Comeback
Nasen: Revitalisierung der Gewässer zeigt Wirkung
Die Nase – bis in die 1970er-Jahre ein in Schweizer Fliessgewässern weit verbreiteter Fisch – ist heute vom Aussterben bedroht und europaweit geschützt. Doch es gibt hoffnungsvolle Zeichen für ein Comeback dieses Charakterfischs.
Gams, ein idyllischer, landwirtschaftlich geprägter Ort im oberen St. Galler Rheintal, schaffte es im Frühling 2024 in die Schlagzeilen. Zusammen mit der Nase. Über hundert Exemplare dieser vom Aussterben bedrohten, heimischen Fischart seien in der Simmi beim Laichen beobachtet worden, vermeldete die lokale Presse. Von einer Sensation beziehungsweise einem Comeback war die Rede.
Das freut nicht nur den örtlichen Fischereiverein, sondern auch den WWF. Mit seinem Projekt «Der Nase nach» machte er bereits vor 15 Jahren auf kantonaler und nationaler Ebene auf die prekäre Situation dieser karpfenartigen Fische aufmerksam und stiess Projekte an, die deren Lebensraum aufwerten sollten. Das jahrelange Engagement hat sich offensichtlich ausbezahlt: In verschiedenen Gewässern der Ostschweiz – besonders in den Flüssen Rhein und Thur sowie in deren Zuflüssen – werden heute wieder deutlich grössere Nasenpopulationen gesichtet.
Gezielte Eingriffe
«Neuste Untersuchungen belegen, dass sich einzelne Bestände in den letzten Jahren teilweise erholt haben», sagt Ruedi Bösiger, Leiter Schutz und Aufwertung Gewässer beim WWF Schweiz. Zwar bleibt die Lage kritisch, aber der steigende Bestand einzelner Populationen macht Naturschützern, Fischereiverbänden und Behörden Hoffnung, dass geeignete Massnahmen zur Aufwertung von Lebensräumen helfen können, die Bestände zu stabilisieren.
«Die erfreuliche Rückkehr der Nasenschwärme zeigt, dass es sich lohnt, unsere Fliessgewässer wieder in einen natürlicheren Zustand zu versetzen. Wenn wir ihnen genügend Platz und Zeit einräumen, können sich Gewässer und auch ihre Bewohner erholen», bilanziert Thomas Ammann, Fischexperte des WWF Schweiz. Es war ein Potpourri an Massnahmen, die in den letzten Jahren ergriffen wurden, um diesen Fisch mit markanter Nase und seine Lebensräume zu schützen und für ihn eine Entourage zu schaffen, die sein Überlebensichern. Dazu gehörten diverse Revitalisierungsprojekte, die Wiederherstellung von Laichgebieten und Aktionen zur Verbesserung der Wasserqualität.
Rote Liste mit vielen Einträgen
Auch wenn noch nicht restlos klar ist, weshalb sich die Nasenpopulation in den letzten fünf Jahrzehnten so dramatisch dezimierte, ist mittlerweile viel bekannt über die besonderen Bedürfnisse dieses bis zu 40 Zentimeter grossen Fischs: Zur Eiablage benötigt er einerseits stark strömende, flache Gewässerabschnitte mit Kiesgrund. Andererseits sind aber auch Ruhezonen mit geringer Strömung überlebenswichtig. Gerade die Larven und Jungfische bevorzugen flache, strömungsgeschützte Bereiche, wechseln später aber mit zunehmender Grösse in tiefere Bereiche.
Doch um diese unterschiedlichen Lebensräume ist es in der Schweiz nach wie vor schlecht bestellt. «Die starke Verbauung der Gewässer zum Landgewinn für Siedlungen, Strassen oder für die Landwirtschaft, die intensive Nutzung der Wasserkraft und der Einsatz von Pestiziden und anderen Giftstoffen haben die Lebensbedingungen von unseren Fischen massiv verschlechtert», bringt es Thomas Ammann auf den Punkt. Trotz des «Comebacks» in der Ostschweiz zählt die Nase immer noch zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Und sie ist beileibe nicht allein: Derzeit stehen zwei Drittel aller Fischarten in der Schweiz auf der sogenannten Roten Liste.
Gefährdete Lebensräume
Gerade die Kieslaicher, zu denen die Nasen zählen, sind in den hiesigen Gewässern besonders gefährdet. «Oft fehlt in unseren Flüssen Kies und Geröll, weil es an Stauwehren zurückgehalten wird oder sich in den kanalisierten Flüssen nicht genügend ablagern kann», erklärt Ruedi Bösiger. Doch gerade diese gut durchströmten, kiesigen Sohlen in Flüssen brauchen die Nasen für die Fortpflanzung. Und auch Hindernisse wie Wehre sind für diese Fische fatal, die während ihrer grossen Laichwanderungen pro Tag bis zu 23 Kilometer zurücklegen.
«Schweizer Gewässer sind stark fragmentiert durch weit über 100 000 grosse und kleine Wanderhindernisse wie Schwellen oder Wehre», so Thomas Ammann. Schlechte Voraussetzungen für viele einheimische Fischarten wie Barben, Äschen, Lachse und Seeforellen, die wie die Nasen auf vernetzte, fischgängige Gewässer angewiesen sind. Und damit nicht genug: Gewässerverbauungen, Begradigungen, fehlende Flachufer für den Nachwuchs, zu geringe Restwassermengen in Gewässern mit Ausleit-Wasserkraftwerken oder Gewässerverschmutzungen machen den Fischen ebenso das Leben schwer. Auch wirken sich die mit dem Klimawandel steigenden Wassertemperaturen fatal auf verschiedene Wasserlebewesen aus. Beschattete beziehungsweise bestockte Ufer könnten eine mögliche Antwort auf die ansteigenden Temperaturen sein, resümiert der WWF.
Mehr Schutz, mehr Forschung
Klar ist: Zum Aufatmen ist es zu früh, auch wenn die jüngsten Beobachtungen vielversprechend sind und zeigen, dass sich Massnahmen zur Renaturierung als zielführend erweisen. «Es muss noch viel passieren, damit sich die Nase langfristig etablieren kann. Doch die vereinzelte Rückkehr der Nasen stimmt uns hoffnungsvoll», bilanziert Thomas Ammann. Laut WWF braucht es weiterhin ein gezieltes Monitoring, aber auch konkrete, weitsichtige Aufwertungen unserer Gewässer.
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