Oktopusse und Tintenfische sind faszinierende Meeresbewohner, die zur Klasse der Kopffüsser zählen und gemeinsam mit Kalmaren und Nautilussen eine Gruppe bilden, die durch eine jahrmillionenalte Evolution geprägt ist. Die Vielfalt dieser Weichtiere ist enorm. Über 300 Arten von Oktopussen und etwa 120 Arten von Tintenfischen sind bekannt. Von der winzigen Zwergtintenfischart Idiosepius, die nur wenige Zentimeter gross ist, bis hin zum beeindruckenden Riesenkraken (Enteroctopus dofleini), der eine Spannweite von bis zu neun Metern erreichen kann, sind sie in sehr vielen verschiedenen Grössen und Formen vertreten.

Doch nicht nur ihr äusseres Erscheinungsbild ist beeindruckend – auch ihr Verhalten und ihre Fähigkeiten faszinieren. Sie sind Meister der Anpassung, ausgestattet mit beeindruckender Intelligenz und der einzigartigen Fähigkeit, ihren Körper auf vielfältige Weise zu kontrollieren.

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Eine der herausragendsten Eigenschaften von Oktopussen und Tintenfischen ist ihre Intelligenz. Sie gelten als die klügsten Wirbellosen der Welt und besitzen ein hoch entwickeltes Nervensystem. Etwa zwei Drittel ihrer Neuronen befinden sich in ihren Armen, was ihnen eine aussergewöhnliche Bewegungsfreiheit und eine Art dezentralisierte Intelligenz verleiht. Diese Struktur ermöglicht es ihnen, unabhängig voneinander zu agieren und gleichzeitig sehr komplexe Aufgaben zu bewältigen.

Die Multitasker

Wissenschaftliche Experimente zeigen, dass Oktopusse Rätsel lösen, Labyrinthe durchlaufen und sogar Schraubverschlüsse öffnen können. Manche Arten, wie der Kokosnuss-Oktopus (Amphioctopus marginatus), nutzen sogar Werkzeuge. Indem sie leere Kokosnussschalen als tragbare Schutzbarrieren verwenden, zeigen sie Verhaltensweisen, die bisher vor allem bei Säugetieren und Vögeln beobachtet wurden. Neben ihren kognitiven Fähigkeiten besitzen Oktopusse auch individuelle Persönlichkeiten. Einige sind neugierig und erforschen ihre Umgebung, während andere zurückhaltender agieren. Diese Vielfalt im Verhalten gibt Wissenschaftlern sehr wertvolle Einblicke in die Evolution von Intelligenz und individuellen Charakterzügen bei Tieren.

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Ein weiteres faszinierendes Merkmal ist ihre Fähigkeit zur Tarnung. Oktopusse und Tintenfische verfügen über spezielle Hautzellen, die Chromatophoren, mit denen sie blitzschnell Farbe, Muster und sogar die Textur ihrer Haut verändern können. Diese überaus beeindruckende Fähigkeit dient nicht nur der Tarnung vor Feinden, sondern auch der Kommunikation oder dem Täuschen von Beute. Besonders beeindruckend ist der Mimik-Oktopus (Thaumoctopus mimicus), der das Aussehen und die Bewegungen anderer Tiere imitiert, um Angreifer zu verwirren. Tintenfische wiederum nutzen biolumineszente Eigenschaften, um in der Dunkelheit Lichtsignale auszusenden, die Fressfeinde irritieren oder Artgenossen signalisieren, dass eine Gefahr droht oder um sich zu paaren.

Dreieckige PupillenDie Augen der Tintenfische haben eine auffällige dreieckige Form. Dies ermöglicht ihnen, Licht in dunklen Umgebungen extrem gut wahrzunehmen. Ideal für die Jagd in der Tiefe.

Laufen, gleiten, fliehen

Auch die Fortbewegung ist bemerkenswert. Oktopusse können sowohl auf dem Meeresboden «laufen» als auch durch das Wasser gleiten, indem sie ihre Mantelhöhle zusammenziehen und Wasser in einem kräftigen Strahl ausstossen. Dieser Jet-Antrieb ermöglicht es ihnen, bei Gefahr zu entkommen und sich mit beeindruckender Geschwindigkeit durch die Tiefen zu bewegen.

Der Lebenszyklus dieser Tiere ist ebenso faszinierend wie tragisch. Männliche Kopffüsser verwenden einen speziell angepassten Arm, um Spermienpakete an das Weibchen zu übertragen. Nach der Paarung stirbt das Männchen meist bald, während das Weibchen sich der Brutpflege widmet. Weibliche Oktopusse bewachen ihre Eier oft monatelang und verzichten in dieser Zeit vollständig auf Nahrung, bis die Jungtiere schlüpfen. Diese extreme Hingabe endet in der Regel mit dem Tod der Mutter, doch sie sichert das Überleben der nächsten Generation.

In den letzten Jahrzehnten hat die Wissenschaft erstaunliche Entdeckungen über Oktopusse und Tintenfische gemacht. Besonders beeindruckend ist ihr einzigartiges Kreislaufsystem: Drei Herzen und blaues Blut, das durch das Kupferprotein Hämocyanin gefärbt wird, machen sie hervorragend an sauerstoffarme Lebensräume angepasst. Zudem sind sie in der Lage, verlorene Arme vollständig zu regenerieren. Diese neuen Arme sind nicht nur funktional, sondern verfügen auch über dieselben sensorischen Fähigkeiten wie die ursprünglichen.

Verspielte Jäger der Meere

Besonders bemerkenswert ist ihr Spielverhalten, das auf eine Form von Selbstbewusstsein hinweisen könnte. Beobachtungen zeigen, dass Oktopusse Gegenstände werfen oder mit ihnen interagieren – ein Verhalten, das bisher nur bei höher entwickelten Tieren wie Säugetieren dokumentiert wurde. Manche Arten, wie der tropische Blaugeringelte Oktopus (Hapalochlaena), produzieren zudem eines der stärksten bekannten Nervengifte, das selbst Menschen gefährlich werden kann.

Oktopusse und Tintenfische spielen eine entscheidende Rolle in marinen Ökosystemen. Als geschickte Jäger kontrollieren sie Populationen kleinerer Beutetiere, während sie selbst Beute für grössere Raubtiere wie Haie und Delfine sind. Doch ihre Anpassungsfähigkeit und ihr Überleben sind durch Umweltveränderungen und Überfischung gefährdet. Besonders die steigende Nachfrage nach Tintenfischen in der Gastronomie hat dazu geführt, dass einige Populationen unter Druck geraten.

Tinte mit doppelter FunktionTintenfische schiessen Tinte aus, um Feinde abzulenken oder eine Wolke zu erzeugen, hinter der sie sich verstecken können. Spannend: Die Tinte enthält Substanzen, die die Sinne des Angreifers irritieren.

Trotz dieser Herausforderungen bleiben Oktopusse und Tintenfische wahre Wunder der Natur. Sie faszinieren nicht nur durch ihre Intelligenz und ihre aussergewöhnlichen Fähigkeiten, sondern auch durch ihre Rolle als Hüter der Meere. Ihre Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Vielseitigkeit und Schönheit des Lebens unter Wasser. Sie erinnern uns daran, wie wichtig es ist, die Ozeane und ihre Bewohner zu schützen – nicht nur wegen ihres ökologischen Wertes, sondern auch wegen der vielen Geheimnisse, die sie noch bergen.

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Wissenschaftliche Erkenntnisse

Drei Herzen und blaues Blut

Oktopusse besitzen drei Herzen. Zwei pumpen Blut durch die Kiemen, während das dritte den Rest des Körpers versorgt. Ihr Blut ist blau, weil sie Hämocyanin anstelle von Hämoglobin als Sauerstoff-Transport-molekül nutzen. Hämocyanin enthält Kupfer als Sauerstoff-bindendes Element, im Gegensatz zu Hämoglobin, das Eisen enthält und das Blut rot färbt. Der Grund für diese Anpassung liegt darin, dass Kraken oft in kalten, sauerstoffarmen Gewässern leben. Hämocyanin ist unter diesen Bedingungen effizienter darin, Sauerstoff zu transportieren, wodurch die Tiere auch in diesen Umgebungen überleben können.

Regeneration von Armen

Ähnlich wie bei Eidechsen, die ihren Schwanz abwerfen können, sind Oktopusse in der Lage, verlorene Arme vollständig nachwachsen zu lassen. Diese regenerierten Arme sind voll funktionsfähig und verfügen sogar über sensorische Fähigkeiten.

Selbstbewusstsein und Spielverhalten

Experimente legen nahe, dass Oktopusse eine Form von Selbstbewusstsein besitzen. Sie haben Spass an spielerischen Aktivitäten wie dem Herumwerfen von Gegenständen – ein Verhalten, das bisher nur beihöher entwickelten Tieren beobachtet wurde.

Aussergewöhnliche Anpassungsfähigkeit

Einige Arten, wie der Tiefsee-Oktopus (Graneledone boreopacifica), können extrem tiefe Temperaturen aushalten, während andere, wie der tropische Blaugeringelte Oktopus (Hapalochlaena), ein tödliches Nervengift produzieren.