer des Reitstalls überlassen. Er ist von Luciana ebenso begeistert wie Fetscherin, die ihre Stute auch für ihr Verhalten im Polospiel lobt: «Sie ist sehr zuverlässig, nie faul und macht immer genau das, was ich will.»

Eine Kindheit mit Pferden

Die Liebe der Thurgauerin zum Pferd hat ihren Ursprung bereits in ihrer Kindheit. Sie ist am Rand von Aadorf gleich neben einem Bauernhof aufgewachsen. «Meine Schwestern, mein Bruder und ich waren dauernd drüben und sassen dem Bauern auf der Pelle, weil wir seine Pferde striegeln und reiten wollten», erinnert sich Fetscherin, die damals auch die einschlägige Fachliteratur «Blacky», «Blitz» und «Wendy» gelesen hat. Als sie und ihre zwei Jahre ältere Schwester Kathrin Talent und Ehrgeiz offenbarten, erlaubte ihnen die Reitlehrerin sogar, mit ihrem Pferd an Turnieren teilzunehmen. «Wir waren bei freien Springprüfungen für Reiterinnen ohne Lizenz ziemlich erfolgreich, aber wir haben nicht geglaubt, dass wir mit unseren beschränkten Mitteln auf höherer Ebene konkurrenzfähig werden könnten.»

Es sind auch nicht in erster Linie Wettkämpfe, die für Fetscherin den Reiz des Reitens ausmachen. Nur schon über die Wiesen zu galoppieren und den Duft von frisch gemähtem Gras zu riechen, macht ihr enorme Freude. Selbst die Stürze machen in der Erinnerung nicht mehr weh. Gefühlt sei sie in ihrem Leben schon mehr als hundertmal vom Pferd gefallen, glücklicherweise habe sie sich dabei aber nie ernsthaft verletzt. Polo verlangt ihr nun noch mehr ab als früher das Springreiten, weil dazu viel mehr Stop-and-go gehört, man sich dabei mit den Beinen festhalten muss und die Zügel nur mit dem linken Arm hält, da man rechts den Schläger schwingt. «Das ist anstrengend und erfordert zusätzliches Krafttraining, um die nötige Rumpfstabilität hinzubekommen.»

 

«Polo ist ziemlich anstrengend und erfordert zusätzliches Krafttraining.»

Annette Fetscherin

Interessanterweise hat es sich nie ergeben, dass es Fetscherin auch beruflich mit Pferden zu tun bekam. Zwar liebäugelte sie auf dem Gymnasium noch damit, Tierärztin zu werden, doch realisierte sie rechtzeitig, dass ihre Stärken nicht in den Fächern liegen, die für ein Medizinstudium wichtig sind, sondern im Schreiben und Sprechen. So machte sie ihr Lizenziat inPublizistikwissenschaft und startete ihre journalistische Karriere parallel bei lokalen Medien, ehe sie sich als Videojournalistin, Liveproduzentin und Moderatorin bei Teleclub und Sport TV profilierte. Die Berichterstattung über Pferdesportereignisse zählte dort ebenso wenig zur ihrem Aufgabengebiet wie beim Fernsehen SRF, wo sie seit 2017 arbeitet. Der Pferdesport ist für sie immer noch «nur» ein Ausgleich. «Ich sehe das nicht als Nachteil», sagt sie. «So fällt es mir leicht, Beruf und Privatleben zu trennen.»